„Back To The Roots X“: Danach ist davor
Fakt ist, die Musikreihe an der Gesamtschule Hattingen „Back To The Roots“ wird es in diesem Jahr zum zehnten Mal geben. Fakt ist auch, dass dabei wieder einmal mehr geboten werden wird als Geträller, zu dem eine Schülerband sich an Instrumenten versucht.
Kein Fakt hingegen war zunächst der Termin. Inzwischen steht dieser aber: Am kommenden Sonntag, 25. März, geht „Back To The Roots“ am späten Nachmittag über die Bühne der Schulaula.
Zunächst gefiel dieser den beiden federführenden Musiklehrern Horst Krah und Thorsten Spittank nicht. „Aber irgendwas ist ja immer, jedes Wochenende ist irgendwo etwas los“, lacht Horst Krah, der von seinen Schülern zum 50. Geburtstag vor zwei Jahren ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Horst-Power“ geschenkt bekommen hatte. Das allein sagt schon etwas über das besondere Verhältnis zwischen Sängern, Musikern und Lehrern untereinander aus.
Vielleicht ist dies das Geheimnis, warum die Bands der Gesamtschule eben nicht klingen wie übliche Schülerbands, die Horst Krah „wenig professionell, laienhaft und nicht wertvoll“ nennt: „Wir hingegen sind immer zu 99 Prozent am Original.“
Es scheint zu stimmen, Horst Krahs Dogma, das da lautet: „Bei Musikern, da stimmt die Chemie einfach. Mit solchen Schülern, da kann man buchstäblich Berge versetzen. Wichtig ist nur, dass man nie den Lehrer raushängen lässt.“
Dieses besondere Verhältnis von Lehrer Krah und seinen Schülern begann 2003. Damals begann er mit dem „ganz anderen Musikunterricht“, wie er das nennt. „Ich habe die Schüler damals gefragt, was für eine Art von Unterricht sie denn wollen. Natürlich kann ich ihnen auf die herkömmliche Art Musikwissen mit Beispielen angereichert nahe bringen. Oder aber wir proben für eine Aufführung am Ende des Schuljahres. Dabei macht jeder, was er kann. Meiner Meinung nach bringt ihnen das mehr. Das sahen die Schüler auch so und haben sich dafür entscheiden“, blickt Horst Krah auf die Anfänge zurück.
So wurde die Veranstaltungsreihe „Back To The Roots“ (BTTR) geboren, für die im Unterricht und auch danach, an Wochenenden und überhaupt in jeder freien Minute geübt wird. Das Tollste: Die Schüler ziehen begeistert mit! Den Grund dafür sieht Horst Krah darin, „dass Musik das einzige Fach ist, bei dem die Schüler Beifall für ihre Leistungen bekommen“.
Aus BTTR sind in der Hattinger Szene (und vielfach darüber hinaus) so bekannte Musiker hervorgegangen wie Maxim Knaub, Kati Camara, Marlon Mawick, Nico Rodriguez-Pagan, Cherina Theisen und Julia Sura, um nur einige zu nennen.
Dennoch ist es in den heutigen Zeiten des Sparens und des Rotstifts allerorten – auch oder gerade in den Schulen – nicht einfach, eine solche Veranstaltung zu finanzieren. Das spürten Horst Krah und Thorsten Spittank, der 2004 zu BTTR stieß, vor allem jetzt im Jubiläumsjahr. Gerne wollten sie eine CD als bleibende Erinnerung herausbringen, hatten sogar schon dafür geprobt – bis der Hauptsponsor absprang und das Projekt gestorben war – bitter für die Lehrer mindestens genauso bitter aber für die Schüler.
Denn hinter den rund zweistündigen BTTR-Konzerten steckt ein enormer Arbeitsaufwand für alle Beteiligten.
Los geht es damit nach dem Konzert, denn das ist für die beiden engagierten Lehrkräfte schon wieder vor dem Konzert. Jeder beteiligte Schüler darf einen Song vorschlagen, den die Lehrer arrangieren. Die Stücke werden dann rund ein halbes Jahr intensiv geprobt, bis alles sitzt.
In der Karnevalszeit geht es in die Landesmusikakademie nach Heek – für den letzten Schliff und auf eigene Kosten (diesmal 110 Euro) der Beteiligten. Hierauf freuen sich alle Musiker immer schon sehr, obwohl oder besser weil dort ab neun Uhr morgens proben sprich Musik machen auf dem Stundenplan steht und sonst nichts. Hier sollen die Bands zu einer Einheit zusammengeschweißt werden, die gute von schlechten Gruppen unterscheidet.
Horst Krah selbstbewusst: „Wir sind schon so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal der Gesamtschule Hattingen. Gerade in der heutigen Zeit muss man sich als Schule präsentieren und attraktiv machen können. So etwas wie unsere Bands, das muss man an anderen Schulen in NRW erst einmal lange suchen. Das weiß auch unsere Schulleiterin Dr. Elke Neumann.
Daher bekommen wir dankenswerterweise auch Mittel für eine wirklich gute PA, also Lautsprecheranlage von der Bühne herunter, welche die Leistung der Schüler würdigt. Das äußert sich natürlich im guten Klangbild, aber zudem im Applaus – auch durch die anderen Lehrer.“
Thorsten Spittank: „Es gibt vier Bands bei uns und Instrumentalunterricht, für den ich zuständig bin. Ich bilde also sozusagen die Basis aus, gebe den Schülern das Rüstzeug mit. Wer dann in die Oberstufen-Band von Horst kommt, der muss schon etwas können. Wir beide sind froh, dass durch Stefan Hanke, einen neuen Kollegen, bald eine fünfte Band entstehen kann. Und ,Nachwuchs‘ bekommen wir ja durch die Schüler, die in der Oberstufe an unsere Schule wechseln, zum Glück in jedem Jahr.“
Sowohl Thorsten Spittank (Gitarrist und Background-Sänger bei „Rockomat“, mit der das Mitglied der Musiker-Initiative Hattingen beim letzten Altstadtfest am Bunker begeisterte) als auch Stefan Hanke kommen aus der Band-Szene. Daher stammen auch Gitarrist Thomas Nestler sowie Schlagzeuger und Studiobetreiber Michael Jesch (ebenfalls MIHA-Gründungsmitglied und „Rockomat“-Trommler) und Keyboarder Tim Umbreit. Sie alle sorgen für buchstäblich praxisnahen Unterricht an der Gesamtschule.
Drei Schlagzeuge, mehr als ein Dutzend Keyboards, weit über 30 Gitarren, Saxophone und Trompeten stehen ihnen allen als Lehrmittel zur Verfügung, außerdem haufenweise Verstärker, Monitore, Mikrofone und andere Technik. „Vergleichsweise zu anderen Schulen sind wir schon gut ausgestattet“, gibt Horst Krah zu, schränkt aber ein: „Teilweise haben die Sachen 20 Jahre auf dem Buckel und sind veraltet. Aber durch Auftritte, Engagement und Fantasie holen wir immer wieder selbst ein bisschen Geld für unbedingt notwendige Neuanschaffungen oder Ersatz rein.“
Wenn BTTR jetzt doch am Sonntag, 25. März, ab 17.30 Uhr über die Bühne der Gesamtschule gehen und am Ende trotz Umbesetzungen innerhalb der Bands und dem krankheitsbedingten Fehlen von immerhin zehn wichtigen Proben sicher wieder vom Publikum in der ausverkauften Aula umjubelt werden wird, wenn sich die scheidenden Sängerinnen Linda Sahmel, Lisa Krick und Kim Winschermann ein letztes Mal verbeugt haben werden, Philip Sonnek die Trommelstöcke aus der Hand gelegt und Sarah Henze das E-Piano ausgeschaltet haben wird, dann liegt immer noch viel Arbeit vor allen Beteiligten: Alles muss wieder abgebaut und die Aula selbst besenrein hinterlassen werden. Rund fünf Stunden schuften unterm Strich heißt das.
Und dann ist ja auch schon wieder nach dem Konzert vor dem Konzert...
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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