Von einem Schiff, dem Kapitän und der Mannschaft
Seit über 25 Jahren arbeitet Jörg Winterscheid als Erzieher und Heilpädagoge mit Eltern, Kindern und pädagogischen Einrichtungen zusammen. Sein tägliches familiäres und berufliches Handeln steht unter dem Motto: Wir können den Wind nicht ändern, jedoch versuchen, die Segel richtig zu setzen! Hierbei steht der „Wind“ als Synonym für die kindliche Entwicklung. Jörg Winterscheid behauptet: Wir können die naturgegebene kindliche (menschliche) Entwicklung nicht ändern, jedoch versuchen, als Eltern, unsere Segel richtig zu setzen! Zu diesem Thema hat er jetzt ein Buch geschrieben.
„Der Elterntrainer will Eltern und Pädagogen helfen, ihren zukünftigen Kurs besser bestimmen zu können! In meinem täglichen Kontakt mit Kindern, Jugendlichen, Eltern, Schulen und Kindergärten erfahre ich oft Rat- und Hilflosigkeit. Ich erlebe, verunsicherte Erwachsene, die zwischen der pädagogischen Autorität der 1950er Jahre und den antiautoritären Ansätzen der 1970/80er Jahre pendeln. So wie früher wollen sie nicht erziehen, so wie sie es sich heute vorstellen, scheint es auch nicht wirklich zu klappen“, erzählt Jörg Winterscheid.
Mit dem „Elterntrainer“ will er versuchen, hier höchst praktische Hilfe zu leisten. „Der Elterntrainer soll helfen, das Bisherige zu hinterfragen, das Gegenwärtige zu erkennen sowie das Zukünftige bewusster und handlungssicherer zu gestalten. Er ist somit ein weiteres Angebot für Eltern und nicht „das“ Angebot mit der Weisheit letzter Schluss“, so Winterscheid.
Seinen Ausgangspunkt hat das Buch in den Erfahrungen mit den Kursen und Seminaren, die Jörg Winterscheid in vielen Jahren veranstaltet hat. Entwickelt hat er daraus ein Schiffsmodell. Nur einer der Erziehungsberechtigten kann der Kapitän sein, ein möglicher zweiter Erziehungsberechtigter ist der 1. Offizier. Das Kind oder die Kinder bilden die Mannschaft und die Ebenen sind strikt vonaneinander getrennt. Neun Jahre arbeitete Winterscheid an dem Buch und präzisierte sein Modell. „Wir wollen alle Harmonie und Wärme. Was passiert aber, wenn wir die Hände aneinander reiben? Es entsteht Reibung, die wiederum Wärme erzeugt. Das Bild ist übertragbar. Aus Reibung und Konflikten kann Liebe und Wärme entstehen. Eltern und Kinder stehen in meinem Modell auf unterschiedlichen Ebenen. Dabei kann sowohl das Durchsetzen als auch das Verhandeln einen Konflikt lösen.“
Winterscheid bringt ein Beispiel. „Ein Kind will ein Eis essen, die Mutter will, dass es Kartoffeln isst. Was geschieht? Viele Eltern sagen, sie sprechen dann mit dem Kind, aber es soll am Ende trotzdem die Kartoffeln essen. Sie reagieren erstaunt, wenn ich ihnen sage, dass ich an Stelle des Kindes die Kartoffeln nicht essen würde. Hier bewege ich mich auf der Verhandlungsebene in Augenhöhe. Das bedeutet immer einen Kompromiss, mit dem beide Seiten leben müssen. Denn jeder will ja seine Ziele durchsetzen. In diesem Fall vielleicht weniger Kartoffeln und ein kleines Eis.“
Erziehung, so Winterscheid, ist eine Beziehung. Aus Durchsetzen, Verhandeln und Eigenverantwortung besteht diese Beziehung. Alle drei Säulen müssen funktionieren, sonst bricht das System zusammen.
Für Winterscheid wichtig: Der mannschaft (Kindern) ein guter Kapitän sein, ihre Bedürfnisse erkennen und die Balance zwischen Durchsetzen und Verhalten finden. Und „Ich muss mich selbst verstehen, erst dann kann ich auch mein Kind verstehen.“
Und falls es doch mal richtig schwierig wird? „Dann holt euch einen Lotsen an Bord. Das geschieht auf einem (Familien-)Schiff oft genug.“
Jörg Winterscheid, Autor und Heilpädagoge, beantwortet in seinem Buch gängige Elternfragen und gibt Anregungen zum Leben im alltäglichen Wahnsinn der Kindererziehung. Ein Vortrag inklusive Buchvorstellung findet statt am Montag, 10. Dezember, 16 bis 18 Uhr, in der Villa Kunterbunt, Zum Ludwigstal 25. Für Kinderbetreuung ist gesorgt. Der Eintritt kostet fünf Euro. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine Reservierung unter 682097 notwendig.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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