Besinnliches: Daumen hoch für Daumen raus

Ich bin ja gern unterwegs – im Wald – querfeldein – auf der Suche nach Eindrücken: eine bemooste Wurzel, eine Quelle, ein besonderer Stein…
Ein Pfarrer kann ja alles gebrauchen – als Symbol für den nächsten Gottesdienst, als Metapher für die Stadtspiegel-Andacht…
Ich finde es einfach schön. Und dann verliere ich die Zeit und den Weg aus den Augen.
Neulich landete ich in … verrate ich nicht. Der nächste Bus nach Hause fuhr erst in einer Stunde. Und ich erinnerte mich an die gute alte Zeit, da halte ich einfach mal den Daumen raus. Die Strecke ist eindeutig: wer hier vorbei kommt, kommt auch an unserem Haus vorbei. Also eine günstige Stelle gesucht: kurz hinter einer Kreuzung, wo das Tempo noch moderat ist, an der Busbucht, wo jede/r problemlos halten kann, weithin sicht- und taxierbar. Ideal!
Nach den ersten zehn Autos dachte ich über Taktik nach. Blickkontakt? Wie stelle ich mich? Kleidung anders ordnen? Zehn weitere Autos. Ich begann zu taxieren: wie teuer waren wohl die Autos? 2/3 sicher teurer als meins. Eigentum verpflichtet! Die haben wohl Angst, ich verschmutze ihre Fußmatten! Spießer!! Würde ich selbst bei jeder/m ins Auto steigen? Ich war unsicher.
Noch zehn Autos. Noch unsicherer: Wie wirke ich eigentlich? Sind die Klamotten zu abgenutzt? Sehe ich aus wie ??? (nicht pc). Sieht man gar mir den Pfarrer nicht an?! Und noch zehn Autos: Ich kriegte richtig Aggressionen. Nächsten Sonntag lasse ich ein Donnerwetter von der Kanzel… ein schlechtes-Gewissen-machen ist doch erste Pfarrerpflicht.
Aber – wie war das noch mit der Bergpredigt? „Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.“ (Mt 5,41) Und die andere Backe…
Trotzdem fand ich es ungerecht.
Und noch zehn Autos. Die saßen ja fast alle allein im Auto! In ihren dicken, fetten Karren!
Aber Moment mal! Das ist ja gar nicht mein privates Problem, wohin führt das denn? Soziale Kälte? Klimakatastrophe? Gleichen sich die beiden aus?
Wenn wir die Schöpfung erhalten wollen, müssen wir uns einschränken. Da helfen neue Automodelle wenig. Wenn immer vier Menschen im Auto säßen, hätte das viel mehr Erfolg. Das ist Handeln im eigenen Interesse: man spart, lernt vielleicht interessante Menschen kennen und bekommt Anregungen.
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben.“ (Mi 6,8)
Im eigenen Interesse!
Um das klar zu machen, brauche ich keine Wurzeln oder Steine, da kann ich auch Autos nehmen.
Und dann kam der Bus.

Martin Funda
Ev. Kirchengemeinde
Sprockhövel

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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