Auf wehrloses Opfer getreten: Letzte Chance für 20jährigen
Für den Zwanzigjährigen aus Sprockhövel ist es die letzte Chance: Das Jugendschöffengericht am Hattinger Amtsgericht will erst in einem Jahr entscheiden, ob er eine Jugendstrafe bekommt. Bis dahin gilt eine Bewährung für den Angeklagten, die allerdings mit harten Auflagen verbunden ist.
Der Angeklagte, der zur Zeit im zweiten Ausbildungsjahr steckt, hatte im September letzten Jahres zusammen mit Kumpels nach einem Kneipenbesuch in Sprockhövel mitten in der Nacht auf der Straßen einen jungen Mann zusammengeschlagen und getreten.
Diesen hatte er mit seinen Kumpels in der Kneipe kennengelernt und als der Wirt schließen wollte, verließen die jungen Männer den Betrieb. Auf der Straße schlugen plötzlich drei Männer, darunter der Angeklagte, auf ihr Opfer ein, bis es zu Boden ging.
Dann traten sie auf den wehrlosen jungen Mann ein und verursachten durch die Tritte auf Kopf und Schulter entsprechende Verletzungen, die zum Glück für den Angeklagten nicht lebensbedrohend waren.
Der Angeklagte ist kein Freund vieler Worte, gibt die Tat aber zu. Er sei alkoholisiert gewesen und wisse heute nicht mehr, warum er so reagiert habe. Zu seinem damaligen Kumpel habe er kaum noch Kontakt. Er konzentriere sich auf seine Ausbildung und seine Freundin.
Nach Mitteilungen des Jugendamtes der Stadt Sprockhövel lebt der Angeklagte mit seinem Vater und einem Geschwisterkind zusammen. Seine Eltern haben sich getrennt. Er selbst schaffte in der Schule zweimal eine Klasse nicht und ging danach zur Gemeinschaftshauptschule nach Niedersprockhövel, die er allerdings mit einem Schulabschluss verließ.
Heute bekommt er eine Ausbildungsvergütung, muss davon zuhause nichts abgeben und sagt von sich selbst, er komme klar.
Im Bundeszentralregisterauszug ist er bereits zweimal vertreten. Einmal wegen leichter Körperverletzung durch eine Prügelei auf dem Schulhof und zweitens wegen des unerlaubten Waffenbesitzes – da trug er ein Messer. In beiden Fällen gab es die Ableistung von Sozialstunden, die er auch erbracht hat.
Die Vertreterin des städtischen Jugendamtes sowie die Verteidigerin in dieser Sache sehen bei dem jungen Mann keine schädlichen Neigungen. Diese sind Voraussetzung für die Verhängung einer Jugendstrafe. Oder es muss die besondere Schwere der Schuld nachgewiesen werden.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sieht dies völlig anders: Für ihn zeigen die beiden ersten Taten in Zusammenhang mit der neuen Anklage sehr wohl schädliche Neigungen. Deshalb plädiert er für eine Jugendstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Außerdem soll der junge Mann einen Monat Dauerarrest bekommen und eine Geldauflage von 330 Euro, die als Wiedergutmachung an das Opfer zu zahlen ist. Das hatte nämlich gesundheitliche Kosten in Form von Brillen- und Zahnersatz.
Das Jugendschöffengericht beriet lange und schließlich verkündete der Vorsitzende Richter Frank Waab das Urteil: Der Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung schuldig, doch über die Jugendstrafe wird erst nach einem Jahr entschieden.
Das Urteil ist ungewöhnlich und der Richter erklärt es: „Wir waren uns nicht sicher, ob schädliche Neigungen vorliegen oder nicht. Auf der einen Seite wurde zwei Taten begangen, auf der anderen Seite liegen diese Taten schon länger zurück. Wir sehen auch die positiven Elemente der Ausbildung und den Halt, der dadurch entsteht. Deshalb fällt die Entscheidung über die Jugendstrafe, die dann übrigens vier Monate betragen würde, erst in einem Jahr. Dies ist eine Bewährung von einem Jahr, in dem der Angeklagte zeigen kann, ob er es ernst meint. Eine solche Bewährung ist aber mit Auflagen verbunden. Das ist zum einen der Bewährungshelfer, zum anderen die Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining und zum dritten die Zahlung von 900 Euro in Raten zu 75 Euro an das Opfer. Nach einem Jahr ist die Zahlung abgeschlossen und wenn alle Auflagen erfüllt sind, ist der Fall erledigt.“
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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