Bernd Loewe: Gut, dass Armut endlich Thema wird
„Lieber ein Licht anzünden, als über die Finsternis klagen“ Das ist so etwas wie der Leitgedanke von Bernd Loewe. Dieses Lebensmotto hat ihn dazu gebracht, in der Nachbarschaftshilfe engagiert und maßgeblich mitzuwirken, „Hattingen solidarisch e.V.“ zu initiieren und zuletzt auch gemeinsam mit dem „Café Sprungbrett“ am Steinhagen ein „Sozial-Frühstück“ für Bedürftige an jedem ersten und dritten Dienstag im Monat anzubieten.
„Für mich ist es politisch unvertretbar, dass Menschen in einem so reichen Staat wie Deutschland unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Dagegen wollte ich praktisch etwas tun“, erläutert Bernd Loewe die Beweggründe für sein breit gefächertes soziales Engagement.
Und er ist sehr froh, dass sich die Stadt Hattingen endlich ihrer Verantwortung gegenüber denjenigen stellt, die am Rande dieser unserer Gesellschaft leben, oft unverschuldet: „,Hattingen solidarisch‘ hat sich auf den Stadtteilkonferenzen Hattingen-Mitte und den Trägerkonferenzen seit Anfang 2010 ständig dafür ausgesprochen, Armut in Hattingen zu thematisieren. Das wirkte sich im Forum Demographie am 30. Juni 2010 aus, als Bürgermeisterin Dr. Dagmar Goch sagte: ,Wir müssen uns mehr um Armut in Hattingen kümmern.‘“
Das macht die Stadtverwaltung jetzt ganz konkret durch eine „Armutskonferenz“ am Freitag, 27. Januar, 14 bis 18 Uhr, im Rathaus.
Zahlen, die im „Demographiebericht der Stadtverwaltung (2009-2011)“ veröffentlicht wurden, machen die Wichtigkeit des Themas für Hattingen deutlich. So ist in unserer Stadt das durchschnittliche Einkommen deutlich geringer als in den meisten anderen Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises. Während das Durchschnittseinkommen im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt, befindet das Durchschnittseinkommen der Hattinger Haushalte deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Hattingen bildet hier das Schlusslicht im Kreisgebiet.
Eine wichtige Erkenntnis für die Stadtentwicklung ist dem Demographiebericht ebenfalls zu entnehmen, denn die Armut ist nicht gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt, sondern es sind durchaus räumliche Schwerpunkte zu erkennen, die auf eine deutliche sozialräumliche Ausgrenzung hinweisen.
Bernd Loewe: „Die Zahlen sind erschreckend. Jeder zwölfte Mensch im Ennepe-Ruhr-Kreis ist laut EN-Armutsbericht vom Mai 2010 arm, kann ohne staatliche Unterstützung nicht leben. Was noch mehr zu denken gibt: 15,4 Prozent aller Kinder werden in Armut geboren, jedes sechste Kind in Hattingen ist arm. Hattingen liegt an drittletzter Stelle im EN-Kreis, das einspricht einer Armutsquote von 9,6 Prozent. Das sind rund 5.300 Hattinger. Man kann davon ausgehen, dass sich die Quote aktuell erhöht hat. Die Dunkelziffer dürfte noch wesentlich höher liegen. Viele Menschen schämen sich, die Ämter oder Institutionen um Hilfe zu bitten oder auch zur Hattinger Tafel zu gehen. In Hattingen ist die Zahl der Grundsicherungsbezieher Jahr für Jahr gestiegen. Hierdurch wird deutlich, dass das Risiko auch der Altersarmut in Hattingen wächst.“
Von der Armutskonferenz, an welcher der Hattinger mit weiteren Aktiven von „Hattingen solidarisch“ selbstverständlich teilnehmen wird, erwartet er sich „gespannt“ Antworten auf Fragen wie: Wie stellt sich die Verwaltung ihrer Verantwortung? Was bedeute die Aussage der Bürgermeisterin? Wie geht man mit den Bedürftigen um, die vor verschlossen Türen des Sozialamtes stehen? Warum gibt es ein „Sozialticket“ für öffentliche Verkehrsmittel und nur für die Stufe A einen Zuschuss? Warum werden arme Menschen stigmatisiert? Insbesondere stellt sich für ihn die Frage, was seitens der Stadt überhaupt bei knappen Kassen geleistet werden kann.
Er hofft auf eine rege Beteiligung seiner Mitbürger an der Armutskonferenz. Als ein Ergebnis schlägt er vor, wie er das bereits mehrfach der Verwaltung gegenüber gemacht hat, alle Hattinger Hilfsangebote zu bündeln. Dabei denkt er erst in zweiter Linie an einen „Flyer“ für die Betroffenen selbst. „Anfangs würde eine Hilfestellung mit allen gesammelten Infos bereits für diejenigen reichen, die beruflich wie ehrenamtlich mit armen Menschen zu tun haben, also beispielsweise Anlaufstellen wie Sozialamt, Caritas oder die Kirchengemeinden, um nur einige zu nennen. Es gibt so viele Stellen, Einrichtungen, Verbände und Vereine, die bereits helfen. Nur müsste das einmal zusammengefasst werden, um darüber überhaupt einen Überblick zu erhalten.“
Für die Stadtverwaltung in Person von Sozialdezernentin Beate Schiffer geht es ebenfalls darum, durch die Armutskonferenz „das Thema Armut in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Angebote in Hattingen vorzunehmen sowie gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie wir vor Ort die Folgen von Armut lindern können“.
Der STADTSPIEGEL wird rechtzeitig auf die Veranstaltung hinweisen und das Programm ausführlich vorstellen. Wer schon jetzt sicher ist, sich einbringen zu wollen und zu können, kann sich zur Anmeldung für die Armutskonferenz wenden bei der Stadt Hattingen an Sylvia Rudka, Tel.: 204-5001, E-Mail: s.rudka@hattingen.de
Infos
Als „armutgefährdet“ gilt nach einer gängigen Definition, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt.
In der EU sind das 929 Euro netto für Alleinstehende.
In Deutschland fallen darunter rund 14,5 Prozent der Gesamtbevölkerung oder rund zwölf Millionen Deutsche.
„Gefühlt arm“ sind diejenigen, die wegen gesellschaftlicher Ausgrenzung als „arm“ betrachtet werden oder in ständiger Angst vor Armut leben..
„Absolut arm“ sind rund 1,2 Milliarden Menschen weltweit.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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