Serie "Alt werden, jung sein": Senioren-Selbstverteidigung
Senioren wollen aktiv sein. In unserer Serie „Alt werden, jung sein“ haben wir viele Beispiele vorgestellt: Auch mit Rollator ist man noch aktiv in der Stadt unterwegs. Mit Hilfen oder neuen Wohnformen kann man auch im Alter noch in den eigenen vier Wänden leben. Wenn man dann im Falle eines Angriffes noch weiß, wie man sich effektiv im Alter wehren kann, dann ist das noch besser. Jürgen Siepermann vom Seniorenbüro der Stadt Hattingen und Kampfkunst-Lehrer Martin Schmalenberg bringen das den Senioren in einem Kurs bei.
Der Kurs ist offen für interessierte Senioren ab sechzig Jahre und findet in der Regel einmal im Monat am letzten Samstag ab 11 Uhr im Gemeindezentrun Oberstüter, Am Brunnen 27, statt. Manchmal haben die Teilnehmer negative Erfahrungen gemacht, manchmal wollen sie sich einfach nur sicherer fühlen, um im Ernstfall angemessen reagieren zu können.
„Das Entscheidende ist nicht das um sich herum Schlagen mit dem Stock oder mit dem Regenschirm, sondern das Blockieren, das Abwehren des Gegners“, erklärt Jürgen Siepermann. Deshalb kann auch der klassische Krückstock genauso eingesetzt werden wie ein Regenschirm. Wenn man denn weiß, wie das geht. Sogenannte Cane-Stöcke aus den USA beispielsweise sind sehr praktisch. Sie bestehen aus stabilem Holz, haben eine spezielle Krümmung und wurden von Kriegsveteranen mitentwickelt. Die gibt es auch in Deutschland. „Ein Stock fällt einfach nicht auf. Eigentlich ist er ja ein Hilfsmittel, aber im Falle eines Angriffs eben auch eine Verteidigung.“
Das kann ein Angreifer bei sich tragen
Jürgen Siepermann präsentiert auch Gegenstände, die ein Angreifer bei sich tragen könnte. Dazu gehört ein Kubotan. Das ist ein etwa Kugelschreiber ähnliches Stück aus verschiedenen Materialien, konzipiert wie ein Schlüsselanhänger, der, richtig in die Hand gelegt, als Schlag- und Druckverstärker durchaus ein effektiver Schutz, aber eben auch eine gefährliche Waffe sein kann. Siepermann, der viele Jahrzehnte verschiedene Kampfsportarten gelernt hat, erklärt: „Ein Angriff hat immer mehrere Komponenten. Zunächst sucht man sich optisch einen Menschen als Opfer aus, dann wird er oft erst einmal verbal attackiert und schließlich angegriffen. Auf den Vorstufen hat man manchmal die Chance, durch eine angemessene Reaktion bereits dem Angriff zu entgehen.“
Deshalb lernen die Teilnehmer in Rollenspielen auch, sich nicht optisch in eine Opferhaltung zu begeben. Gerader Gang, straffer Rücken, fester Blick, da kann man schon einiges machen. Manchmal kann man das auch durch ein passendes Kleidungsstück unterstützen. Wird man angesprochen, ist die Situation entscheidend. Bei offenen Pöbeleien in der Stadt ist es ratsam, einfach weiterzugehen. Bei direkter Ansprache, zum Beispiel in der Straßenbahn, sollte man entwaffnend reagieren: Du siehst aber heute scheiße aus – Ja, stimmt, so fühle ich mich auch. „Meistens haben Männer da extreme Probleme, weil sie sich schneller provozieren lassen“, weiß Martin Schmalenberg zu berichten. Kommt es dann doch zum körperlichen Angriff, können Stock, Regenschirm und manche andere Dinge durchaus zur Waffe werden. „Es gibt sogar spezielle Taschenlampen für Verteidigungszwecke.“
Wichtig ist Jürgen Siepermann vor allem, dass die Teilnehmer besonnen reagieren. „Man fühlt sich einfach sicherer, wenn man weiß, dass man eine Möglichkeit zur Verteidigung hat, wenn man es mal wirklich brauchen könnte. Das gilt übrigens auch für Menschen mit einem Handicap. Außerdem geben wir auch Tipps, die im Alltag einfach in kleinen Verhaltensänderungen umzusetzen sind.“
Das können auch die Teilnehmer Helga Kuckartz-Krappa und Dietmar Oberdellmann bestätigen. „Ich parke zum Beispiel jetzt immer rückwärts ein“, erzählt Dietmar Oberdellmann. „Damit habe ich sofort eine Fluchtmöglichkeit und muss nicht erst langwierige Wendemanöver machen.“ Und Helga Kuckartz-Krappa erzählt: „Ja, und ich nehme meinen Haustürschlüssel immer schon im Auto in die Hand und suche nicht mehr in der Tasche vor der verschlossenen Haustür stehend.“ Beide achten auch beim Geldautomaten auf den Standort, schauen sich um, bevor sie Geld abheben. Vor allem fremde Personen haben sie im Blick. Sie fühlen sich sicherer und sind davon überzeugt, im Ernstfall auch handeln zu können. Was sie bei dem Kubotan interessant finden: er berücksichtigt im Einsatz die Akupunktur-Punkte am menschlichen Körper. Das wird auch in der Praxis gezeigt. Und das kann dem Angriff schnell ein Ende setzen.
Und noch etwas ist Jürgen Siepermann wichtig: „Ein Räuber in unserer Zeit sieht nicht aus wie Hotzenplotz. Ganz im Gegenteil. Er sieht oft aus wie ein seriöser Mensch aus dem Berufsleben. Das sollte man auch immer berücksichtigen.“
Wer dabei sein möchte:
Kontakt über Jürgen Siepermann, Seniorenbüro und Pflegeberatung der Stadt Hattingen, Hüttenstraße 43, 45525 Hattingen, Telefon 02324/2045511; E-Mail j.siepermann@hattingen.de; Nächster Termin ist Samstag, 28. Mai, 11 Uhr. Die Kosten betragen pro Person sechs Euro.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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