Neue Marketingkampagne, Digitalisierung und nette Samstage im August
Hattingen macht es sich nett

Hattingen ist einfach nett. Foto: Pielorz

In Hattingen leiden wie in anderen Städten Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel unter der Corona-Pandemie und ihren Folgen. Auch wenn es derzeit vorsichtige Lockerungen gibt, wird es wohl noch lange dauern, bis die gefühlte Normalität wieder Einzug hält. Die Politik hat Hattingen Marketing die Aufgabe gegeben, kurzfristige Ideen zu entwickeln, um den betroffenen Branchen eine Perspektive und Hilfe zu geben. Neben der Digitalisierung, beispielweise über einen Online-Marktplatz und die bald an den Start gehende „Hattingen Card“ wurden auch Finanzmittel bereitgestellt, um eine neue Marketingkampagne zu entwickeln. Das Geld – eine Anschubfinanzierung von 30.000 Euro – kommt aus nicht genutzten Geldern vom ausgefallenen Hattinger Altstadtfest 2020. Jetzt wurde die Kampagne im Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Tourismus vorgestellt.
Für die Kampagne wurde der Hattinger Uli Wilkes, Ideengeber der Blankensteiner "Kleinen Affäre", mit seinem Kölner Unternehmen pro.in space ins Boot geholt. Das Unternehmen, in dem übrigens auch seinerzeit die Firma von Alfred Biolek integriert wurde, ist eine digitale Kreativ- und Onlineagentur. Das Unternehmen ist der Frage nachgegangen, wie man Besucher nach Hattingen holen kann und wie man Einheimische für die Vorzüge ihrer Stadt sensibilisieren kann. Uli Wilkes präsentierte im Ausschuss die entwickelte Kampagne. „Die Zielgruppe sind Einwohner, Bewohner aus den umliegenden Städten und Touristen. Neben dem Fachwerk sind Gemütlichkeit und Gemeinsamkeit, das Zeit haben, entscheidende Etiketten. Aber diese positiven Elemente dürfen nicht ins Negative übersetzt werden – etwa mit Vergangenheit, Langsamkeit oder einfach nur Langeweile. Daher haben wir eine Kampagne erdacht, die mit einem Wort arbeitet, welches für viele von uns zunächst gemischte oder gar negative Assoziationen hervorruft – das Wort ,nett‘. Ich weiß, vielen Menschen kommt sofort der Satz ,Nett ist die kleine Schwester von sch…‘ in den Sinn, doch genau das wollen wir ändern. Denn eigentlich ist der Begriff etwas Positives.“
Es sich nett machen… darum geht es. Gemeinsam aktiv für alle eine Wohlfühlatmosphäre schaffen – das ist die Übersetzung von „Wir machen es uns nett.“ Doch den Worten müssen Taten folgen, die Kampagne muss mit Inhalten gefüllt werden. Auch da präsentiert Uli Wilkes erste Ideen. „Zunächst einmal werden wir die sozialen Medien mit Fotos und Texten bespielen, in denen wir zeigen, was alles in Hattingen bereits ,nett‘ ist. Das können Orte oder Menschen sein, egal. Dann werden wir eine Wanderbaumallee mit zehn bis 12 Bäumen ins Leben rufen. Optisch sind es Bäume auf einem Handkarren mit einer Bank drumherum. Rechtlich betrachtet dürfen diese Bäume jeweils drei Wochen an einem Standort stehen. Die Handkarren baut die Hattinger Ideenschmiede zum Materialkostenpreis und für das Material werden Sponsoren gesucht. Menschen, Bürger dieser Stadt, werden die Handkarren dann in Aktionen jeweils an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet aufstellen. Gerne in der Nähe von Gastronomie und Handel, damit sich Menschen auf die Bänke setzen können, im Freien Gemeinschaft genießen und vielleicht etwas trinken oder essen können. Oder einfach nur so zum Reden.“ Ein Stück Vergangenheit im liebevollen Sinn spricht auch aus dem Vorschlag von Uli Wilkes, vielleicht auch einen kleinen „Affenfelsen“ entstehen zu lassen – welcher Hattinger (und Sprockhöveler) erinnert sich nicht an das Gebilde an der heutigen Stelle des Treidelbrunnens, DER Treffpunkt vor allem für junge Menschen damals in Hattingen. Wilkes macht allerdings keinen Hehl daraus, dass die Kampagne nur Fahrt aufnehmen kann, wenn die Bürger, der Handel, die Gastronomie und Hotellerie – eben alle – zum Mitmachen bereit sind.

Übernachtungen und Stadtführungen eingebrochen

Drittens wurde Kontakt aufgenommen mit der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), die zum ersten Mal gemeinsam mit der Stadt Hattingen eine Wortpatenschaft für das Wort „nett“ übernehmen könnte. Ähnlich wie Städtepartnerschaften soll dies auch auf Schildern dokumentiert werden. Und schließlich soll es im August vier nette Samstage in Hattingen geben. Dazu Marketingchef Georg Hartmann: „Wir werden auch in diesem Jahr unser beliebtes Altstadtfest nicht in gewohnter Weise feiern können. Aber wir wollen an vier Samstagen im August mit mobilen Bühnen an verschiedenen Standorten mit jeweils zwei Bands eine Live-Atmosphäre in der Hattinger Innenstadt schaffen. Hier unterstützt uns die Sparkasse Hattingen und wir hoffen alle, dass die Entwicklung der Pandemie das zulassen wird.“ Überhaupt, so Hartmann, habe man auch bei Hattingen Marketing seit Beginn der Pandemie mit wegbrechenden Einnahmen zu kämpfen. „Die Übernachtungen im letzten Jahr sind um 39 Prozent eingebrochen und lagen bei 137.869 Übernachtungen. Unsere Stadtführungen und damit eine wichtige Säule der Einnahmen sind von 6632 im Jahr 2019 auf nur 966 Personen in 101 Gruppen in 2020 zurückgegangen. Unsere Tourismus Info am Haldenplatz war und ist über einen langen Zeitraum geschlossen. Eine Mitarbeiterin war lange in Kurzarbeit. Hinter den Kulissen arbeiten wir aber natürlich weiter. So haben wir die Digitalisierung vorangetrieben und mit Online-Marktplatz und Hattingen Card Produkte geschaffen, die kontaktlos Hattinger Erleben möglich machen. Es gibt mit Lars Friedrich Online-Stadtführungen und wir wollen den Altstadtrundgang mit QR-Codes ausstatten, die den Gästen weitere Informationen bieten. Selbstverständlich haben wir den Trend aufgegriffen, mit dem Rad oder dem Wanderschuh in der Natur unterwegs zu sein und neue Broschüren mit Tipps erstellt. Telefonisch sind wir ja erreichbar und versenden können wir das Material wohin es gewünscht wird. Aber wir hoffen natürlich alle, auch bald wieder persönlich für Touristen da sein zu können, wenn sie unser schönes Hattingen wieder besuchen dürfen.“
Festgehalten wird auch an der Planung vom Herbstmarkt Ende September und dem Weihnachtsmarkt. „Gespräche mit Alfred Schulte-Stade zum Thema Weihnachtsmarkt laufen. Wir kennen noch nicht die Bedingungen, unter denen der Markt stattfinden wird. Aber er wird kommen“, zeigt sich Georg Hartmann optimistisch. Dann werden viele Menschen wiedererleben dürfen: Hattingen ist einfach nett.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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