Erinnerungen an und mit Thomas Röthig, der anno 1999 Bürgermeister werden wollte
Hattingen: Der erste parteilose Kandidat

Bürgermeisterkandidat Thomas Röthig anno 1999 beim Stimmenfang auf der Heggerstraße. Foto: privat
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  • Bürgermeisterkandidat Thomas Röthig anno 1999 beim Stimmenfang auf der Heggerstraße. Foto: privat
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Dieser Tage - genau am 12. September 2019 - jährte sich zum 20. Mal die erste Wahl zum Hauptamtlichen Bürgermeister mit gleichzeitiger Abschaffung der Doppelspitze nach der NRW-Wahlrechtsreform des Jahres 1994 in Hattingen und ganz Nordrhein-Westfalen.

Ein Blick zurück: Bis 1994 herrschte in allen NRW-Kommunen eine Doppelspitze bestehend aus ehrenamtlichem Bürgermeister und hauptamtlichem Stadtdirektor. Dieses System war nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1946 von den Briten in ihrer Besatzungszone NRW eingeführt worden.
Mit dem Änderungsgesetz zur Kommunalwahlverfassung von 1994 wurde vom Gesetzgeber in NRW festgelegt, dass die bisherige Doppelspitze bis spätestens zur Kommunalwahl 1999 abgeschafft werden müsse. Die Bürger sollten dann die Gelegenheit haben, mittels Direktwahl ihren hauptamtlichen Bürgermeister zu wählen.
Und hier kommt Thomas Röthig ins Spiel, Ex-Hattinger, Neu-Sylter und hier wie dort als Sozialsponsor tätig. Anno 1999 bewarb er sich um das höchste Amt der Stadt als erster parteiloser Bürgermeisterkandidat in Hattingen.
"Nachdem im Januar 1997 die Stadt Hattingen meine Gesamtplanung zur Isenburg-Seilbahn kategorisch abgelehnt hatte, obwohl ich sowohl zahlreiche politische und öffentliche Unterstützung erfahren hatte als auch einen zahlungskräftigen Sponsor vorweisen konnte, stand ich plötzlich mit leeren Händen vor der Öffentlichkeit", blickt Thomas Röthig zurück. "Da ich mich gerade ,warmgelaufen' hatte, wollte ich weitere Ideen für meine Heimatstadt Hattingen auf den Weg bringen."
Durch einen ehemaligen Bundeswehrkameraden kam er auf die Idee, für die Kommunalwahl des Jahres 1999 als parteiloser Bürgermeisterkandidat anzutreten: "Ich musste allerdings Unterstützungsunterschriften sammeln, und zwar fünfmal soviel wie das Hattinger Stadtparlament Mitglieder hat. Aber wie sollte ich als Verwaltungslaie eine Stadtverwaltung führen?"
Ein Ex-Klassenkamerad machte ihn darauf aufmerksam, dass die Kehler Akademie der Fachhochschule Kehl/Hochschule für öffentliche Verwaltung unter der Leitung von Professor Paul Witt im Oktober 1998 ein Seminar für Bürgermeisterkandidaten anbot: "Ich meldete mich sofort an und ergatterte noch einen der letzten freien Plätze. Nachdem ich 1.000 Mark überwiesen hatte, war ich Seminarteilnehmer."

Seminar für Bürgermeisterkandidaten

Vor Ort ging es um Themen wie: Welche Unterlagen werden für die Kandidatur benötigt, Erarbeitung einer Check-Liste, um die Analyse der Gemeindefinanzen, um alles rund ums Bürgermeisteramt - einschließlich dessen Lust und Last. Weitere Seminare handelten von Kandidaten und Wählern, Medien und Zielgruppen, Vorstellungsrede, Vorstellung in der Gemeinde, Hausbesuche und die Vorstellung bei örtlichen Gruppierungen, Vereinen und Persönlichkeiten, um nur einiges zu nennen.
Letztlich gab die damalige Bürgermeisterin Isolde Schäfer Erfahrungen aus ihrem eigenen Wahlkampf preis, bevor es an praktische Übungen und Video-Aufzeichnungen ging. Thomas Röthig: "Ich hielt eine zehnminütige Vorstellungsrede, die inhaltlich mit der Note ,sehr gut' ausgezeichnet wurde. Aber mit dem erfolgreichen Abschluss der Bürgermeisterschule war es aber noch lange nicht getan. Wir bekamen noch jede Menge schweren Lesestoff mit, den wir dann im Fernstudium durchackern mussten."
Anschließend hatte der also motivierte Hattinger vor der heißen Wahlkampfphase noch knapp ein dreiviertel Jahr Zeit, sich vorzubereiten. "Im Sommer 1999 wurde es ernst und die heiße Wahlkampfphase startete. Zahlreiche Menschen in meinem Umfeld sammelten vorab Unterstützungsunterschriften und ich selbst verzichtete logischerweise im Jahr 1999 unter dem Motto ,Stand statt Strand' auf meinen Urlaub und stellte mich in die Hattinger Fußgängerzone", erinnert er sich. "Tag für Tag führte ich zahlreiche fruchtbare Gespräche mit Hattingern. Parallel hatte ich mir für mehrere Wochen einen ockergelben VW-Bus gemietet, das ,Röthomobil', mit dem ich nach Geschäftsschluss durchs Hattinger Umland fuhr und Prospekte verteilte. Bei einer dieser Fahrten begleitete mich auch ein Fernsehteam des WDR."

Begleitet von einem Fernsehteam des WDR

Sogar ins benachbarte Ausland führte Thomas Röthig der Wahlkampf: "Ich wurde vom Bürgermeister der Stadt Lens, Monsieur Guy Delcourt, ins Rathaus mit dreitägigem Aufenthalt nach Lens eingeladen. Nur allzu gern gerne hätte ich eine Städtepartnerschaft mit Lens aufs Gleis gestellt!"
Nach all den Jahren stellt sich unweigerlich die Frage, ob sich für Thomas Röthig dieser auch finanzielle Aufwand gelohnt hat. Die Antwort kommt ohne zu zögern: "Ja, hat es. Aber mit dem Wissen von heute hätte ich mich nicht als Bürgermeisterkandidat im Jahre 1999 aufgestellt. Dabei spreche ich nicht von den 4.000 Mark, die ich in den Wahlkampf investiert hatte. Als am 12. September 1999 um 18 Uhr die Wahllokale geschlossen hatten, blieben schlussendlich nur 5,2 Prozent der Stimmen, die ich abschöpfen konnte. Bürgermeister Liebig musste wegen mir in die Stichwahl oder Michael Lunemann wurde wegen mir kein Bürgermeister. Wer weiß? Ich war seinerzeit ein Novize und habe in Hattingen hinter den Kulissen auch in die Abgründe der Kommunalpolitik blicken können. Ich habe falsche Personengruppen und falsche Themen angesprochen. Vielleicht wäre ich mit dem Erfahrungsschatz später erfolgreicher gewesen, aber ich wollte dann auch nicht mehr. Im Jahre 2004 habe ich Dr. Frank Burbulla unterstützt und seit dem ist Politik für mich Vergangenheit. Ich konzentriere mich nur noch voll und ganz aufs Sozialsponsoring, das beim Hattinger STADTSPIEGEL begann und mittlerweile über 27.000 Euro in die Kassen karitativer Organisationen gespült hat."
Und zum Abschluss erinnert Thomas Röthig in seiner typischen Art: "Ja, der 12. September 1999 war ein historischer Tag für unsere Kommunalpolitik und plebiszitäre Demokratie!"

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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