Erfolgreiche Eingewöhnung in Kita und Schule

Der nächste Termin des Elterntreffs findet statt am Mittwoch, 19. November, 19 Uhr, Altes Rathaus. Thema ist dann die Rechenschwäche.
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  • hochgeladen von Dr. Anja Pielorz

Wenn der Nachwuchs in den Kindergarten oder die Schule kommt, ist das eine große Veränderung. Und das nicht nur für die Kleinen! Die Großen müssen nämlich lernen, loszulassen und dem Nachwuchs auch erste Freiheiten zu geben. Die Kleinen indes müssen begreifen: Auch wenn sie Mama oder Papa gerade nicht im direkten Blickfeld haben, so sind doch beide für sie da. Das geht nur, wenn eine Bindung aufgebaut wurde. Und wie das geht und wie überhaupt die Eingewöhnung in Kindergarten und Schule erfolgreich verlaufen kann, darüber informierte die Leiterin der Familieneinrichtung Arche Noah in Blankenstein und Welper, Silvia Mahle, beim monatlichen Elterntreff „Hattingen hat interessierte Eltern“ vom Bündnis für Familie in Kooperation mit der VHS.

John Bowlby erklärte Bindung als ein gefühlsbetontes Band an eine spezifische Person, unabhängig von Raum und Zeit. Die Experten, so Mahle, wissen heute, dass sich Säuglinge im ersten Lebensjahr an bis zu drei Personen binden. Das müssen nicht zwingend die Eltern sein (sind sie aber natürlich meistens), das können zum Beispiel auch Großeltern sein. Dabei spielen positive Erfahrungen des Kindes und permanente Wiederholungen eine große Rolle: Das Kind schreit und es erlebt, dass daraufhin immer wieder eine Person (oft die gleiche Person) kommt. „Jedes Kind hat ein Bindungsbedürfnis und sichert sich dadurch das Überleben“, so Mahle. „Alle Kinder entwickeln eine Beziehung an die sie betreuenden Erwachsenen. Diese müssen die Signale des Kindes erkennen und richtig deuten, um entsprechend zu reagieren.“ Vor allem in Not- und Kummersituationen aktiviert das Kind sein Bindungsverhalten: es schreit, es kuschelt, es lächelt, es will an die Hand, es weint – und es bekommt im Idealfall eine Rückmeldung der Person, an die es gebunden ist. Der Erwachsene nimmt es in den Arm, tröstet es, streichelt es. „Während man früher glaubte, eine Bindung an bestimmte Personen sei nach einer bestimmten kindlichen Altersphase abgeschlossen und wenn diese nicht erfolgreich verlaufen sei, dann könne das Kind auch als Erwachsener keine Bindung haben, geht man heute davon aus, dass auch zu späteren Zeiten Bindungen noch aufgebaut werden können. Das erlebt man zum Beispiel bei Kindern in einer Pflegefamilie“, so Mahle.

Berliner Eingewöhnungsmodell

Eine erfolgreiche Bindung ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Eingewöhnung in Kindergarten und Schule. Nur dann hat das Kind verstanden, dass es Verlässlichkeiten in einer Beziehung gibt. Und nur dann kann das Kind diese auch gegenüber Betreuungspersonen in Tageseinrichtungen aufbauen.
Die meisten Tageseinrichtungen arbeiten heute nach dem „Berliner Eingewöhnungsmodell“, welches seit Anfang der 90er Jahre verstärkt zum Einsatz kam. Die Einbeziehung eines Elternteils ist bei der Eingewöhnung in den Kindergarten ein wesentlicher Bestandteil. Die Kinder haben Zeit, sich unter dem Schutz einer Bezugsperson mit der Einrichtung vertraut zu machen und eine Beziehung zur Erzieherin zu knüpfen. Das Modell besteht aus drei Phasen: In der Grundphase begleitet ein Elternteil das Kind in die Einrichtung und hält sich mit dem Kind wenige Stunden im Gruppenraum auf. Die Erzieherin nimmt bereits über Spielangebote Kontakt zu dem Kind auf und das Elternteil sollte sich eher passiv verhalten. In der Regel dauert diese Phase drei Tage. Danach beginnt die Stabilisierungsphase, in der sich das Elternteil auch räumlich von dem Kind trennt, aber in erreichbarer Nähe bleibt. Bleibt das Kind in der Gruppe, lässt es sich von der Erzieherin trösten und zum Spiel bewegen, ist alles gut. Versucht das Kind dem Elternteil zu folgen und lässt sich nicht beruhigen, beginnt die Grundphase von vorne und kann nach Bedarf auch über mehrere Wochen andauern. In der Schlussphase des Modells hat das Kind bereits ein erstes emotionales Band zur Erzieherin geknüpft und das Elternteil kann sich entsprechend auf Dauer zurückziehen. Auch hier kann es aber sein, dass immer mal wieder Tränen fließen, die aber mit Hilfe der Erzieherin schnell versiegen.
Möglich ist auch, dass dieses Modell zunächst sehr gut funktioniert, das Kind aber nach mehreren Monaten plötzlich in die Grundphase zurück fällt. Hier können negative Erlebnisse im Familienkreis (Trennung oder Tod) eine Rolle spielen, aber auch negative Erlebnisse in der Tageseinrichtungen oder der Schule stattgefunden haben. In Gesprächen mit den Betreuern und gegebenenfalls weiteren Fachkräften muss dann eine individuelle Lösung erarbeitet werden.
In jedem Fall ist der Zeitfaktor nicht zu unterschätzen und kann durchaus auch dazu führen, dass sich Eltern Urlaub nehmen müssen, um ihrem Kind durch diese Zeit zu helfen. Schwierig wird es auch, wenn mehrere Kinder unterschiedlichen Alters zu versorgen sind oder bei alleinerziehenden Elternteilen, die wieder arbeiten müssen. Auch hier kann man nur auf Gespräche mit der Betreuungseinrichtung setzen und andere Bindungspersonen mit ins Boot holen. „Bei diesem Modell steht das Kind absolut im Mittelpunkt. Die Zeiten, die ich aus meiner 39jährigen Berufserfahrung kenne, in denen die Kinder einfach von einem Tag auf den anderen komplett in die Einrichtung gegeben wurden und die Eltern dann gingen, während sich die Erzieher um den in der Regel schreienden Nachwuchs kümmern mussten, sind vorbei“, sagt Silvia Mahle.

Mit Fachleuten reden

Gerade deshalb gibt es individuelle Unterschiede in der Betreuung. Heute gibt es Tage der offenen Tür, Schnuppertage oder Eingewöhnungskurse, die vor dem Regelbesuch der Tageseinrichtung oder der Schule angeboten werden. Es gibt die Möglichkeit, verschiedene Stundenzahlen in Tageseinrichtungen zu buchen. Es gibt Ferienprogramme und damit kann man sehr unterschiedlich auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren.
Für Fragen stehen die Mitarbeiter in den Einrichtungen zur Verfügung. Hilfe gibt es aber auch im Fachbereich Jugend, Schule und Sport der Stadt Hattingen, Projekt „Bündnis für Familie“, Juliane Lubisch, Bahnhofstraße 48, 45525 Hattingen, Telefon 02324/204-4232 oder per E-Mail unter j.lubisch@hattingen.de.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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