Hattingen: Noch mehr Hilfe für noch mehr Menschen in Not
Die nüchternen Zahlen, hinter denen sich jeweils Schicksale ganzer Familien verbergen, sprechen für sich: Im August suchten 50 Flüchtlinge Schutz und Hilfe in Hattingen, im September schon 90, im Oktober waren es 150 und bis zum Stichtag letzten Donnerstag wurden unserer Stadt bereits 129 Hilfe suchende Menschen zugewiesen.
Diese Zahlen nannte am Donnerstag im Rathaus Sozialdezernentin Beate Schiffer: „Es sind Menschen in Not, die zu uns kommen. Aber dennoch haben wir kaum noch Kapazitäten. Wir müssen inzwischen sogar mehrere Personen in kleineren Räumen gemeinsam unterbringen.“
Daher sieht die Stadt nur noch den Ausweg, weitere Turnhallen zur Aufnahme von Flüchtlingen vorzuhalten. Bürgermeister Dirk Glaser: „Die Turnhalle an der Bismarckstraße war für diesen Zweck schon früher vorgesehen als die an der Talstraße. Dort hat ja das Land eine Notunterkunft eingerichtet. Weiterhin brauchen wir die Turnhallen am Rüggenweg, in Bredenscheid und an der Marxstraße. Die Betreuung und Versorgung soll auch dort jeweils durch den Arbeiter-Samariter-Bund ASB erfolgen.“
Inzwischen wurden die betroffenen Sportvereine informiert, denn der Sport in Hattingen solle nicht brachliegen, so Dirk Glaser. Jedoch müsse man abwägen. Unter welchen Bedingen die Flüchtlinge zu uns kämen, sei für ihn nach Gesprächen mit ihnen erschreckend, da müsse man einfach helfen
„Die Situation ist für uns nicht einfach, aber nicht panisch. Allerdings läuten so allmählich die Alarmglocken“, meint der Bürgermeister. „Daher haben wir ein dringendes Schreiben an Regierungspräsidentin Diana Ewert geschickt. Darin teilen wir ihr unsere massiven Schwierigkeiten vor Ort mit, die auch andere Gemeinden mit uns teilen. Denn wir wissen nicht, wie viele Menschen noch nach Hattingen kommen werden, die wir menschenwürdig unterbringen müssen. Alle in dieser Stadt tun alles, um das Bestmögliche zu erreichen – sowohl die städtischen Mitarbeiter als auch die vielen im Ehrenamt. Wir haben eine hohe Willkommenskultur in Hattingen. Und wir müssen weiterhin unsere Solidarität zeigen, auch wenn auf den Einzelnen mehr Belastung zukommt. Denn nach wie vor haben wir es mit Menschen in Not zu tun, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.“
Wir haben eine hohe Willkommenskultur in Hattingen
Beate Schiffer ergänzt: „Wir dachten noch mit den Containern an der Werksstraße gut aufgestellt zu sein. Vorgesehen waren sie für 80 Menschen, mittlerweile sind 140 dort untergebracht – teilweise in Doppelstockbetten. Der rasante Anstieg an Flüchtlingen ist für uns nicht mehr planbar. Wir haben höchstens eine Woche Vorlauf. Rund 60 Wohnungen haben wir angemietet, wobei kleinere für uns interessanter sind. Es hat sich in größeren Wohnungen gezeigt, dass Wohngemeinschaften problematisch sind. Aber glücklicherweise bekommen wir hauptsächlich Familien zugewiesen. Das macht es etwas einfacher für uns.“
Vorhandene Leerstände in der Stadt wie die ehemalige Stadtbücherei oder die Musikschule zu nutzen scheitert ihrer Meinung nach an zu hohen Umbaukosten. In Turnhallen sei die Infrastruktur schon vorhanden – ideal.
Dirk Glaser: „Unsere Stadt hat 21 Turnhallen. Vier große davon benötigen wir jetzt als Dach über den Kopf für Flüchtlinge. Jeder ist willkommen, der uns mit anderen Vorschlägen helfen kann. Außerdem ist die Turnhallen-Nutzung ja nur unser Plan B. Wir hoffen auf den Erfolg unseres Schreibens an die Bezirksregierung.“
Und er erinnert: „Wir reden hier nicht über den Weltuntergang. Im Vergleich zu unseren 56.000 Hattingern nehmen wir nur einen vergleichsweise ganz kleinen Prozentsatz an Menschen auf. Schon während der Jugoslawienkriege in den 90er Jahren haben wir in Hattingen 2.900 Flüchtlinge von dort untergebracht. Die sind inzwischen Hattinger geworden und voll integriert.“
Sollten die Plätze nicht ausreichen, denkt die Stadt über weitere Container-Standorte im Henrichspark nach. Doch das sei eine politische Entscheidung. Und Hattingen möchte Landeszentralstelle werden. Dann wäre der Zustrom besser planbar, denn die Menschen stellen hier ihren Asylantrag und werden danach üblicherweise zwischen vier und sechs Wochen später in andere Städte weitergeleitet. Angedacht ist dafür das ehemalige Verwaltungsgebäude von O&K an der Nierenhofer Straße. Bis allerdings eine Entscheidung fällt, kann noch viel Wasser die Ruhr hinunter fließen.
Laut augenblicklichem Stadt der Dinge, ergänzt Beate Schiffer, „müssen wir die Turnhalle Talstraße nur bis Ende Februar 2016 für Flüchtlinge vorhalten, sagt das Land. Momentan planen wir, dass sie ab dann wieder dem Sport zur Verfügung steht. Das kann sich aber jederzeit wieder ändern.“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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