Aus für die Hattinger Tschernobyl-Hilfe

Die Familien-Idylle täuscht ein wenig: Elke Mörs und ihre Tochter Anke Zech gaben jetzt in der STADTSPIEGEL-Redaktion gemeinsam mit Justus (zehn Monate) schweren Herzens die Auflösung des Vereins „Hilfe für notleidende Kinder – Tschernobyl“ bekannt. Auch Spenden können nicht mehr entgegen genommen werden.   Foto: Römer
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  • Die Familien-Idylle täuscht ein wenig: Elke Mörs und ihre Tochter Anke Zech gaben jetzt in der STADTSPIEGEL-Redaktion gemeinsam mit Justus (zehn Monate) schweren Herzens die Auflösung des Vereins „Hilfe für notleidende Kinder – Tschernobyl“ bekannt. Auch Spenden können nicht mehr entgegen genommen werden. Foto: Römer
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Das Aus kommt kurz vor Weihnachten: Der Verein „Hilfe für notleidende Kinder e.V. – Tschernobyl“ kann seine humanitäre Arbeit für die Strahlenopfer rund um die weißrussische Stadt nach 20 Jahren Hattinger Hilfe nicht weiter fortführen. Er löst sich in diesen Tagen auf.

Das Ende kommt nicht ganz überraschend. Vereinsgründer und Motor der beispiellosen Spendenaktion in Hattingen, Dr. h.c. Hans-Werner Mörs, hatte bereits im vergangenen Jahr die Hilfstransporte nach Belarus einstellen müssen.
Das hatte er dem STADTSPIEGEL 2011 gesagt. Damals hoffte er noch, dass wenigstens der Verein Bestand haben würde um der armen Menschen willen, die auf Unterstützung angewiesen sind.
„Wir müssen den Verein jetzt doch auflösen und tun dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, so seine Tochter Anke Zech beim Besuch in der STADTSPIEGEL-Redaktion. „Wir sehen die Not in Weißrussland, hatten aber auch in Hattingen sehr viel Arbeit. Und im Laufe der Jahre sind uns immer mehr Mitglieder weggebrochen. Von früher an die 100 hat der Verein momentan nur noch 19. Und wir werden ja alle nicht jünger.“
Knackpunkt, ergänzt sie, sei der Wegfall des Reschop-Bunkers als Lager gewesen: „Wir wussten ja dann gar nicht mehr wohin mit den gespendeten Sachen.“ Sie bittet, auch keine weiteren Bargeld-Spenden auf das Vereinskonto zu überweisen.
Jetzt wird eine Jahreshauptversammlung stattfinden mit dem Ziel der Vereinsauf­lösung. Zu der wird Hans-Werner Mörs selbst erwartet.
Der inzwischen 74jährige hält sich nach wie vor rund neun Monate im Jahr trotz eigener gesundheitlicher Probleme in Belarus auf. Kontakt mit seinen Lieben in Hattingen hält er regelmäßig via Internet in Bild und Ton. So hat Hans-Werner Mörs auch seinen zehn Monate alten Enkel Justus wenigstens schon einmal sehen können.
Seine Frau Elke Mörs: „Zuletzt wurde in Belarus der Verwaltungsaufwand immer größer. Jedesmal hieß es, noch mehr Formulare und Anträge müssten ausgefüllt werden. Allein die Zoll- und Steuererklärung umfasste bis zu 100 Formulare. Die Frachtkosten stiegen ins Gigantische. Das konnte der Verein kaum noch aufbringen. Dennoch fühlt sich mein Mann den Menschen in Belarus sehr verbunden, liebt trotz der dortigen politischen Zustände buchstäblich Land und Leute. Außerdem ist unser Lager noch etwas gefüllt, so dass er immer noch etwas zu geben hat, wenn auch nur noch für kurze Zeit.“
Für seine Verdienste um die Region rund um den am 26. April 1986 explodierten Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl wurde der Hattinger sogar mit der Ehren-Doktorwürde ausgezeichnet. Zu seinem 70. Geburtstag zeigte das weißrussische Fernsehen ein ausführliches Porträts des einstigen Unternehmers und Hattinger SPD-Lokalpolitikers.
Nach wie vor wird er zu Feierlichkeiten an die Schulen und Kindergärten, die Krankenhäuser und Kinderheime, die der Verein mit Spenden bedacht hat, als Ehrengast eingeladen.
Anke Zech: „Vor allem für die Kinder wird es künftig hart werden, wenn keine Spenden mehr aus Hattingen kommen. Sie haben sich immer schon sehr auf die Weihnachtspäckchen der ,Aktion Schuhkarton‘ gefreut. Dabei kamen jedesmal um die 4.000 Stück zusammen.“
Im Laufe der 20 Vereinsjahre wurden von Hattingen aus 96 Großtransporte durchgeführt in einem Warenwert von rund 4,8 Mio. Euro. 8.160 Kubikmeter Fracht entsprachen dabei einem Gesamtgewicht von 1.634 Tonnen.
In einem Schreiben direkt aus Weißrussland bedankt sich Hans-Werner Mörs über den STADTSPIEGEL bei allen Hattingern: „All das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht unzählige Menschen hilfsbereit und spendenfreudig gewesen wären. Menschen, die ihre Freizeit opferten, um Sachspenden anzunehmen oder bei Bedarf samstags einen Lkw zu beladen. Allen diesen Menschen gilt der Dank auch der Menschen Weißrusslands. Die hiesige Regierung hat sich mehrmals persönlich und schriftlich bedankt. Einige Radio- und Fernsehberichte und viele Veröffentlichungen in Zeitungen machten unseren Verein landesweit bekannt.“

Die Familien-Idylle täuscht ein wenig: Elke Mörs und ihre Tochter Anke Zech gaben jetzt in der STADTSPIEGEL-Redaktion gemeinsam mit Justus (zehn Monate) schweren Herzens die Auflösung des Vereins „Hilfe für notleidende Kinder – Tschernobyl“ bekannt. Auch Spenden können nicht mehr entgegen genommen werden.   Foto: Römer
Vereinsgründer Dr. h.c. Hans-Werner Mörs muss aufgeben.
Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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