Hattinger Tafel: Im Herbst ist Schluss

Vorsitzende Anja Werning
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Sie haben alles versucht. Viele Gespräche hat es gegeben, mit (möglichen) Sponsoren, mit Verwaltung und Parteien. 2010 wurde ein Förderverein gegründet, der längst nicht mehr aktiv ist. Alle Versuche waren umsonst: Die Hattinger Tafel macht im Herbst Schluss. Es ist kein Geld mehr da.

„Wir dürfen als gemeinnütziger Verein kein Vermögen haben, keine Reserven bilden. Jahrelang hat das mehr schlecht als recht funktioniert. Nun aber geht es nicht mehr. Unser finanziertes Fahrzeug, mit dem wir die Lebensmittel abholen und teilweise auch verteilen, musste zigmal in die Werkstatt. Die Reparaturkosten waren hoch. Unsere Betriebskosten mit Miete und Strom sind hoch. Wir können das einfach nicht mehr stemmen“, erzählt Jürgen Sotzek.
Er ist Geschäftsführer der Hattinger Tafel und der einzige, der für seine Tätigkeit Geld bekommt. Er ist täglich vor Ort, koordiniert die rund zwanzig ehrenamtlichen Mitarbeiter, koordiniert die Lebensmittelabstimmungen und die Vergabe an den Ausgabestellen in der Nordstraße, in Heilig Geist, Welper und in Sprockhövel. Außerdem kooperiert die Tafel mit Sozialstationen, deren Klienten die Lebensmittel aufgrund der Gesundheit nicht selbst abholen können und bringt auch Einzelpersonen aus gleichen Gründen die Lebensmittel nach Hause. Im Angebot ist auch ein gesundes Frühstück für einen Kindergarten, damit die Kleinen von Anfang an auch etwas über Ernährung lernen.
„Es muss einen geben, der täglich hier seine bezahlte Arbeit leistet. Sonst funktioniert das ganze Gefüge nicht“, so Sotzek. Unterstützung bekommt er dabei von der Vorsitzenden Anja Werning. „Ehrenamtliche Arbeit ist in der Regel Stundenarbeit. Das, was Jürgen macht, ist weitaus mehr und für das Funktionieren der Tafel absolut notwendig.“
Doch das allein reicht nicht, wenn das Geld fehlt. Zweimal wurde außerdem in das kleine Büro der Hattinger Tafel sogar eingebrochen – Täter unbekannt.
„Es gibt genug Menschen, die unsere Hilfe brauchen und Lebensmittel haben wir in der Regel auch immer ausreichend bekommen. Aber wir müssen ja die Betriebskosten finanzieren. Wir müssen Miete zahlen, Strom, das Auto und das Benzin und viele weitere Kleinigkeiten. Das ist nicht mehr machbar“, so Sotzek. Rund 600 bis 800 Lebensmitteleinheiten gibt die Tafel pro Monat aus. Dazu kommen die Kooperationen mit Sozialdiensten und Kindergärten. „Gerade in den letzten Wochen sind immer mehr Menschen mit einem Zettel von der Stadt zu uns kommen. Da ist unsere Anschrift drauf, unser Logo. Es sind Flüchtlinge, die aus aller Herren Länder kommen und oft können wir uns mit ihnen noch nicht einmal verständigen, weil sie kein Englisch sprechen. Wir übernehmen die Aufgaben der Stadt, diese Menschen zu versorgen, aber wir bekommen selbst dafür nichts“, bilanziert Jürgen Sotzek.
Zwar habe es viele Gespräche gegeben und immer wieder habe man die Wichtigkeit der Hattinger Tafel betont und die Unterstützung angeboten, aber konkret passiert sei nichts. So steht im Kommunalwahlprogramm der SPD beispielsweise: „Wir wollen daher Institutionen wie das Café Sprungbrett, die Hattinger Tafel, zahlreiche Selbsthilfeorganisationen sowie die Selbsthilfekonferenz in unserer Stadt weiter stärken, die vorhandenen Hilfsangebote bündeln und Fachkompetenzen fördern.“
„Schöne Worte. Aber das einzige, was den Fortbestand der Hattinger Tafel ermöglichen würde, ist eine finanzielle Hilfe“, so Sotzek.
Übrigens ist die Schließung einer Tafel aus finanziellen Gründen schon passiert: Im Sommer 2013 schloss die Tafel in Uslar im Weserbergland in Niedersachsen ihre Pforten. Diese Tafel wurde 2008 gegründet, hatte ebenfalls eine Kindertafel, die, genau wie in Hattingen, den Betrieb schon früher eingestellt hatte. Wie in Hattingen auch, musste man als Tafel Gelder für Miete, Strom und ein Fahrzeug aufbringen und wie hier verhallten auch dort die Hilferufe ungehört. Doch in Uslar geschah ein kleines Wunder: In 2014 konnte die Tafel wieder eröffnet werden Sogar der Bürgermeister der Stadt hatte sich schließlich eingeschaltet und Gespräche mit den Dachverbänden der Tafel auf Landes- und Bundesebene geführt. Dort hatte zuvor die Tafel selbst an die Türen geklopft, war aber aufgrund eines mangelnden Zukunftskonzeptes gescheitert. „Natürlich haben wir auch die Dachverbände der Tafel kontaktiert. Leider ohne Ergebnis“, sagt Jürgen Sotzek. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Vielleicht gibt es ja auch ein Hattinger Wunder. Gespräche mit den Bürgermeisterkandidaten Dirk Glaser und Manfred Lehmann laufen...
Spk Hattingen, BLZ 30020900, Ko.-Nr. 75127.

Vorsitzende Anja Werning
Geschäftsführer Jürgen Sotzek
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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