Günter Ecker im Interview: „Ein übles, den Magen befallendes Drecksgefühl“
Traurig für Hattingen, traurig für den Hattinger Fußball und erst recht traurig für den Traditionsverein TuS Hattingen ist der Abstieg in die Kreisliga A. Seit dem Jahr 2000 gehörte der Club, der gerade erst sein 150jähriges Bestehen und seinen neuen Kunstrasenplatz feiern konnte, der Bezirksliga Westfalen an.
Der STADTSPIEGEL sprach jetzt mit dem Abteilungsleiter Fußball des TuS Hattingen, Günter Ecker, über den Zustand des Vereins in dieser bitteren Stunde.
STADTSPIEGEL: Herr Ecker, was waren Ihre Empfindungen, als am vergangenen Sonntag der Abstieg des TuS Hattingen besiegelt war?
Günter Ecker: Es ist ein übles, den Magen befallendes Drecksgefühl. Da hat man ein Jahr alles gegeben, versucht und getan und es reicht nicht. Jeden Wassereimer hätte ich umtreten können. „Nichts ist scheißiger als absteigen“, um mit einem alten Fußballphilosophen zu sprechen. Trauer mit den Jungs und zwischendurch Ärger über unnötig vergeigte Spiele. Anschließend kam aber auch der optimistische Blick nach vorne. Das Potenzial der Mannschaft lässt hoffen.
Wie geht es jetzt weiter mit dem TuS Hattingen? Zerfällt der Mannschaftskader?
Nach derzeitigem Stand bleibt die Mannschaft weitgehend zusammen. Man muss natürlich wie jedes Jahr den 30. Juni abwarten. Wenn ein Verein mit lukrativen Angeboten kommt, kann schon mal einer verloren gehen. Hoffentlich werden all die tollen Zusagen auch erfüllt und nicht nur bis Weihnachten. Wichtig für uns ist, dass gerade „die Alten“ bleiben und deren Zusagen liegen definitiv vor.
Sehen Sie Fehler, die in der Saison gemacht wurden und zum Abstieg führten, die Sie keinesfalls wiederholt wissen möchten?
Wenn man abgestiegen ist, hat man immer Fehler gemacht. Wenn wir nur wüssten, welche und wann.
Natürlich hätten wir Anfang der Saison unsere Mannschaft gerne weiter verstärkt. Wir hatten schon unsere Bedenken, ob es reichen wird, zumal schon am ersten Spieltag eine bemerkenswerte Verletzungsserie begann.
Vielleicht hätte auch ein früherer Trainerwechsel etwas bewirkt. Aber: Woher hätten wir den Topmann holen sollen? Wo steht der Baum, von dem man solche Leute schütteln kann? Leider wussten das unsere klugen Ratgeber auch nicht. Wer weiß denn, ob ein Trainerwechsel irgendetwas Positives bewegt? Die Bundesliga liefert doch die besten Reinfälle Jahr für Jahr.
Auf welcher Position muss Ihrer Meinung nach unbedingt Verstärkung her?
Gesucht werden schon seit langem ein bis drei Führungsspieler. Die sind aber rar. Ansonsten sind wir grundsätzlich gut besetzt – vorausgesetzt es bleiben alle.
Wie ist eigentlich das Verhältnis zu Marius Kundrotas? War es nicht etwas „eigenartig“, dass er, der als Trainer und auch als Spieler der Mannschaft im Abstiegskampf wichtige Dienste hätte leisten können, noch vor dem Saisonende das Handtuch geworfen hat? Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?
Von außen mag das so ausgesehen haben. Marius Kundrotas hätte gespielt. Er plagte sich aber schon länger mit einer Knieverletzung.
Wir sind ihm ausgesprochen dankbar für die vergangenen sechs Jahre. Er hat einiges bewegt, Spieler verbessert, die Mannschaft immer wieder motiviert. Ohne ihn wären wir schon länger diesen Weg gegangen.
Man muss realistisch sehen, dass wir jedes Jahr den einen oder anderen Spitzenspieler verloren haben.
Sein Rücktritt – nur von ihm selbst ausgegangen – sollte bewirken, dass die Mannschaft sich auf sich selbst besinnt. Es sollte noch einmal ein Schub erzeugt werden, was ja auch teilweise so gekommen ist. Wir haben keinerlei Probleme mit seinem Vorgehen gehabt.
Zusammengefasst: Marius Kundrotas hat sechs Jahre lang einen Superjob gemacht. Wie sich allerdings am Ende herausgestellt hat, kann er doch nicht zaubern.
Seit wann steht mit Christian Czaika ein Nachfolger von Marius Kundrotas fest? Wo kommt er her?
Christian Czaika kommt von Niederbonsfeld und hat den A-Trainerschein. Allein das zeigt unsere und seine Ambitionen.
Sicher ist der direkte Wiederaufstieg angepeilt. Wie wollen Sie den schaffen? Gibt es bereits Namen von Spielern, die künftig die TuS-Erste verstärken werden?
Natürlich wollen wir direkt wieder aufsteigen! Ob das gelingt, mal abwarten. Neue Spieler, die uns direkt weiterhelfen würden, sind selten und daher teuer und insofern für uns nicht finanzierbar.
Daher setzen wir auf andere Werte: Kameradschaft, Zusammenhalt, jede mögliche Unterstützung bei Studium, Beruf. Wir spielen auf einer tollen Anlage, das ist entgegen der allgemeinen Meinung allerdings nicht unbedingt ein Argument für einen wechselwilligen Spieler.
Apropos Anlage: Wird es Probleme mit Ihrem Sponsor Relaxgas geben, weil der TuS Hattingen nun nicht mehr in der Bezirksliga mitmischt?
Relaxgas hat uns bisher uneingeschränkt unterstützt und wird dies wie bisher auch künftig tun. Das gilt auch für die anderen Sponsoren. Wir waren verlässliche Partner und das sind unsere Sponsoren auch.
Wie sehen Sie den TuS Hattingen perspektivisch? Als „Fahrstuhlmannschaft“: Zu schwach für die Bezirksliga (möglicherweise aus finanziellen Gründen), aber zu stark für die Kreisliga A?
In diesem Jahr waren wir zu schwach für die Bezirksliga. Ob wir für die A-Klasse und den Aufstieg stark genug sind, wird sich erweisen.
Ein Riesenproblem bleibt, dass wir aus unserer eigenen Jugend keine Nachrücker haben. Das war früher unser Pfund. Seit drei Jahren warten wir, bislang leider vergeblich. Hier müssen wir in jedem Fall Änderungen herbeiführen. Damit steht und fällt jegliche Perspektive.
Ich habe anfangs die finanzielle Situation unterschätzt. In der Bezirksliga gibt es Vereine, die in einem Umfang investieren können, den ich nicht für möglich gehalten habe. Da kann man einfach nicht mithalten. Deswegen spielen die vorne mit und wir hinten und am Ende steigt man ab. Ich will gar nicht die kuriosen Ergebnisse ansprechen, über deren Zustandekommen verschiedene Theorien gehandelt werden. Vielleicht nur soviel: Es scheint zu kosten.
Wenn man sich dieses „super“ Erfolgsjahr der Hattinger Traditionsvereine – mehr Abstieg geht kaum noch – insgesamt ansieht, kann einem schon ein wenig Angst werden.
Es ist an der Zeit, offen zu analysieren, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Man muss in dieser Stadt beginnen, sich Fragen zu stellen:
Stimmen die Strukturen überhaupt noch? Wie viele Vereine verträgt Hattingen? Wo soll der Hattinger Fußball in fünf Jahren stehen? Wie viele Ehrenamtler haben wir überhaupt noch?
Info:
Der Turn- und Sportverein Hattingen wurde im Oktober 1863 von 36 begeisterten Turnern im Lokal „Jägerhof“ an der Bahnhofstraße gegründet.
Der TuS Hattingen verfügt heute über die sechs Abteilungen Fußball, Handball, Leichtathletik, Turnen, Volleyball und Badminton.
Im Jubiläumsjahr 2013 hatte der TuS 1.433 Mitglieder, darunter 688 Kinder und Jugendliche.
Vereinspräsident ist Klaus Kampmann seit dem Jahr 1999.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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