Besinnliches von Uwe Crone: "Spricht Gott?"

„Niemand kann Gott so hören, so wie die Propheten im Alten Testament.“
Der Schüler ist skeptisch. „Der Prophet wurde doch von Gott berufen. Das passiert heute doch nicht mehr. Heute hat doch keiner mehr eine Vision oder hört Gottes Stimme.“ Viele in der Klasse nicken. Jetzt bin ich skeptisch: „Wir haben doch von Martin Luther King gehört. Der hatte einen Traum. Er träumte, weiße und schwarze Menschen würden friedlich zusammenleben können, ohne dass die eine Rasse die andere runterdrückt, wie er es noch jeden Tag erlebte.“ „Ja, der hatte einen Traum. Aber keine Vision, die von Gott kam.“ Ich bin nicht überzeugt: „Wieso nicht? Kann Gott nicht auch in Träumen sprechen? Davon wird doch auch in der Bibel häufiger erzählt.“ „Alle Menschen träumen doch jede Nacht. Dann würde man doch davon was hören. Das könnte doch keiner für sich behalten, wenn Gott zu ihm spricht!“ Die Klasse ist sich einig. Gott spricht nicht mehr. „Ihr meint also, wenn Gott spricht, müsste man ihn hören – als Stimme aus dem Off, wie im Film, und der Mensch, der ihn hört, hört ihn mit den Ohren?!“ „Ja, klar!“ Das wiederum glaube ich nicht. „Könnte Gott nicht auch so zu mir sprechen, dass er in mir einen Gedanken einpflanzt? Dem ich dann nachdenke, so wie Martin Luther King. Der hatte den Gedanken, dass das Gott in Wahrheit bestimmt nicht will, dass Unterschiede zwischen Menschen gemacht werden. In dem nach und nach der Traum von einer besseren Welt heranwuchs. Ein Traum, der von der Realität vollkommen abwich. Der dann – vielleicht erst nach längerer Zeit – zu der Auf-fassung kam, er müsste jetzt mal was gegen die schlimmen Zustände unternehmen, die er überall vor Augen hatte. Könnte Gott so nicht sprechen? Ohne dass ein Mensch den genauen Zeitpunkt hinterher noch festlegen könnte, in dem er Gott gehört hat?“ „Sie meinen, heute auch noch?“ „Ja, das meine ich.“
Pfarrer Uwe Crone
Ev. Gemeinde Welper
und Blankenstein