Beruf Eltern - und das mit einem turb(o)lenten Kind

Der Alltag mit einem Kind stellt Eltern immer wieder vor besondere und ungewöhnliche Herausforderungen. In der Elternreihe „Hattingen hat interessierte Eltern“ ging es diesmal um die Bewältigung des oft turbulenten Alltags mit einem Kind, das Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Diese können höchst unterschiedlicher Art sein. Die Ergotherapeutin und verhaltenstherapeutische Trainerin Rabea Kemper führte durch den Abend. Sie stellte das verhaltenstherapeutische Training nach Dr. med. Jaime Rosero vor.

Dabei ist das Ziel klar definiert: Eltern und Kind sollen einen möglichst hohen Grad der Zufriedenheit erreichen. Mit zunehmendem Alter sollte das Kind erlenen, sich selbst in seinem Verhalten zu steuern. Verhaltensauffällige Kinder haben bei der Konfrontation mit vielen verschiedenen Reizen oft das Problem, das ihr Gehirn die Vielzahl der Reize nicht nach Wichtigkeit steuern und aussortieren kann. Dies führt zu Verhaltensauffälligkeiten. „Ich habe Eltern erlebt, die fünf Jahre mit ihrem Kind keinen Urlaub gemacht haben, weil sie sich überfordert fühlten, 24 Stunden mit dem Kind zusammen zu sein“, erzählt Rabea Kemper.
Dabei ist im Alltag die Aufforderung an das Kind, etwas zu tun, ein ständiger Kampf. Es zeigt keine Reaktion oder es verweigert einfach die Handlung. Die Situation eskaliert, weil die Eltern die Aufforderung mehrfach wiederholen und das Ergebnis entweder ausbleibt, die Eltern selbst schließlich die Handlung vollziehen und zunehmend aggressiver reagieren.

Setzen Sie Lob ein

„Ganz wichtig ist es, das Kind im Alltag bei gelungenen Handlungen zu loben. Auch auf dem Weg zu einem Ergebnis, sollte Lob bereits einsetzen. Das können, je nach Situation, Kleinigkeiten sein. Die Aufmerksamkeit sollte auf positive Dinge gerichtet sein, denn Kinder erhalten oft viel mehr Aufmerksamkeit, wenn es um negative oder nicht befolgte Dinge geht. Sagen sie dem Kind ruhig, wenn es etwas gut gemacht hat: Ich finde es toll, das du heute aufgeräumt hast. Ich finde es super, das du die Schuhe vor der Haustür ausgezogen hast. Heute hat das Zähneputzen besonders gut geklappt. Bestärken sie das Kind in etwas, was gelungen ist.“
Natürlich ist nicht der Tag gleich und manchmal klappt das an einem Tag gut, am nächstem klappt es nicht. Wichtig ist das Erkennen klarer Strukturen: „Wir unterscheiden zwischen Regel, Aufforderung und Bitte. Die Regeln haben einen verpflichtenden Charakter – entweder für jeden in der Familie oder für bestimmte Personen. Das muss man klar festlegen. Ab etwa fünf Jahren lohnt es auch, einen Familienrat einzuführen und mit diesem die Regeln festzulegen. Wenn ich beispielsweise die Regel habe, dass beim Abendbrot alle Personen am Tisch sitzen bleiben sollen, dann gilt dies auch für die Erwachsenen. Dann darf auch niemand aufstehen, um das Toast aus dem Toaster zu holen, den ich vom Tisch aus nicht erreichen kann. Das muss ich dann vorher überlegen und anders organisieren. Wenn ich ein Kind zu einem bestimmten Verhalten auffordere, so muss ich dem Kind auch die Konsequenzen erläutern, wenn es nicht reagiert. Wenn ein Kind beispielsweise immer wieder mit dem Stuhl kippelt und ich es mehrfach auffordere, dies nicht zu tun – dann sage ich einfach, das beim nächsten Kippeln der Stuhl weg kommt und das Kind die nächsten fünf oder zehn Minuten im Stehen verbringt. Ich muss es aber nicht aus einer Essensrunde ausschließen. Bei den Konsequenzen habe ich als Erwachsener zu überlegen, ob diese durchführbar sind. Wenn nämlich nicht, erlebt mich mein Kind mit einem inkonsequenten Verhalten und ich erreiche nicht die gewünschte Änderung im Verhalten.“

Seien Sie konsequent!

Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Konsequenz muss deutlich werden. Ist das Kind noch sehr jung, sollte der Zeitfaktor zwischen dem Verhalten und der Konsequenz kurz sein. ist das Kind älter, dann darf man ruhig sagen: Dein Verhalten wird Konsequenzen haben, aber ich bin im Moment so wütend, dass ich nur gemein wäre. Ich sage dir die Konsequenzen morgen – und dann kann man ruhig überlegen, was das für Konsequenzen sein könnten. Die müssen aber auch wirklich eintreffen. „Hilfreich ist auch, dem Kind zu sagen: Du hast dich für dieses Verhalten entschieden, also trägst du auch die Entscheidung für die Konsequenzen.“
Ganz wichtig: Natürliche negative Konsequenzen sollten nicht vom impulsgesteuerten Verhalten des Erwachsenen abhängig sein.
Positive Verstärkung eines gewünschten Verhaltens ist in vielen Alltagssituationen der Baustein für eine Veränderung. „Wenn ein Kind spielt und der Erwachsene möchte mit dem Kind wegfahren, das Kind das Spiel aber nicht beenden möchte – gehen sie in die Hocke auf Augenhöhe zum Kind. Holen sie sich seine Aufmerksamkeit und reden sie aus einem anderen Raum auf das Kind ein. Sagen sie ihm, warum sie nun wegfahren wollen und es mit dem Spiel aufhören muss. Bieten sie Kompromisse an: Du kannst etwas zum Spielen mitnehmen, aber anderes Spielzeug wird jetzt aufgeräumt. Dabei geben sie klare Anweisungen: Die blauen Legosteine kommen in die Kiste, die Bücher kommen ins Regal, die Puppe darfst du mitnehmen. So ist es leichter für das Kind, zu reagieren und der Aufforderung nach u kommen. Bestärken sie sein Verhalten positiv, sobald es beginnt, die Aufforderung umzusetzen. Loben sie es.“
In manchen Fällen erweist sich ein Punkteplan auch als hilfreich. Dabei werden alle Wünsche des Kindes notiert: Damit sind übrigens keinesfalls materielle Wünsche gemeint – sondern Dinge wie Kissenschlacht, Spielplatzbesuch, Kuscheleinheit, Toben, Vorlesen, vielleicht ein gemeinsamer Fernsehabend oder Kleinigkeiten wie eine Tüte Chips oder etwas anderes Besonderes. Natürlich, ein materieller Wunsch darf auch bei sein (Tipp: Den kann man ja in Richtung Geburtstag oder Weihnachten schieben). Mit dem Kind gemeinsam werden die Wünsche notiert auf einem großen bunten Papier oder einer gezeichneten Raupenfigur oder ähnliches. Für ein positives Verhalten (Schuhe ausziehen, Zähneputzen, selbständiges Anziehen – die Liste ist individuell verschieden) bekommt das Kind symbolisch eine Sonne. Ein Wunsch wird realisiert, wenn die vorher für diesen Wunsch festgelegte Anzahl der Sonnen vorhanden ist. Wichtig: Sie möchten das Kind im positiven Verhalten ja bestärken – also die Anzahl der Sonnen für einen kleinen Wunsch nicht zu hoch ansetzen. Sonst könnte das Kind die Motivation verlieren (das schaffe ich ja doch nicht).
Wenn das Verhalten der Erwachsenen für das Kind nachvollziehbar ist, dann kann es auch selbst lernen, an seinem Verhalten zu arbeiten.
Kontakt: Rabea Kemper, Praxis für Ergotherapie, Kemnader Straße 1, 44797 Bochum, Telefon 0234/9764760

Nächster Termin: Mittwoch, 14. Juni, 19 bis 20.30 Uhr, Altes Rathaus, Thema: Cybermobbing

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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