Serie Integration: Das Erlernen der Sprache ist von großer Bedeutung

Der 59jährige Mohamed Bourzoufi aus Marokko hat in Hattingen seine Familie gegründet und fühlt sich „wie ein muslimischer Deutscher“.Foto: Kamphorst
  • Der 59jährige Mohamed Bourzoufi aus Marokko hat in Hattingen seine Familie gegründet und fühlt sich „wie ein muslimischer Deutscher“.Foto: Kamphorst
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(von Cay Kamphorst) Gerade einmal 19 Jahre jung war Mohamed Bourzoufi, als er seine Heimat Marokko verließ, um in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.

„Die Herner Firma Heitkamp suchte damals in Marokko nach neuen Arbeitskräften“, erinnert sich der heute 59jährige im Rahmen der STADTSPIEGEL-Serie „Integration in Hattingen: 40 Jahre neue Nachbarn“. „Man holte also uns von dort nach hier.“
Mohamed Bourzoufi wollte in Deutschland studieren. Er unterschrieb einen Arbeitsvertrag, ließ Freunde und Familie zurück in Nordafrika und machte sich auf den Weg in ein neues, anderes Leben. „Für mich war es aber nicht so schwer. Ich ging bereits auf ein Internat und die familiäre Trennung war mir nicht fremd. Das Internat wurde international besucht, so dass ich auch Europäer kannte, die mir von ihrer Heimat erzählten.“
Darum erlebte der damals 19jährige auch keinen „Kulturschock“, als er nach einer zweitägigen Busfahrt erstmals deutschen Boden betrat. Die anstrengende Reise nahm er gar nicht so wahr, denn „die Gefühle von Vorfreude und Aufregung überwogen“. Angst und Sorgen hatte er keine.
„Ich wollte unbedingt in Deutschland studieren, darum bin ich hergekommen. Doch dafür brauchte ich Geld und das gab es nur, wenn ich arbeitete.“ Neben der Arbeit zu studieren, war damals sehr schwer, zumal Mohamed Bourzoufi erst unter Tage als Bergmann arbeitete und 1973 zur Henrichshütte nach Hattingen wechselte. Dort war er als Ofenwärter tätig.
Seitdem lebt er in Hattingen und hat sich hier auch sofort heimisch gefühlt. „Damals wurde noch nicht so zwischen Ausländern und Deutschen unterschieden. Ich hatte Freunde aus allen Ländern. Wir wurden wie selbstverständlich zu den Deutschen nach Hause eingeladen“, weiß Mohamed Bourzoufi über seine durchweg positiven Eindrücke zu berichten.
Auch beruflich konnte er sich etablieren. „Wenn die Deutschen gemerkt haben, dass jemand fähig und willig war, dann wurde er auch gefördert.“ Deutsch habe der gebürtige Marokkaner schnell gelernt, indem er immer wieder gesprochen habe, ohne Scheu und Angst vor Fehlern: „Ich hatte überhaupt keine Probleme, mich zu integrieren. Von Anfang an habe ich mich hier zu Hause und als Deutscher gefühlt. Als Moslem esse ich zwar kein Schweinefleisch, aber es gab genug Alternativen wie Fisch oder Hühnchen. Wenn ich bei Deutschen zu Besuch war, dann wurden auch extra schweinfreie Gerichte aufgetischt.“
In seinem Heimatort lebten viele Europäer. Darum gab es dort europäische Läden, wo man Schweinefleisch kaufen konnte. So lernte der Marokkaner auch optisch unterscheiden zu können.
„Ich hatte noch nie Probleme mit deutschen Mitbürgern. Es ist eine gewisse Toleranz da. An diesem Land schätze ich sehr die Religionsfreiheit und die Demokratie. Das gibt es längst nicht überall.“ Mittlerweile habe er neben der marokkanischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und er fühle sich „wie ein muslimischer Deutscher“, gibt er zwinkernd an.
„Ich bin glücklich darüber, nach Deutschland gekommen zu sein. Es ist gut, andere Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Das dient der besseren Völkerverständigung“, stellt der 59jährige Frührentner fest. „Für mich ist das ein geistiger Reichtum von unschätzbarem Wert und fördert das Verständnis für andere Menschen und ihre Kulturen.“
Mohamed Bourzoufi fährt jedes Jahr nach Marokko in den Urlaub. Auch seine Frau hat er dort kennengelernt und sie ist ihm nach Deutschland gefolgt. „Sie war erst 17 Jahre alt und anfangs war es schwer. Während der Zeit der Entwurzelung und neuen Verwurzelung erlebt jeder Ausländer eine Phase der Depression. Das geht vorbei und ist völlig normal.“ Deutsch habe seine Frau von ihm gelernt.
Inzwischen haben sie vier Kinder, drei von ihnen studieren. Die Kinder sind mehrsprachig aufgewachsen. „Sie können Deutsch, Arabisch, Französisch und Englisch. Bei allen Diskussionen sollte doch mal darüber nachgedacht werden, was für ein Potential in Migrantenkindern steckt! Nicht nur, dass sie mindestens zweisprachig aufwachsen, sondern sie kennen unterschiedliche Menschen und ihre Hintergründe. So können sie wunderbar vermitteln – beispielsweise zwischen der arabischen und der europäischen Welt.“
Natürlich gebe es auch Migrantenkinder, die sich nicht wohlfühlen und negative Erfahrungen in der Schule gemacht haben. Doch das liege vielfach am Elternhaus: „Wenn Kinder nach Hause kommen und von schlechten Erlebnissen erzählen, sollten die Eltern mit ihnen darüber reden, ihnen Toleranz und die Unterschiede der Kulturen nahe bringen. Wenn solche Dinge nicht angesprochen werden, dann haben Kinder von zu Hause aus schon Vorurteile und geben sich gegenseitig keine Chance. Das betrifft deutsche wie ausländische Familien.“
Es ist Mohamed Bourzoufi ein Bedürfnis den Menschen mitzuteilen, wie wichtig gegenseitige Toleranz und Verständnis sind. Deutsche und Migranten sollen miteinander einen Dialog führen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Durch falsche Vorurteile bilden sich Mauern. „Dabei können doch alle voneinander lernen und nur profitieren“, glaubt er. Man bedenke nur mal die unterschiedliche Küche...
„Menschen sollten vorurteilsfrei aufeinander zugehen. Es ist wichtig, dass es eine Entwicklung des gemeinsamen Lernens gibt – in kultureller und religiöser Hinsicht. Das dient dem allgemeinen Verständnis füreinander und der globalen Völkerverständigung.“
Als Sprach- und Kulturmittler in Hattingen steht er arabisch sprechenden Menschen zur Seite. Mohamed Bourzoufi hilft ihnen bei Sprachbarrieren in Ämtern oder Schulen und hat es sich zum Ziel gesetzt, Migranten nahe zu bringen, von welch existenzieller Wichtigkeit das Erlernen der Landessprache ist. „So können sie einfacher Arbeit finden, was der Chancengleichheit dient. Sie können am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben und sich einbringen.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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