Elterntreff: Diagnose Rechenschwäche

Rund 150.000 Grundschulkinder in Deutschland sind von einer Rechenschwäche (Dyskalkulie) betroffen. Mit mangelnder Intelligenz hat das nichts zu tun und eine Krankheit ist dies auch nicht (genauso wenig wie die Rechtschreibschwäche). Laut Weltgesundheitsorganisation liegt die Rechenschwäche vor, wenn eine „Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten“ gegeben ist, die sich vor allem auf die Grundrechenarten bezieht. Im Elterntreff „Hattingen hat interessierte Eltern“ erklärten Anna Wohl und Verena Pingel vom Institut für Diagnostik und Lerntraining in Hattingen, wie mathematische Kompetenzen entstehen und woran Eltern schon früh Mängel erkennen können.

Mathematische Kompetenzen entwickeln sich von der Geburt bis zum Grundschulalter in fünf Stufen. Zuerst werden Mengenveränderungen von 1 bis 3 wahrgenommen, Zahlworte werden erlernt. Mit knapp vier Jahren können die meisten Kinder die Zahlreihe bis zehn. Fünfjährige bewältigen bereits kleine Rechenaufgaben zählend und nutzen Zahlwörter, um die Objekte zu zählen. In der dritten Stufe kann aus einer Gesamtmenge eine Teilmenge bestimmt werden, in der vierten Stufe vertieft sich dieses Verständnis. Die letzte Stufe wird im Eingangsunterricht der Schule erreicht. Die Grundrechenarten Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Teilen werden erlernt und verstanden.
Damit sich diese Entwicklung vollziehen kann, müssen Kinder schon vor der Grundschule drei Fähigkeiten als Grundlage gelernt haben: Klassifikation, Seriation und Mengeninvarianz. Was genau ist das? Klassifikation bedeutet, Kinder können nach Merkmalen wie zum Beispiel Farbe oder Größe sortieren. Seriation bedeutet, Kinder können Ordnungsreihen wie zum Beispiel größer oder kleiner als einordnen. Und Mengeninvarianz meint, Kinder können verstehen, dass sich eine Menge oder Größe nicht durch die Anordnung im Raum ändert, beispielsweise dadurch, dass man fünf Steine verschiebt oder eine Flüssigkeit von einem Glas in ein anderes umgießt.

Förderung erzielt gute Ergebnisse

Schon vor dem Schuleintritt können Eltern auf Warnsignale achten, die auf eine Rechenschwäche hindeuten könnten: Wenn ihr Kind Probleme mit Rechts-Links-Orientierung hat oder unsicher ist, ob etwas neben, unter, vor oder über zuzuordnen ist, dann sollten Eltern einen Experten aufsuchen. Ebenso gilt dies bei unrealistischen Vorstellungen von Größen wie zum Beispiel „Das Pferd ist drei Meter hoch“ oder „Ich musste fünf Stunden warten“. Hinweise auf eine Rechenschwäche können auch sein, dass das Kind Spiele wie Lego, Puzzle oder Memory meidet. Dies sind Spiele, die eine Handlungsplanung erfordern. Auch Schwierigkeiten bei der Nachahmung von Bewegungen oder dem Nachbauen von Figuren können Hinweise sein. Dies gilt auch für Probleme beim Benennen von Farben oder beim Zählen vor- und rückwärts.
Natürlich gibt es auch Warnsignale nach dem Schuleintritt. Aufgaben werden immer noch zählend gelöst, weil die Zahlen nicht als Vertreter von Mengen verstanden werden. Das Stellenwertsystem wird nicht verstanden – 503 wird als 5003 geschrieben oder 60 – 50 wird im Ergebnis als 1 bezeichnet. Auch Schätzen kann das Kind nicht. Probleme gibt es auch damit, was eine Rechenoption überhaupt bedeutet: Subtrahieren beispielsweise heißt „ich nehme etwas weg“.
Schreitet der Schulstoff voran, ohne das die Rechenschwäche diagnostiziert wird, lernt das Kind immer mehr auswendig – ihm fehlt aber das nötige mathematische Grundverständnis.
Beim Verdacht einer Rechenschwäche bieten standardisierte Rechentests klassenbezogene Vergleichswerte und qualitative Analysen. Ist eine Rechenstörung diagnostiziert, schauen sich die Experten auch das Umfeld des Kindes an. Fördermaßnahmen haben dann den besten Erfolg, wenn alle Beteiligten gut zusammenarbeiten. Dyskalkulie ist zwar nicht vollständig heilbar, aber es gibt gute Fördermöglichkeiten, die nicht nur das Leben erleichtern und helfen, die Dyskalkulie zu überwinden, sondern Kinder trotz dieser Einschränkung zum Abitur führen können.
In jedem Fall ist es wichtig, Seh- und Hörstörungen auszuschließen. Auch hier kann nämlich ein Grund liegen, weshalb das Kind mit Zahlen Schwierigkeiten hat.
Kontakt: I.D.L. Hattingen, Bahnhofstraße 25, 45525 Hattingen, Telefon 02324/21315; Email hattingen@idlweb.de oder Erziehungsberatungsstelle der Stadt Hattingen, Bahnhofstraße 51, Telefon 02324/24306.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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