Netzwerker feiern Geburtstag
Sie befinden sich in einem fremden Land. Sie verstehen die Sprache nicht. Ständig reden Menschen auf Sie ein und erwarten, dass Sie das verstehen. So müssen sich Menschen mit der Diagnose Demenz fühlen: Störungen des Gedächtnisses, der Sprache, des Denkens, des Erkennens und der zeitlichen sowie örtlichen Orientierung gehören zum fortschreitenden Krankheitsbild. Das Kompetenznetzwerk Demenz Hattingen und Sprockhövel feiert mit einer Reihe von Veranstaltungen seinen zehnten Geburtstag. Hier finden Betroffene und Angehörige verschiedene Hilfen.
In Zahlen und in der Wahrnehmung haben dementielle Erkrankungen zugenommen. Etwa 1,6 Millionen Menschen leiden heute an einer Demenz, Tendenz steigend. Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt es 5000 Erkrankte, die durch das Abrufen einer medizinischen Leistung erfasst sind – die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. „Es lösen sich langsam die Tabus. Man spricht über die Krankheit, es gibt Bücher und Filme, zum Beispiel den bekannten Kinofilm ‚Honig im Kopf‘. Und die Menschen werden älter. Das ist oft auch mit einer Zunahme dementieller Erkrankung verbunden. Seit 2008 gibt es für Hattingen und Sprockhövel das Kompetenznetzwerk Demenz, verantwortlich von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) in Trägerschaft des Diakonischen Werkes Mark-Ruhr koordiniert. Wir versuchen, den betroffenen Menschen und den Angehörigen zu helfen – durch Beratung, verschiedene Angebote. Unser Ziel ist es, eine gute Lebensqualität für alle zu erreichen“, erklärt Pia Grebe, Geschäftsstellenleiterin der Alzheimer Gesellschaft Hattingen & Sprockhövel.
Das ist nicht einfach. Doch wie erkennen Angehörige oder Betroffene überhaupt, dass etwas nicht stimmen könnte? „Wir finden Dinge an Orten, die keinen Bezug zu diesen Dingen haben. Wenn wir beispielsweise Geldbörsen zum Schutz vor Diebstahl Zuhause verstecken, die wir nicht sofort finden, ist das noch nicht schlimm. Entdecken wir sie aber im Kühlschrank, könnte das auf ein Problem deuten. Oder wir vergessen vertraute Namen und können Alltagssituationen nicht mehr lösen. Wir vergessen beispielswiese, wie wir ein bestimmtes Mittagessen gekocht haben, obwohl wir es Jahrzehnte gemacht haben. Entscheidend ist dabei immer die Frage, was sich im Verhalten des Betroffenen in den letzten Jahren geändert hat. Auch depressive Phasen sollten aufmerksam beobachtet werden, denn sie können ebenfalls im Zusammenhang mit einer Demenz auftreten. „Es ist ganz wichtig, die Menschen zu beobachten. Nicht jede Vergesslichkeit ist eine Demenz. Genaues Hinsehen ist wichtig“, erklärt Dr. Christine Bienek, Chefärztin im Zentrum für Altersmedizin am St. Elisabeth-Krankenhaus in Niederwenigern. Sie steht am Tag der offenen Tür am Samstag, 13. Oktober, 11 bis 16 Uhr, zusammen mit Demenzcoach Sabine Müller für Fragen zur Verfügung. Eine Podiumsdiskussion wird ebenso geboten wie Vorträge, Gedächtnistraining und viele andere Anregungen für Körper und Geist auf einem „Markt der Möglichkeiten.“ Um 10.30 Uhr gibt es übrigens ab dem Reschop-Carré einen Shuttle-Service zu diesem Termin.
21. September ist Welt-Alzheimer-Tag
Und dieses Angebot ist nur eines von vielen rund um den 21. September – den Welt-Alzheimer-Tag. Denn immer noch geht es darum, ein Tabu zu brechen und Demenz als gesellschaftliches Problem zu erkennen. Heute werden viele Demenz-Patienten zuhause von Angehörigen gepflegt, aber die Quote der pflegenden Familienangehörigen nimmt kontinuierlich ab. Was gibt es darauf für Antworten?
Mit Humor zeigt eine Ausstellung „Demensch“ des Herner Zeichners Peter Gaymann zusammen mit den örtlichen Einzelhändlern, dass es auch im Leben der Demenzkranken schöne und lustige Momente gibt. Lachen bleibt erlaubt. Bis zum 14. Oktober gibt es in den Schaufenstern der Hattinger Innenstadt dazu viele Bilder zu sehen. Am 26. September, 18 Uhr, Ortho-Mobile, August-Bebel-Straße 8, findet ein Altstadtgespräch zum Thema „Fit und mobil im Alter“ statt. Und am 11. Oktober um 19 Uhr geht es im Kamingespräch, Café Annelie, Augustastraße, im Ärztenetzwerk „med in Hattingen“ um das Thema Pflege.
Nach dem heutigen Forschungsstand ist Demenz nicht heilbar. In der Medizin nennt man aber Alterstipps, um der Demenz vorzubeugen: Bewegung, geistiges Training, ausgewogene Flüssigkeitsbilanz, normales Gewicht, ein stabiles und gutes seelisches Umfeld, Seh- und Hörhilfen (bei Bedarf) und die Beachtung der Wechselwirkung bei Medikamenten – all das kann helfen. Und wenn es doch zur Diagnose „Demenz“ kommt?
„Man muss versuchen, wertschätzend miteinander umzugehen. Gefühle werden manchmal deutlicher zum Ausdruck gebracht. Der demente Mensch drückt etwas aus, was er sonst vielleicht nicht gewagt hätte. Eine Demenz kann einen Menschen auch zum Positiven in seinem Verhalten verändern. Wir kennen durchaus Fälle, in denen bisher die Mutter oder der Vater eher unzugänglich waren und durch die Erkrankung plötzlich sehr liebevoll wurden und die erwachsenen Kinder einen völlig neuen Zugang zu ihren Eltern fanden. Deshalb ist es auch unmöglich, einen Zeitpunkt zu benennen, ab wann ein Heimaufenthalt unumgänglich sein könnte. Jede Erkrankung ist sehr verschieden“, so Pia Grebe und Christine Bienek – da sind sich die Experten einig.
Nach der Diagnose ist es wichtig, dass jemand da ist, der eine Systematik in die nun auftretenden Fragen der Betroffenen und der Angehörigen bringen kann. Hier bietet das Kompetenznetzwerk Demenz zahlreiche Möglichkeiten: Gedächtnisaktivierung, Tanzveranstaltungen, Bewegte Stunde und vieles mehr. Die Alzheimer Gesellschaft Hattingen/Sprockhövel ist unter 02324/685620 und 0157/71357575; E-Mail info@alzheimer-hsp.de. zu erreichen. Kompetenter Ansprechpartner ist auch die KISS unter 02324/954979 oder per Mail unter Kiss.hattingen@diakonie-mark-ruhr.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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