Interview mit Bürgermeisterin Goch über Hattingen, die Bürgerstadt

Bürgermeisterin Dr. Dagmar Goch hat in ihrem Arbeitszimmer einen Plan des Gewerbe- und Landschaftsparks Henrichshütte hängen. Hier sind bis auf neun Hektar alle Flächen vermarktet, weitere könnten sich auf dem ehemaligen Opel-Gelände finden lassen.  Foto: Römer
  • Bürgermeisterin Dr. Dagmar Goch hat in ihrem Arbeitszimmer einen Plan des Gewerbe- und Landschaftsparks Henrichshütte hängen. Hier sind bis auf neun Hektar alle Flächen vermarktet, weitere könnten sich auf dem ehemaligen Opel-Gelände finden lassen. Foto: Römer
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„Schlag auf Schlag“ ging es zu, als sich STADTSPIEGEL-Redakteur Roland Römer zum Interview mit Bürgermeisterin Dr. Dagmar Goch in ihrem Amtszimmer im Hattinger Rathaus traf.

Natürlich wurden die gegenseitigen „Schläge“ nur im übertragenen Sinne ausgeteilt. Dafür sorgte nicht nur die entspannte Stimmung beim Gespräch, sondern auch die Anwesenheit von Pressesprecherin Susanne Wegemann.
Hier die Schlagworte der Redaktion und die Antworten der Bürgermeisterin darauf:

Wegfall einer weiteren Beigeordnetenstelle

„Ich war bei der letzten Ratssitzung in 2013 ehrlich etwas überrascht, dass SPD, CDU und FDP diesen Antrag jetzt gestellt haben. Mich störte besonders das Hauruckverfahren. Es ist zunächst nur eine Absichtserklärung des Rates. Ob eine Stadt unserer Größenordnung das verkraften kann, muss noch gemeinsam abgewogen werden. Denn wir haben genügend Handlungsfelder zu bearbeiten.“

Stellenabbau bei der Stadtverwaltung

„Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) hat uns einen Einsparvorschlag mit 155 Stellen unterbreitet. Wir haben mit der Kommunalaufsicht abgestimmt, dass für unseren Sanierungsplan 100 Stellen ausreichen. 46 davon sind bereits weggefallen.
Für uns war immer klar, dass der Stellenabbau durch natürliche Fluktuation und nicht durch Kündigungen gedeckt sein muss. Nach eineinhalb Jahren Vorbereitung und Detailplanung hat der Rat im Dezember ein entsprechendes Konzept beschlossen. Damit haben wir an einigen Stellen die Grenzen des Verantwortbaren erreicht, da man Arbeit nicht unbegrenzt verdichten kann.
Natürlich wird sich der Stellenabbau auf den Service für die Hattinger auswirken. Schon jetzt meinen ja die Bürger, wir müssten mehr in der Stadt etwa durch den Ordnungsdienst präsent sein, uns mehr um Schlaglöcher kümmern. Die Bürger müssen künftig damit rechnen, dass Leistungen nicht mehr so schnell und in dem Umfang erbracht werden können, wie bisher.“

Opel-Gelände Bochum

„Die gesunde Grundlage für eine Stadt ist ihre funktionierende Wirtschaft. Das sieht bei uns im Vergleich mit anderen noch sehr gut aus. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent, während der Durchschnitt im Ruhrgebiet bei knapp über elf Prozent liegt. Nach der Schließung der Henrichshütte Ende der 80er Jahre hätte das niemand erwartet.
Wir konnten auf dem ehemaligen Hüttengelände viele Unternehmen neu ansiedeln, so dass wir dort nur noch neun Hektar durch den großen Flächenverbrauch zur Verfügung haben. Auf lange Sicht gesehen fehlen uns 25 bis 29 Hektar Gewerbefläche.
Natürlich sagen viele, dass in den leerstehenden privaten Gewerbeimmobilien, wie zum Beispiel von O&K, noch Potenzial steckt. Als Stadt versuchen wir gemeinsam mit den Eigentümern die Flächen zu vermarkten. Aber das ist schwierig.
Im Ludwigstal wurden durch einen Beschluss im Rahmen der Stadtentwicklungsplanung Gewerbeflächen zurückgenommen, um den Interessen der Anwohner entgegenzukommen.
Auf dem Opel-Gelände in Bochum, da könnten wir unsere dringend benötigte Gewerbefläche interkommunal entwickeln. Es liegt ja direkt vor unserer Tür. Interesse zeigen daran neben uns und Witten unter anderem auch die Stadt Dortmund und der Ennepe-Ruhr-Kreis.
Hier könnten wir gemeinsam investieren und die Fläche entwickeln, was sich positiv auf unser Gewerbesteueraufkommen auswirken würde.
Wie hoch der Investitionsrahmen allerdings für Hattingen sein würde, das steht noch genauso in den Sternen wie die Größe der Fläche, die neben der verbleibenden Nutzung durch Opel zur Verfügung steht.“

Stadtentwicklung

„Nach wie vor haben wir in Hattingen den Anspruch, eine grüne Stadt zu bleiben. Damit fahren wir offensichtlich gut, denn erfreulicherweise ist unsere Einwohnerzahl noch einmal gestiegen auf 55.948 Ende letzten Jahres.
Dazu hat sicherlich auch die Hattinger Wohnstättengenossenschaft (HWG) beigetragen mit ihren umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen in der Südstadt.
Außerdem wurden Neubauflächen in Holthausen, Winz-Baak und Niederwenigern geschaffen. So konnten wir als Stadt Hattingen mit unserem Image und der Lebensqualität hier die Zuzüge und Wegzüge positiv beeinflussen.
Und jetzt in 2014 gehen wir Welper an. Hier müssen wir unbedingt etwas tun. Wir wollen die Thingstraße neu gestalten, auch den Diepenbeck-Park und es stehen Entscheidungen an für die Erik-Nölting-Schule und das Amtshaus, in dem ja bis vor einigen Monaten noch das Stadtarchiv untergebracht war.
Erfreulich ist für die gesamte Innenstadt, dass Kaufland an der Großen Weilstraße so gut angelaufen ist. Auch das Unternehmen hat uns mitgeteilt, dass es mit dem Standort und den Rahmenbedingungen hier in Hattingen sehr zufrieden ist.“

Bürgerhaus Holschentor

„In Hattingen setzen sich sehr viele Menschen mit bürgerschaftlichem Engagement ein. Ich finde, da muss man als ,Bürgerstadt‘ auch für eine entsprechende Infrastruktur sorgen – also einen Treffpunkt schaffen, an dem die Initiativen auch ihre Büros einrichten können.
Das soll am Holschentor in der ehemaligen St.-Georg-Schule sein, die sich alle Interessenten aber auch selbst für ihren Zweck herrichten müssen. Vorgestellt habe ich mir, dass Andreas Gehrke von der Freiwilligenagentur dort den Anstoß gibt und dann untereinander ein reger Austausch entsteht. Wir haben genug Vereine in Hattingen die das Haus mit Leben füllen können.
Dass ,Kick‘, die Hattinger im Unruhestand, sich in der Augustastraße gut untergebracht fühlt, das kann ich sehr gut verstehen. Aber wir als Stadtverwaltung wollen die leer gefallenen Räumlichkeiten verkaufen oder anders nutzen. Auch die Räume in der Augustastraße kosten Miete.
Dabei ist es doch ein Fakt, dass viele Initiativen von älteren Menschen getragen werden, die ja auch Kick-Besucher sein könnten. Das am Holschentor könnte also für wirklich alle fruchtbar werden, wo doch die freiwillige Arbeit im Mittelpunkt steht.
Hier soll also kein soziokulturelles Zentrum entstehen, wie es ganz früher einmal thematisiert wurde. Das heißt natürlich nicht, dass dort nicht auch Kultur stattfinden kann.
Das schmucke Backsteingebäude am Holschentor selbst ist eine Landmarke für Hattingen an hervorgehobener Stelle und mit dem schönen Hillschen Garten dahinter. Natürlich täte ein Verkauf unserem Etat sicher gut, aber andererseits bietet es Hattingen eine Chance für Neues – vor allem mit dem ausgewiesenen Neubaugebiet Pottacker fast im Anschluss, das ein Vorzeigeprojekt im ökologischen Bauen mit beispielsweise Mehrgenerationenhäusern werden soll.“

Stadttore

„Ich halte es nach wie vor für eine tolle Idee, die alten Stadttore durch etwas Modernes in Hattingen darzustellen. Nicht alle Hattinger und nicht alle Besucher sind ausschließlich an altem Fachwerk interessiert. Früher war auch einmal Fachwerk modern, aber jede Zeit hat ihren eigenen Kunst-und Baustil.
Durch die Stadttore erreichen wir, dass die Altstadt sichtbar wird, und gleichzeitig stellen wir uns als zeitgemäße Stadt vor.
Mit dem letzten und fünften Stadttor, das von der Sparkasse finanziert wird, möchten wir jetzt zu Ende bringen, was schon vor meiner Amtszeit beschlossen worden war. Nur ist der momentan vorliegende Entwurf viel zu groß für den kleinen Platz im Kreuzungsbereich von Großer und Kleiner Weilstraße. Das passt dort auch nicht mit den Versorgungsleitungen.
Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, Kunst muss aufregen, sonst ist sie langweilig. Damit ist eine Auseinandersetzung darüber normal.“

Marie-Curie-Realschule

„Wenn die Schule zum 31. Juli 2016 ausläuft, gibt es in unserer Stadt für die weitere Nutzung der Räumlichkeiten Modelle ohne Ende. Damit werden wir uns beschäftigen.
So könnten beispielsweise andere Schulen dort untergebracht werden, dort könnte ein Inklusionsstandort sein, es könnte ein kompletter Schultausch erfolgen. Wir werden öffentlich darüber diskutieren, wenn konkrete Planungen vorgelegt werden können.“

Vorzeitige Neuwahl des Bürgermeisters

„Schon früh habe ich gesagt, dass ich mich nicht mehr zur Wahl stelle, obwohl es durchaus möglich wäre. Ich bin für sechs Jahre gewählt worden und diese werde ich für die Stadt arbeiten. In 2015 wird der Landrat gewählt und eben auch gleichzeitig die neue Bürgermeisterin für Hattingen.
Eine Wahl grundsätzlich unter finanziellen Aspekten zu sehen, halte ich für falsch. Dennoch sollte man wissen, dass bei einer Landratswahl in 2015 kaum Kosten für eine zusätzliche Bürgermeisterwahl anfallen.
Würde der Bürgermeisterposten in 2014 neu besetzt werden, müsste das Gehalt für den neuen Bürgermeister und die Pension für die Bürgermeisterin im Ruhestand ein Jahr früher gezahlt werden.
Ich war allerdings immer dafür und halte es für richtig, wegen der höheren Wahlbeteiligung die Bürgermeister- und Kommunalwahl zusammenzulegen.Das geschieht entsprechend der neuen gesetzlichen Regelung ab 2020.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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