Telefonseelsorge: Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht
Telefonseelsorge – was ist das denn? Das ist eine Einrichtung, deren Mitarbeiter zuhören. An sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr. Anonym. Auch an Feiertagen und am ersten Ferientag. Wir haben mit einer Hattingerin gesprochen, die seit 2004 in der Telefonseelsorge Bochum arbeitet.
Christine heißt nicht so. Ihren richtigen Namen kann sie nicht sagen. Sie arbeitet als ehrenamtliche Telefonseelsorgemitarbeiterin in Bochum. Wo genau das Telefonzimmer ist, sagt sie auch nicht. Anonymität wird in der Telefonseelsorge ganz groß geschrieben – für die Anrufer, aber auch für die Mitarbeiter. Telefonanrufe sind nicht verfolgbar. Die Telekom ist Kooperationspartner und die Rufnummer des Anrufenden wird nicht angezeigt. „Die Anonymität ist Voraussetzung für ein niederschwelliges Angebot“, sagt Christine.
Die Telefonseelsorge Bochum ist eine ökumenische Einrichtung der evangelischen und katholischen Kirche in Bochum. Die juristische Trägerschaft liegt beim Caritasverband für Bochum und Wattenscheid e.V. Sie ist zuständig für den Bereich Bochum, Wattenscheid, Witten, Herne, Hattingen und Wanne-Eickel. In diesen Städten wird jeder Anruf mit der Rufnummer 0800/1110111 oder 0800/1110222 mit der Telefonseelsorge in Bochum verbunden. Etwa 67 ehrenamtliche Mitarbeiter, in der Regel Frauen, arbeiten in verschiedenen Schichten von einigen Stunden rund um die Uhr jeden Tag im Jahr. Die Telefonseelsorge bildet zur Zeit 12 Mitarbeiter aus. „Die Ausbildung dauert ein Jahr. Man lernt viel über helfende Gesprächsführung, psychische Krankheiten, Theorie der Kommunikation und nimmt auch für sich persönlich viel mit in den Alltag“, berichtet die Hattinger Mitarbeiterin. Sie selbst ist seit 2004 dabei. „Mich hat der helfende Charakter angesprochen, aber auch die permanente Balance zwischen dem Ehrenamt und dem Interesse am Menschen.“
Wenn sie einen Anruf entgegennimmt, weiß sie vom Anrufenden nichts. Nur, ob die Stimme männlich oder weiblich ist, kann man hören und ob es sich um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. „Die meisten Anrufer sprechen nicht flüssig. Sie haben oft Schwierigkeiten, ihre Probleme gezielt auszusprechen. Die Themen liegen meistens auf der Beziehungsebene zwischen Partnern oder Eltern und Kindern. Auch Trauerverarbeitung ist ein wichtiger Bereich. Manchmal ist es auch eine Art Langeweile, die sich aus der Einsamkeit speist. Wenn man den Menschen zuhört, hat man ihnen schon dadurch geholfen. Natürlich ist das nicht immer der Fall, aber ein halbstündiges Telefongespräch kann nicht das eigentliche Problem lösen. Es kann aber Mut machen für die nächsten Schritte, die der Mensch am anderen Ende der Leitung machen muss.“
Im letzten Jahr gab es in der Telefonseelsorge in Bochum 14.000 Anrufe. Auch im Chat ist die Seelsorge vertreten. Und es gibt eine Beratung für Selbstmordgefährdung, die 64 Klienten hatte.
„Es gibt auch Kinder und Jugendliche, die uns als Test anrufen. Sie behaupten beispielsweise, sie seien schwanger, was nicht stimmt. Ich habe damit kein Problem. Sie wollen einfach mit einem Erwachsenen austesten, was geschieht, wenn sie so etwas sagen.“ Die meisten Anrufer sind aber zwischen 30 und 60 Jahre alt. Und manche rufen durchaus öfter an. „Aber sie werden nicht immer mit derselben Mitarbeiterin sprechen.“
Der nicht-persönliche Kontakt ist für die Hattingerin Fluch und Segen zugleich. „Es erfordert eine hohe Konzentration, nur auf die Stimme und das gesprochene Wort zu hören. Aber bei manchen Gesprächen möchte man auch gern anders trösten, zum Beispiel durch Berührungen oder mit einem Lächeln. Darauf muss man verzichten.“
Mitarbeiter werden übrigens gesucht. „Manche hören bei der Telefonseelsorge wieder auf, weil ihre eigenen Belastungen zugenommen haben und sie nicht auch noch die Belastungen anderer Menschen hören möchten. Wir sind alle ersetzbar und stehen aufgrund der Anonymität mit unserer Arbeit nicht als Person im Mittelpunkt. Auf der anderen Seite werden wir gerade von den hauptamtlichen Mitarbeitern mit großer Wertschätzung behandelt. Es gibt eine regelmäßige Weiterbildung. Eine neue Ausbildung beginnt im Mai nächsten Jahres.“
Für Christine ist diese Arbeit genau das Richtige. Sie hat ihr Engagement nicht bereut und will in jedem Fall weitermachen. Sie will da sein für Menschen, denen das Wasser bis zum Hals steht und sie bringt eine wichtige Voraussetzung mit. Sie hat Zeit...
Informationen: Telefonseelsorge: Neue Mitarbeiter werden gesucht. Die einjährige Ausbildung beginnt im Mai 2013. Wer mit der Telefonseelsorge Kontakt aufnehmen möchte zu Fragen der Arbeit, kann dies unter Telefon 0234/58511, Mo bis Fr 9 bis 12 Uhr oder unter EMail bochum@telefonseelsorge.de tun.
Spenden:Caritasverband, Sparkasse Bochum, BLZ 43050001, Konto 1219179, Verwendungszweck: Telefonseelsorge
Beratung: Wer Hilfe sucht: Telefon 0800/1110111 oder Telefon 0800/1110222
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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