"Silbertelefon" für Menschen ab 60
Der Kontakt zur Welt

Wenn gerade keiner da ist zum Reden, bietet sich für Senioren ein Anruf beim Silbertelefon an.  | Foto: Paul Schaerf
  • Wenn gerade keiner da ist zum Reden, bietet sich für Senioren ein Anruf beim Silbertelefon an.
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Alter macht oft einsam. Diese Erfahrung haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Silbertelefons gesammelt. Sie stehen täglich von 8 bis 22 Uhr bereit, um mit älteren Menschen zu reden - oder um einfach zuzuhören.

Elisa (Name durch die Redaktion geändert) ist 62 Jahre alt und engagiert sich seit der Gründung des Vereins Silbernetz dafür, einsame Senioren aus der Isolation zu holen. "Wenn alle alten Freundschaften wegbrechen, brauchen die Menschen einen Kontakt zur Welt." Und den kann, in einem ersten Schritt, das Silbertelefon liefern.

Einfach mal reden

Das funktioniert ähnlich wie die Telefonseelsorge: Jeder kann anrufen und sprechen, was ihm auf der Seele liegt, völlig anonym und mit der Sicherheit, dass das Gesprochene nicht nach außen dringt. Anders als bei der Telefonseelsorge steht der Fokus beim Silbertelefon nicht auf akuten Krisensituationen, in denen sich die Anrufer befinden, sondern es geht darum, einfach mal zu reden.

Elisa ist an Feiertagen im Dienst des Silbertelefons

Elisa, die an fast allen Feiertagen ehrenamtlich Dienst am Silbertelefon verrichtet, erzählt von älteren Damen, deren Besuch gerade gegangen ist. "Sie haben in diesem Moment Gesprächsbedarf, vielleicht aufgrund aktueller Neuigkeiten, die in den Gesprächen mit den Angehörigen verkündet wurden, aber niemanden zum Reden", sagt die Ehrenamtlerin aus Hattingen. Das gilt nicht nur für sehr einsame Menschen, weiß sie: Insbesondere an Feiertagen sei die Hemmschwelle, Bekannte anzurufen, besonders hoch. Und so schenkt sie ihre Zeit den Anrufern, wobei ein Gespräch auf 20 Minuten begrenzt ist. Leerlauf hat sie an diesen Tagen nicht, kaum aufgelegt, klingelt ihr Telefon schon wieder.

Alltägliches und Tiefgründiges wird besprochen

Elisa macht das gerne, mit Unbekannten quatschen, über Alltägliches wie den Braten, der gerade im Ofen ist, oder auch tiefgründigere Themen. Sie erinnert sich an ein Gespräch mit einer Seniorin, die in jungen Jahren der Liebe wegen ins Nachbardorf gezogen war. Jetzt, Jahrzehnte später, war ihr Mann gestorben, und sie fühlte sich einsamer denn je. "Sie kam sich noch immer wie ein Eindringling vor, denn akzeptiert wurde sie in all den Jahren nie als gleichwertige Dorfbewohnerin", erinnert sich Elisa. "Dass es solch brutale Ausgrenzmechanismen zwischen zwei Nachbardörfern gibt, hat mich gepackt."

Silbernetz-Freundschaften als zweiter Schritt

Ob die Frau weggezogen ist, weiß die Ehrenamtlerin nicht. Am Silbertelefon bleibt man anonym und jedes Gespräch ist somit in sich abgeschlossen. Anders sieht das bei den Silbernetz-Freundschaften aus. Wer den Wunsch hat, regelmäßig einmal die Woche mit der selben Person zu reden, für den bietet sich dieses Angebot an. "Allerdings bleiben die Gesprächspartner auch hierbei anonym. Persönliche Treffen sind nur möglich, wenn man die Silbernetz-Freundschaft aufkündigt", erklärt die Hattingerin. Die Anonymität sei wichtig, weil sie die Gesprächspartner schütze, sie gewährleiste, dass die Anrufer alles erzählen können.

Lokale Angebote vor Ort

Dritter Bestandteil des Silbernetz-Angebotes, das noch in der Aufbauphase ist, ist die Vermittlung von lokalen Angeboten vor Ort für Senioren. Silbernetz fungiert so als Türöffner zu lokalen Angeboten.
Die Idee zu Silbernetz hatte Elke Schilling, nachdem ein alter Nachbar einsam in seiner Wohnung verstorben war. Hilfe hatte er immer abgelehnt, ihm gehe es gut, hat er gesagt. Bis der Pizzaflyer wochenlang am Türknauf hing und Schilling den Vermieter kontaktierte.

"Wer will schon arm, alt und hiflos sein?"

"Wer will schon arm, alt und hilflos sein?", fragt Elisa und erklärt damit die Zurückhaltung vieler alter Menschen, Hemmungen zu überwinden und Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Dabei seien einige durch körperliche Beschwerden oder Passivität durchaus auf Unterstützung angewiesen. Sie mit dem niedrigschwelligen Silbertelefon zu erreichen, das ist das Ziel der Ehrenamtlerin. Und dieser Plan geht auf, wie die steigenden Anruferzahlen zeigen: Mehr als 155 000 Anrufe sind 2023 an der Silbernetz-Hotline eingegangen, im Jahr davor waren es 152 000 Anrufe. Dabei ist die Anzahl der Menschen, die zum ersten Mal die Nummer wählten, um ein Drittel gestiegen.

Kosten pro Anruf stellen den Verein vor Probleme

Was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, stellt der gemeinnützigen Verein aber inzwischen vor Probleme. Damit die Hotline für die Anrufer kostenlos erreichbar ist, zahlt der Verein pro Anruf 1,25 Euro an den Telefondienstleister. Je mehr Anrufe also eingehen, desto höher die Kosten, die aus Spenden finanziert werden. Um dem entgegenzuwirken, hat Silbernetz einerseits eine Petition gestartet (https://innn.it/kosten-runter-fur-die-0800er-rufnummern-gemeinnutziger-vereine) und freut sich über weitere Unterzeichner. Andererseits ist das Silbertelefon seit Juli auch via Festnetz über 030/544 533 00 erreichbar.

Kontakt und Infos

-> Weitere Informationen für interessierte Ehrenamtler, zu Spenden und den Angeboten des Silbernetzes online auf www.silbernetz.de.
-> Das Silbertelefon ist täglich von 8 bis 22 Uhr unter 0800 4 70 80 90 erreichbar. Es richtet sich an Menschen ab 60 Jahren, ist anonym, vertraulich und kostenfrei.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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