Peter Dresia von "Sprungbrett": Als Süchtiger von der Parkbank zurück in Arbeit und Familie finden
Peter Dresia, vor kurzem 60 Jahre geworden, ist seit 30 Jahren in der ambulanten Suchthilfe tätig. Da der Diplom-Sozialarbeiter, Betriebswirt, Sozialtherapeut und approbierte Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut so viel Erfahrung aufweisen kann, gibt der STADTSPIEGEL ihm hier die Gelegenheit, davon etwas an die interessierten Leser weiterzugeben.
Sein halbes Leben hat Peter Dresia damit zugebracht, anderen Menschen zu helfen, einen Weg aus der Sucht heraus zu finden, hat sie auf diesem Weg begleitet und beraten, ihnen dabei geholfen, ein anderes, wieder menschenwürdiges Leben zu führen. Darüber hat er bereits im STADTSPIEGEL berichtet
30 Jahre ambulante Suchthilfe: Da weiß ein „alter Hase“ wie Peter Dresia so einiges zu erzählen, der in diesen drei Jahrzehnten bis zu seinem jetzigen Beruf, besser seiner Berufung, als Geschäftsführer des suchtmittelfreien Cafés Sprungbrett am Steinhagen 19 und vor allem der dazu gehörigen Beratungsstelle für Suchtkranke und deren Angehörige so einiges erlebt hat an gesetzlichen und auch sozialen Veränderungen.
Peter Dresia weiß wie viele andere auch, dass Suchtprophylaxe heutzutage an Schulen angebunden wird: „Gleichzeitig fehlt es aber an regelmäßiger Lehrerfortbildung und den wichtigen Schulsozialarbeitern. Dafür sind keine Gelder da. Dabei kostet ein unbehandelter Suchtkranker die Allgemeinheit 600.000 Euro. Doch da guckt keiner so richtig hin, denn das Geld kommt aus unterschiedlichen Töpfen. Für mich muss eine flächendeckende Prävention her.“
Lehrerfortbildung und Schulsozialarbeiter fehlen
Denn Jugendliche seien in ihrer Freizeit schwer zu erreichen. Da helfen auch Streetworker, für die sowieso keine Mittel da seien, seiner Meinung nach nur bedingt: „Ein ganz neues Phänomen ist die passive Konsumhaltung etwa durchs Internet, das alles frei nach Hause liefert. Darin sehe ich eine große Gefahr, denn diese Menschen können wir nur ganz schwer erreichen.“
Was sich der Erfahrung von Peter Dresia nach in den letzten Jahrzehnten verändert hat, das ist die Masse der Drogennutzer: „In die harten Drogen steigen immer weniger ein, aber immer mehr davon bleiben länger dabei. Früher hieß es auch, wer durch die Sucht arbeitslos geworden ist, der findet nach dem Überstehen auch wieder Arbeit. Das gilt nicht mehr. Immer weniger gelangen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurück.“
Nicht nur für Peter Dresia sind nach wie vor Alkohol und erst recht Nikotin die beiden Einstiegsdrogen überhaupt: „Dabei ist Tabak die bei weitem todbringendste Art. Aber hier im Café Sprungbrett machen wir seit vielen Jahren erfolgreich Raucherentwöhnung.“
Apropos: Was ist noch einmal das Café Sprungbrett am Steinhagen 19? Peter Dresia: „Café Sprungbrett ist ein offener Treffpunkt und eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene, Angehörige und alle Menschen, die sich über Sucht informieren möchten. Er ist ein Ort, der Integration erlaubt und ermöglicht und somit einer Ausgrenzung und Tabuisierung von Sucht und Suchtkranken entgegenwirkt.“
Sucht im Alter hat hohe Dunkelziffer
Hier ist der Experte auf ein völlig neues Phänomen gestoßen: „Sucht im Alter ist eine Spielart von Abhängigkeit mit einer sehr hohen Dunkelziffer, die wir seit zehn Jahren beobachten. Da unterscheiden wir drei Gruppen. Die sehr früh Suchtkranken werden durch Betreuung und medizinische Versorgung immer älter. Früher kamen Heroinabhängige nie ins Rentenalter. Heute gibt es sogar ein Altenheim für Heroinsüchtige in Unna. Die zweite Gruppe ist die, die bis in ihre 60er Jahre nie in Kontakt mit Suchtmitteln gekommen sind. Durch Alterseinsamkeit wie den Tod des Partners, die Kinder sind aus dem Haus oder den Vorruhestand fangen die erstmals an zu trinken. Über 50 Prozent der jetzt 50jährigen sind heute Single-Haushalte. Da gibt es später niemanden, der auf die aufpasst. Hinzu kommt die Altersarmut. Da ist Alkohol immer in Griffnähe und vor allem bezahlbar. Und da sind die, die mit um die 50 einsteigen. Sie haben plötzlich keine Arbeit mehr – beispielsweise früher durch die Schließung der Henrichshütte oder jetzt bei Opel. Bis zu ihrer Rente hätten sie nie Probleme bekommen, behaupte ich, aber durch den Alkohol kompensieren sie ihr Gefühl des Nichtgebrauchtwerdens.“
Peter Dresia hat es in seiner 30jährigen Berufslaufbahn immer wieder erlebt: „Um auf Dauer abstinent zu bleiben, sind zwei Hauptpunkte wichtig. Das sind eine Arbeitsstelle und eine Beziehung. Aber gerade Arbeit ist schwer zu finden. Da stimmen die politischen Rahmenbedingungen nicht mehr und Prävention, Beratung sowie Therapie können das nicht mehr auffangen. Aber genau das versuchen wir hier bei Sprungbrett mit viel Zeit und Energie und auch dadurch, dass wir über diese Stadt hinaus sehr gut vernetzt sind.“
Vielleicht liegt es daran, dass gerade in Hattingen, wie Peter Dresia es ausdrückt, „viele von der Parkbank zurückfinden in die Familie und auch in den ersten Arbeitsmarkt, weil sie sich ihrer Suchtkrankheit stellen. Das macht mir Mut, das gibt mir Kraft und das lässt die Menschen zu uns finden“.
Infos über "Sprungbrett"
Der gemeinnützige Verein Sprungbrett wurde 1997 als Förderverein zur Suchtarbeit für Hattingen und Sprockhövel von Betroffenen und deren Angehörigen gegründet.
Ziel sollte sein, auch anderen Betroffenen gleiche Chancen der Suchtbewältigung zu eröffnen, wie sie ihnen selbst noch offen standen.
Auch nichtbetroffene Menschen verschiedenster Berufsrichtungen gehören inzwischen dem Verein an. Sie haben ebenfalls die gesellschaftspolitische Bedeutung und Notwendigkeit einer gestärkten Suchtarbeit erkannt.
Förderverein zur Suchtarbeit Sprungbrett e.V., Steinhagen 19, 45525 Hattingen, Tel.: 02324-5969711, Fax: 02324-5969722; E-Mail: pdresia@sprungbrett-e-v.de
Lesen Sie zum Thema auch das hier von und überPeter Dresia!
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.