Für drei Monate lebt Gabriele Wulfers in Yatta, Area A

Gabriele Wulfers (hinten vor Kopf neben der Frau mit dem Kopftuch) und weitere Mitstreiter in der Wohnküche in Palästina
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Der STADTSPIEGEL berichtete in seiner Ausgabe vom 11. Januar über die Hattinger Lehrerin Gabriele Wulfers, die über Pax Christi an einem ökumenischen Begleitprogramm in Palästina teilnimmt. Drei Monate wird sie dort leben. Jetzt hat sie einen ersten Bericht geschrieben.

„Wir sind jetzt seit zwei Wochen im Land, und nach einer intensiven Einweisung in die politische Situation und unsere Aufgaben sind wir in Yatta, unserem Standort für die kommenden drei Monate, angekommen. Wir, das sind Ann aus England, David aus Florida, Lennart aus Schweden und ich. Yatta ist eine palästinensische Stadt südlich von Hebron, die trotz ihrer 90 000 Einwohner eher den Eindruck eines ausgedehnten Dorfes macht – mit Schafen und Hühnern in Ställen bei den Häusern. Es gibt zwar viele Geschäfte, Schulen, eine Universität und ein Krankenhaus, aber weder Straßennamen noch einen Stadtplan.
Südlich von Yatta erstreckt sich der Hauptteil unseres Einsatzgebietes: die South Hebron Hills, auch Masafer Yatta genannt (Großyatta).
Unser Haus ist ziemlich geräumig mit drei Schlafzimmern, einer großen Wohnküche und einer Dachterrasse. Es gibt fließend warm und kalt Wasser, der Strom funktioniert meistens, und wenn nicht, gibt es einen Gasherd und einen Gasofen, falls uns zu kalt wird. Das Beste ist, dass das Internet im Großen und Ganzen gut funktioniert, vorausgesetzt, wir haben Strom.
Betreut werden wir hauptsächlich von der Familie Nawaja: Nasser ist der Besitzer „unseres“ Hauses, sein Bruder Abed fährt uns in seinem klapprigen, aber sehr zuverlässigen Subaro zu unseren Zielen: zu den Dörfern, die wir besuchen, oder zum Meitar Checkpoint, auf zum Teil abenteuerlichen Straßen. Außerdem übersetzt er für uns und organisiert viele Treffen, wenn unsere Kontaktpersonen kein Englisch sprechen. Ein weiterer Bruder ist unser Nachbar auf der einen Seite, von ihm kaufen wir Brot, Käse und Joghurt; die Mutter der gesamten Familie, Umm Jihad, wohnt auf der anderen Seite mit einem Teil der Familie, der Vater, Abu Jihad, wohnt meist in Susiya, einem der Dörfer in den South Hebron Hills. Außerdem gibt es noch Fatma, bei der wir typisch palästinensisches Essen bestellen können, wenn wir Gäste bewirten und beeindrucken wollen. Sie wird uns außerdem helfen, wenigstens ein wenig Arabisch zu lernen.
Yatta liegt in der Westbank, auch Westjordanland genannt. Der von den Vereinten Nationen gebrauchte Name ist OPTs, das bedeutet besetzte palästinensische Gebiete. Um die Situation hier zu verstehen, muss man wissen, dass seit den Oslo-Verträgen von 1993 das Gebiet in drei Zonen aufgeteilt ist:
Area A umfasst nur 11 Prozent der gesamten Westbank, hier liegen alle größeren Städte wie Ramallah, Hebron, Nablus, Bethlehem, Jericho und eben Yatta. 69 Prozent aller Palästinenser leben hier. Dieses Gebiet steht völlig unter palästinensischer Kontrolle. Israelis dürfen es nicht betreten, sie werden auf großen roten Schildern darauf hingewiesen und gewarnt, dass es hier gefährlich sei. Wir haben allerdings noch keine Gefahren entdecken können.
Area B macht 28 Prozent der Westbank aus und ist eine gemischte Zone, halb unter israelischer, halb unter palästinensischer Kontrolle.
Area C ist unser Einsatzgebiet: 61 Prozent der Westbank stehen völlig unter israelischer Kontrolle. Hier gibt es unzählige kleine palästinensische Dörfer, Felder, Olivenhaine und die Weiden für Schafe und Ziegen. Die israelische Regierung hat einen großen Teil dieses Landes zur Militärzone erklärt, die Palästinenser nicht betreten dürfen. Dadurch sind die Dörfer, die innerhalb dieser Militärzone liegen, sozusagen illegal. Hier breiten sich auch unaufhaltsam israelische Siedlungen auf dem Land der Palästinenser aus, neue Straßen verbinden diese Siedlungen, aber die Palästinenser dürfen sie nicht benutzen. Natürlich dürfen sie auch nicht das Land betreten, das als Sicherheitszone rings um die Siedlungen herum eingezäunt ist. Nach internationalem Recht sind alle diese Siedlungen und die Straßen illegal, der Staat Israel erkennt diese Rechtsprechung aber nicht an.
So sieht die Westbank aus wie ein Schweizer Käse, wobei die palästinensischen Städte die Löcher sind und die israelische Regierung fast das gesamte Gebiet darum herum ganz oder teilweise kontrolliert.
Das hört sich sehr kompliziert an, und das ist es im täglichen Leben der meisten Palästinenser auch. In meinem nächsten Bericht werde ich am Beispiel des kleinen Dorfes Um al Kher erläutern, was es bedeutet, in Area C zu liegen.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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