Hattingen: Zuwanderung und Selbsthilfe passen (noch) nicht so recht zusammen
Allen Menschen sollte ein gleichberechtigter Zugang zu allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung zustehen. Zumindest in der Theorie ist das in Hattingen so.
Denn wie die Selbsthilfekonferenz Hattingen/Sprockhövel, die „KISS“ (Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe) am Kirchplatz und auch die zuständigen Stellen bei der Stadtverwaltung festgestellt haben, fehlen in den jeweiligen Selbsthilfegruppen Hattinger mit Migrationshintergrund fast vollständig.
Marianne Zetzsche, Sprecherin der Selbsthilfekonferenz Hattingen/Sprockhövel dem STADTSPIEGEL gegenüber: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ausgerechnet dieser Bevölkerungsanteil keinen Bedarf an Selbsthilfe hat. Gerade die damaligen Gastarbeiter der ersten Stunde sind doch heute ebenfalls im Rentenalter und haben ihre Leiden.“
Allerdings, so gibt sie zu, „müssen wir auch herausfinden, wie wir den Menschen den Zugang zu uns erleichtern können. Wir haben vor gut einem Jahr mit Frauen aus der Hattinger Moschee zusammengesessen und sind leider gescheitert.“
Bernd Baumhold von der Stadt Hattingen und außerdem Geschäftsführer des Integrationsrates möchte daher einen neuen Vorstoß unternehmen und die Mitglieder „seines“ Gremiums Integrationsrat für das Thema „Selbsthilfe“ sensibilisieren:
„Hattingen ist gut aufgestellt"
„Hattingen ist nicht nur im Bereich der professionellen Dienste gut aufgestellt, beispielsweise durch ,med in Hattingen‘, sondern auch seit langen Jahren in einer Vielzahl von Selbsthilfegruppen sehr aktiv. Trotzdem gibt es offensichtlich eine Reihe sichtbarer und unsichtbarer Faktoren, welche die Mitwirkung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einschränken, denn sie sind in allen Bereichen der gesundheitlichen Selbsthilfe deutlich unterrepräsentiert. Es scheint, dass der Umgang mit Gesundheit und Krankheit nicht nur von individuellen, sondern auch von kulturellen Mustern geprägt ist. Das führt häufig nicht nur zu Missverständnissen, sondern vor allem zu einer mangelhaften individuellen Versorgung und nicht gleichberechtigen Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitswesens.“
Michael Klüter von der „KISS“ am Kirchplatz weiß dazu: „Unser Problem, an die Mitbürger mit Migrationshintergrund heranzukommen, ist weder neu noch regional beschränkt. Es ist eine allgemeine Tatsache, dass Selbsthilfe in diesen Kreisen unterrepräsentiert ist. Hier müssen sicher teilweise noch sprachliche, wohl auch aber kulturelle Barrieren überwunden werden. Es gibt außerhalb Europas Kulturkreise, da war und ist Selbsthilfe kein Thema, weil dafür die Familie da war und ist. In Deutschland leben aber auch diese Familien anders und daher müssen wir die Menschen neugierig auf unser Selbsthilfeangebot machen und uns ihnen vorstellen. Daher haben wir Vertreter einiger Selbsthilfegruppen für diesen Abend ebenfalls eingeladen.“
Thema am Dienstag: „Zuwanderung und Selbsthilfe“
Geschehen soll dies am kommenden Dienstag, 14. April, 19 Uhr, im „Café Sprungbrett“ am Steinhagen 19. „Zuwanderung und Selbsthilfe“ lautet dann das Thema, das sich besonders an Hattinger mit Migrationshintergrund richtet.
„Ich hoffe dabei auf die jüngere Generation, die hier bei uns geboren, mit uns in Kindergarten und Schule gegangen ist“, so Marianne Zetzsche. „Vielleicht geben wir denen ja mit unserer Veranstaltung einen Denkanstoß, weil sie sich bislang mit der Thematik noch gar nicht befasst haben.“
Aber auch die Veranstalter erhoffen sich einen solchen, wie sie nämlich Menschen mit Migrationshintergrund besser erreichen können. Marianne Zetzsche und Michael Klüter etwa wären dankbar zu erfahren, wie Selbsthilfegruppen aufgestellt sein müssten, damit sie für ihre Zielgruppe attraktiver werden.
„Ich halte gemischte Gruppen aus Deutschen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund von meinem Gefühl her für besser“, meint die Sprecherin der Selbsthilfekonferenz Hattingen/Sprockhövel, „aber vielleicht täusche ich mich ja. Da hoffe ich auf Anregungen durch unsere hoffentlich zahlreichen Besucher mit Migrationshintergrund. Auf jeden Fall wird unser Treffen am 14. April keine hochtrabende Veranstaltung mit Doktoren und Professoren, die auf der Bühne stehen und dozieren, sondern wir wollen uns auf Augenhöhe begegnen und miteinander ins Gespräch kommen.“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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