Rezension zu "Becoming Steve Jobs": So aufschlussreich wie erschöpfend
Die Biographie "Becoming Steve Jobs" von Brent Schlender und Rick Tetzeli hatte meine Neugier geweckt: Hat Steve Jobs aus Bill Gates Fehlern gelernt, oder hatte er die besten Ideen schon vorher? Warum hat sich Apple so lange schwer getan gegen die übermächtige Konkurrenz? Und hat sich das andere Denken auch im Betriebsklima niedergeschlagen? Das waren einige der Fragen, deren Beantwortung ich mir von diesem Buch erhofft habe. Um es gleich zu sagen: Sie wurden alle beantwortet, und natürlich habe ich auch noch eine Menge mehr erfahren.
Persönlicher und biographischer Zugang
An welchen Stellen Rick Tetzeli in diesem Werk federführend war, lässt sich zumindest in der Hörbuchfassung nicht erkennen. Ich beziehe mich deshalb im Folgenden überwiegend auf Brent Schlender. Schlender gilt laut CD-Booklet "als intimer Kenner der Silicon-Valley-Szene und als Experte für Apple und den Firmengründer. Für Wall Street Jounal und Fortune begleitete er Steve Jobs über zwanzig Jahre lang und führte zahlreiche Gespräche mit ihm und seinen engsten Vertrauten."
Schlender erzählt in der Ich-Perspektive und beginnt logischerweise bei seiner ersten Begegnung mit Steve Jobs, zu einem Zeitpunkt, als der sich gerade von Apple getrennt und sein zweites Unternehmen, "NeXT Computer", gegründet hatte. Nach dieser Einführung folgt zunächst ein weiter Sprung in die Vergangenheit.
Inhalt und Erzählstil
Angefangen von Steves Adoption über sein abgebrochenes Studium bis hin zu den ersten Anfängen von Apple in der legendären Garage erfährt man, wie es zur Gründung des Unternehmens kam und wie abenteuerlich es dabei (aus finzanzieller und manchmal auch technischer Sicht) zuging. Für Menschen wie mich, die selbst noch raumfüllende Computeranlagen, Lochkartenstanzer und Ausdrucke auf Endlospapier kennengelernt haben, ist dieser Abschnitt recht kurzweilig. Überhaupt kommt, wer sich für technische Einzelheiten und Entwicklungen interessiert, bei diesem Buch auf seine Kosten.
Je weiter man aber der Erzählung folgt, desto ermüdender wird sie. Schlender beschreibt mit Detailversessenheit und bisweilen weit ausholend, warum Jobs bereits wenige Jahre nach der Gründung von Apple von seinem eigenen Unternehmen "gefeuert" wurde, weshalb er mit NeXT nie richtig auf einen grünen Zweig kam und wie er schließlich zu Apple zurückkehrte. Dabei zählt er - womöglich mit Anspruch auf Vollständigkeit - alle beteiligten Personen und ihre jeweiligen Rollen und Motive auf. Außerdem bemüht er sich, die widersprüchlichen Charakterzüge von Steve Jobs ausführlich darzustellen, zu erklären und bisweilen wohl auch zu rechtfertigen.
In diesem Stil geht es über lange Strecken weiter, bis die Krebserkrankung von Jobs zum Thema wird. Er ist zu diesem Zeitpunkt erst knapp 50 Jahre alt und führt eines der größten Unternehmem der Welt. Dieser massive Einschnitt wird auch in der Erzählweise spürbar. Sie wird persönlicher, zeigt zunehmend den Menschen hinter dem oft problematischen Manager und ist nicht mehr so überladen von (typisch amerikanischen?) Superlativen wie im ersten Teil. Wenn man bis hierher durchgehalten (oder den einen oder anderen Abschnitt ausgelassen) hat, kann man den letzten sechs Kapiteln jedenfalls ohne große Mühe folgen.
Von der ersten Krebsoperation bis zum Tod von Steve Jobs vergingen noch elf Jahre, und in diesen Jahren entstanden viele der Produkte, für die Apple heute so bekannt ist. Jobs Charakter scheint sich in dieser Zeit gefestigt zu haben, aber einfach war der Umgang mit ihm wohl trotzdem nur für die wenigsten. Im Kapitel "Blinde Flecken" setzt sich das Buch denn auch relativ kritisch mit Jobs persönlichen Schwächen und einigen problematischen Geschäftspraktiken von Apple auseinander, bevor im letzten Kapitel die Bemühungen des Apple-Gründers beschrieben werden, sein Unternehmen für die Zukunft nach seinem Tod zu rüsten.
Resümee
"Becoming Steve Jobs" ist ein Buch, das der schwierigen Aufgabe gerecht werden will, die schillernde Persönlichkeit eines der erfolgreichsten Managers der Welt zu beschreiben und seinen von etlichen Brüchen gezeichneten Lebensweg nachzuvollziehen. Viele Fragen werden dabei erörtert und viele Antworten geliefert. Es widersteht der Versuchung, sich oberflächlich an den bekannten Klischees zu orientieren, und zeichnet weder das Bild eines Helden noch das eines Fieslings. Vielmehr zeigt es einen Menschen, der seine ungewöhnliche Kreativität gegen vielerlei Widerstände in die Tat umsetzte und dafür auch große Schwierigkeiten in Kauf nahm und überwand.
Dass dies nicht ohne im doppelten Wortsinne erschöpfende Erörterungen und eine Fülle von oft nebensächlich erscheinenden Details gelingt, macht die Lektüre bzw. das Zuhören bisweilen zu einer Herausforderung an die Konzentration. Das Buch mit "Mut zur Lücke" zu lesen oder zu hören, würde seiner Intention vermutlich keinen Abbruch tun, vielleicht sogar helfen, ihm bis zum Schluss zu folgen. Schließlich lag ja auch der Erfolg von Steve Jobs - und damit der von Apple - gerade darin begründet, dass auf alles Unnötige und Ablenkende verzichtet und mehr Wert auf eine schlichte und leicht zu begreifende Bedienung der Produkte gelegt wurde.
Und noch eine Bemerkung zu der mir vorliegenden Hörbuch-Version: Sie wird von Thomas M. Meinhardt gelesen, der als Fernsehschauspieler schon bei Krimiproduktionen wie "Tatort" mitwirkte und auch auf Schauspielbühnen auftritt. Er versteht es, durch feine Nuancierungen seiner Stimme deutlich zu machen, ob es sich gerade um Schlenders Erzählung handelt oder um ein wörtliches Zitat, was beim Hören sehr hilfreich ist. Ansonsten folgt seine Sprechweise weitgehend dem Erzählstil, womit der 16-stündigen Lesung am ehesten das Prädikat "langatmig" gerecht wird.
Dennoch: Wer sich gerne intensiv mit Fragen der Computertechnik, der Unternehmensführung und mit dem Besonderen an Apple-Produkten beschäftigt, ist mit diesem Buch gut bedient.
Autor:Torsten Richter-Arnoldi aus Hattingen | |
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