30 Jahre AA: Das Leben ist schön - erst recht ohne Alkohol
„Das Beste, das mir je passiert ist, das ist, dass ich die Anonymen Alkoholiker kennengelernt habe. Sie sind nach wie vor meine Familie, die mir Kraft gibt, meine Probleme anzufassen.“
Ziemlich genau 35 Jahre ist das her, was Hannelore so eindrucksvoll beschreibt. Doch bis zu dem Schritt in die damals in Oberdahlhausen vorhandene nächste Gruppe der „Anonymen Alkoholiker“ (AA), den sie ihrer Schwester zu verdanken hatte, war es ein langer, steiniger Weg.
„Mein Leben hatte ich nur noch über den Alkohol im Griff“, beschreibt die heute 72jährige Hattingerin. „Sobald Probleme auftraten, griff ich zum Glas und fühlte mich besser – glaubte ich. Die Probleme mit meinem Mann, meinen Kindern, meiner Arbeitsstätte schienen nicht mehr so schwer und unlösbar zu sein.“
Heute weiß Hannelore, dass sie damals jenen schmalen Grat überschritten hatte vom normalen zum zwanghaften Trinkenmüssen. Alkoholikerin ist sie auch heute noch. Der entscheidende Unterschied: Hannelore ist „trocken“. Seit mittlerweile gut 30 Jahren, den AA sei Dank!
„Mich faszinierte von Anfang an“, blickt sie zurück, „bei den AA so viele Menschen aller gesellschaftlichen Schichten und jeden Alters zu treffen, die alle dasselbe Problem wie ich hatten. Nur im Gegensatz zu mir hatten sie bereits den großen Schritt nach vorne geschafft und hatten sich vom Alkohol lossagen können.“ Das hat Hannelore inzwischen auch geschafft, weil sie einen der wichtigen Grundgedanken der AA begriffen hatte: „Es gibt zwei Wege im Laufe des Daseins: einen ins Leben, einen auf den Friedhof.“ Sie hat sich für das Leben entschieden und dafür, ihre Erfahrung weiterzugeben. Daher gründete sie mit einigen anderen zusammen vor fast auf den Tag genau 30 Jahren eine AA-Gruppe in Hattingen.
Erste Station war das „alte Gemeindehaus“ an der Bruchstraße, in dem heute Arztpraxen, ein Fitnessstudio und ein Supermarkt unter anderen beheimatet sind. Für den Zulauf zu den ersten „mageren“ Treffen sorgte eine aufgegebene Anzeige im STADTSPIEGEL – wo sonst. Geholfen hätten ihr vor allem auch Werner und seine Frau.
Werner ist ebenfalls Hattinger, heute 76 Jahre alt, zum dritten Mal verheiratet, seit 26 Jahren mit seiner Frau glücklich. Auch sieist alkoholkrank. Seit seinem 14. Lebensjahr hat er getrunken – fast immer bis zum Kontrollverlust, wie er sagt. Seine Sucht führte ihn, den einst gut Situierten, bis in die Obdachlosigkeit. Immer wieder warfen ihn Rückfälle aus der Bahn, aber: „Am 30. Dezember 2011 werden es bei mir genau 33 Jahre, dass mir mein zweites Leben geschenkt wurde.“
Was er und Hannelore an den AA so schätzen? „Hier treffen sich nur Betroffene. Wir reden untereinander über unsere Probleme. Man trifft auf ganz viele andere, die vielleicht sogar noch schlimmere Geschichten als man selbst erlebt haben. Allerdings stehen am Anfang immer der Wunsch nach Veränderung und die Erkenntnis, dass man mit Alkohol nicht zurecht kommt. Und der Rückfall beginnt immer mit dem ersten Glas. Unsere Gemeinschaft ist so etwas wie ein Rettungsboot, in dem Menschen sitzen, die ,trocken‘ sind und für die Menschen rudern, die noch nicht so weit sind.“
Mittlerweile sind es sechs AA-Gruppen mit gut 60 Mitgliedern, die sich regelmäßig in Hattingen treffen. Ein Thema dabei wird dieser Tage das anstehende Weihnachtsfest sein. Denn Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass in der Adventszeit die Rückfallgefahr am höchsten ist. Zu den Gruppen (siehe Info-Kasten) kann jede(r) jederzeit kommen, der mit dem Trinken aufhören und nüchtern bleiben möchte.
Hannelore: „Ich habe wunderbare und liebe Menschen bei den Anonymen Alkoholikern gefunden.“ Und Werner ergänzt: „Ich sogar meine heutige Frau. Ich bin einfach nur dankbar!“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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