Kredite: "Mit Steuergeldern zockt man nicht"
Vor der Finanzkrise 2008/09 waren der Schweizer Franken stark und die Zinsen niedrig. Der Wechselkurs lag bei 1,60 CHF/Euro und Schweizer Kredite waren zwei Prozentpunkte günstiger als deutsche. Die Städte mussten und wollten sparen und nahmen Kredite in Schweizer Franken auf. Übrigens etwas, was die Gemeindeprüfungsanstalt bereits 2005 durchaus als empfehlenswert ansah.
Jetzt hingegen stellt sich die Situation völlig anders dar. Für einen Euro bekommt man wesentlich weniger Schweizer Franken und der Zinsvorteil ist längst weg. Und Hattingen steckt neben Bottrop, Gelsenkirchen, Gladbeck, Essen und Bochum in der Klemme. Müssten sie jetzt ihre Kredite ablösen, hätten alle finanzielle Verluste – Essen allein schiebt Schulden in Höhe von 450 Millionen Schweizer Franken vor sich her.
Da bleibt nur, auf Zeit zu hoffen und auf die Gunst der Stunde. Was jetzt nachteilig ist, kann sich ja auch wieder zum Positiven verändern.
Diese Hoffnung hat auch Hattingens Kämmerer Dr. Frank Burbulla. „Hattingen hat insgesamt rund 200 Millionen Kredite, darunter 120 Millionen Kassenkredite, aber nur ein Teil davon, rund 53 Millionen, sind Verbindlichkeiten in Schweizer Franken.“
53 Millionen Kredite in Schweizer Franken
Damals, 2005, so Burbulla, habe die Gemeindeprüfungsanstalt auch Hattingen empfohlen, Kredite in Schweizer Franken aufzunehmen. „Wir waren damals schon vorsichtig und haben dies nicht für alle Verbindlichkeiten in Anspruch genommen. Der Rest unserer Kredite läuft in Euro. Die Gemeindeprüfungsanstalt hätte alle Kredite in Schweizer Franken empfohlen. Diese Empfehlung gibt es sogar schriftlich.“
Wenn aber die Buchverluste in reale Verluste umschlagen,dann nämlich, wenn die Stadt die Kredite tilgen müsste, dann stünde am Ende auch Hattingen unter Umständen mit höheren Schulden da. „Doch so weit ist es noch nicht. Zum einen könnten wir zunächst unsere Euro-Kredite tilgen, zum anderen haben die Kredite mit den Schweizer Franken unterschiedliche Laufzeiten und wenn diese Zeiten enden, steht die Frage, ob wir prolongieren, also verlängern, im Raume. Je nach Wechselkurs könnten wir dann auf Euro umschichten. Für die Zukunft ist die Grundsatzentscheidung, keine weiteren Kredite in Fremdwährung aufzunehmen, sowieso schon längst gefallen.“
„Die Freigabe des Euro-Wechselkurses durch die Schweiz stellt einen neuen Schock für die Haushalte der ohnehin finanziell fast handlungsunfähigen Kommunen dar“, so Friedhelm Knippel, Vorsitzender der Linken-Fraktion in Hattingen. „Wir haben in den Beratungen über die Kreditverlängerungen gefordert, dies nicht zu tun und stattdessen auf Euro umzustellen. Hätten wir das gemacht, hätten wir keinen Verlust von Millionen Steuergeldern zu verkraften.“
Vor wenigen Wochen noch hätten alle anderen Fraktionen mit angeblichem Zähneknirschen dem Haushalt und der Mehrbelastung der Bürger zugestimmt. „Noch einmal würden sie einem solchen Haushalt nicht zustimmen, verlautbarten einige Fraktionen. Einzig die Linksfraktion lehnte ihn ab.
Doch bereits nach wenigen Tagen in diesem Jahr zeichnet sich ab, dass durch dieses unverantwortliche Gezocke mit Steuergeldern das finanzielle Loch im Haushalt, beziehungsweise der Druck zu unverantwortlichen Kürzungen, weiter vergrößert wird. Vermutlich wird es Ende dieses Jahres wieder heißen, man müsse nun noch einmal mehr den Bürgern in die Tasche greifen“, befürchtet Knippel. „Mit Steuergeldern zockt man nicht! Das sollten sich Verwaltung und die anderen Fraktionen nun endlich hinter die Ohren schreiben.“
Für den Kämmerer steht indes die Frage nach einer Entschuldung der Kommunen im Raum. Die Pflichtaufgaben von Bund und Land seien und blieben erdrückend und ließen keinen Spielraum, so der Kämmerer. Er sieht kaum eine Chance für die tiefverschuldeten Städte sich aus eigener Kraft zu entschulden und alle Kredite selbst zu tilgen. Hier seien Land und Bund gefragt, neue Wege und Denkmodelle zu finden.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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