Update Erlebnisbericht: Nicht „hoch zu Ross“ sondern „Hand in Hand“
Seit dem 1. Januar 2018 gilt ein neues Reitwegegesetz. Das Reiten ist in der freien Landschaft auf öffentlichen und privaten Straßen erlaubt. Im Wald ist das Reiten auf besonders ausgewiesenen Reitwegen erlaubt sowie, jetzt neu, in der Regel auf privaten Straßen und Fahrwegen, wo es früher nur geduldet wurde (den sogenannten Waldwirtschaftswegen). Doch indem die Duldung auf Gesetzesfüße gestellt wurde, sorgt sie schon für Aufregung unter den Hufen.
Hier der Erlebnisbericht des Fotografen Holger Grosz, der Reiter durch den Wald begleitet hat:
"Ich habe drei Reiter bei ihrem Ausritt begleitet und wollte wissen, was ist denn überhaupt los in den Wäldern. Früher gab es die Reitwege für die Reiter und die Forstwirtschaftswege für den Forstbetrieb und Wanderer. Wenn ich mir nun ein Pferd kaufen würde, es in einen Reitstall unterbringe und auf die Idee komme auszureiten, dann würde ich mir eine Karte besorgen, auf der die Reitwege verzeichnet sind. Nun, so etwas gibt es nicht! Ist nicht schlimm, in Deutschland ist ja alles ordentlich beschildert - blaues Schild mit weißem Reiter drauf - das ist ein Reitweg. Diese Schilder werden regelmäßig geklaut. Dort wo die Wege beginnen fehlen sie komplett und erst wenn man den Weg schon einige 100 Meter genutzt hat tauchen sie vereinzelt auf. Es gibt auch kein zusammenhängendes Reitwegenetz. Die Reiter mussten sich auch die Forstwirtschaftswege mit den Fußgängern teilen, um von einem Reitweg zum nächsten zu gelangen. Das neue Gesetz sollte diese Situation rechtlich absichern, indem die Reiter jetzt alle Wege nutzen können. Es hat keine zwei Wochen gedauert bis die ersten Meldungen in den Medien erschienen. Es wird eng, von unverschämten Reitern war die Rede, Schäden an den Wegen und das alles in einer Zeit, wo kaum ein Reiter es seinem Pferd zumutet auszureiten, weil die Böden zu matschig oder gefroren waren.
Ein Pferd ist kein technisches Gerät. Es ist ein Tier und der natürliche Trieb eines Wildpferdes steckt in jedem Pferd. Es sind Fluchttiere, die vor Feinden flüchten. Dazu sind sie von der Natur mit einer 350 Grad Rundumsicht ausgestattet und auch das Gehör lässt sich wie Richtmikrophone gezielt ausrichten. Aus diesen Grund werden Pferde, mit denen man ausreiten möchte, ganz gezielt und sehr lange Ausgebildet. Ich war mit drei sehr verschiedenen Pferden unterwegs. Mirku, ein sehr ruhiges Geländepferd mit Kaltblut in den Vorfahren. Sehr kräftig, muskulös aber auch mit einer inneren Ruhe. Ein Mercedes G-Geländewagen. Dumbledore, das zweite Pferd war eher ein Mercedes SLK, grazil, leicht, aktiv und mit viel Power. Nemo, das dritte Pferd im Bunde, war ein Shetlandpony. Die bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Zum Wegrennen haben sie viel zu kurze Beine. Aber Nemo kann beißen, wenn er zu sehr geärgert wird.
Alle drei Pferde waren sehr erfahren. Haben viel Zeit in den Wäldern verbracht. Auch die zwei Reiter der beiden großen Pferde, Pia und Bodo, haben eine spezielle Reitausbildung für das Gelände und Bodo hat viele Jahrzehnte Reiterfahrung. Den Winter über standen die Pferde im Stall und wurden regelmäßig in der Reithalle bewegt. Aber nun spüren die Pferde - es geht raus. Da ist Schritt laufen nicht immer wünschenswert…
Ein Bagger auf den Reiterhof löste ein leichtes Tänzeln mit der Hinterhand aus. Die Pferde kennen den Bagger, nur geht es zum ersten Mal raus und dann ruft selbst bei einem erfahrenen Pferd ein bekannter Bagger eine gewisse Reaktion hervor. Komischerweise störte Autoverkehr die Pferde gar nicht. Selbst die Pferde mit einer speziellen Ausbildung müssen nach vier Monaten Stall beim ersten Ausritt im Gelände wieder trainiert werden. Beider Reiter Pia und Bodo habe ihr Können und ihre Erfahrung unter Beweis gestellt.
Ziel dieser Aktion war es ja heraus zu finden, wie sich Reiter, Wanderer, Spaziergänger, Jogger und Radfahrer im Wald begegnen. Diese drei Pferde bilden eine Herde und so verhalten sie sich auch. Läuft das sportliche Pferd vorne reagiert die Herde anders, als wenn das Kaltblut die Herde anführt. Erschwerend kam hinzu, dass so ein Fotograf mit Glitzerzeug (Kameras) ständig aus der Herde ausbrach. Mal hinten, dann spurtete er weit nach vorn oder wechselte ständig von links nach rechts obwohl wir doch alle rechts laufen sollten. Mit anderen Worten, zu all den frischen Eindrücken nach der Winterpause, brachte ich als Fotograf die meiste Unruhe in die Herde. Das konnte man sehr gut an den Ohren der Pferde beobachten, wie sie mich mit den Ohren verfolgt haben.
Der Test lief also unter erschwerten Bedingungen. Ein Jogger in einen grell bunten Anzug erregte die Aufmerksamkeit der Pferde doch sehr. Ein Jogger bewegt sich recht schnell vorwärts, dazu bewegt er sich direkt auf die Pferde zu, geht ja auch nicht anders auf einen Weg. Er ist sehr bunt gekleidet und sieht so anders aus als die anderen Menschen. Ist das jetzt eine Gefahr oder nicht - Fluchttiere haben keine Zeit lange zu überlegen sonst ist der Puma, oder Wolf schneller. Auch ein Mountainbiker, der flott unterwegs war, fiel den Pferden auf. Er hat sich aber perfekt verhalten, drosselte die Geschwindigkeit, hielt sogar an und wechselte ein paar freundliche Worte mit den Reitern. Aber auch Spaziergänger trafen wir an, die gerne mit uns ins Gespräch kamen und mit den Pferden Kontakt aufnahmen.
Wenn also die Besucher der Wälder, wie sie sich auch immer darin bewegen, gegenseitig Rücksicht nehmen, so entsteht ein freundliches Miteinander. Sobald aber nur einer auf sein „Ich“ besteht gibt es Probleme aber das ist ja nichts Neues.
Die Reiter des RSV Hattingen Homberg mit Ihrer Breitensportwartin Anja Schriever haben es sich zu Aufgabe gemacht das beim Ausreiten die gegenseitige Rücksichtnahme erstes Gebot ist und das kennt sie von den zwei benachbarten Reitvereinen auch nicht anders."
Im Vergleich zu anderen Kreises weist der EN-Kreis mit 3700 gemeldeten Pferden eine relativ hohe Anzahl an Tieren auf. Demgegenüber stehen nur insgesamt 50 km Reitwege (es gibt zehn sehr grobe Übersichtskarten für Reiter) zur Verfügung, die sich zudem oftmals in Insellagen befinden, bzw. nicht als Rundweg beritten werden können. Hierdurch wurden die Reiter - soweit sie sich gesetzeskonform verhalten wollten - immer wieder dazu gezwungen ihr Pferd zu führen. Die neue Gesetzgebung wollte dies ändern. Aber: Die Kreise und kreisfreien Städte konnten das Reiten auf allen privaten Wegen zulassen oder aber das Reiten auf ausgewiesene Wege beschränken. Städte und Kreise reagierten unterschiedlich – ein bunter Flickenteppich nach der Gesetzesänderung ist das Ergebnis.
Im EN-Kreis ist das Reiten auf Waldwirtschaftswegen grundsätzlich erlaubt. Diese Wege sind ganzjährig von mindestens zweispurigen Fahrzeugen befahrbar. Rad- und Fußwege bleiben weiterhin für Reiter tabu, ebenso das Reiten querfeldein oder auf Wegen, die zu privaten Wohnbereichen oder öffentlichen Betrieben führen. Fußgänger dürfen aber auch nicht auf Reitwegen laufen. In einer Pressemitteilung der Pferdesportverbände Rheinland und Westfalen, dem Aktionsbündnis pro Pferd und der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland heißt es zum neuen Gesetz: „Den Reitern fällt die Aufgabe zu, für ein gedeihliches Miteinander zu sorgen. Dazu zählt vor allem, dass die nach wie vor erforderlichen Kennzeichen mit den aktuellen Plaketten getragen werden. Hier gibt es immer noch Defizite.“ Wer ohne Plakette unterwegs ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld von bis zu 200 Euro rechnen. Im Jahr 2016 wurden durch den Ennepe-Ruhr Kreis ca. 1.300 Reitplaketten ausgegeben. Die Pflicht zum Tragen einer Reitplakette besteht, soweit der Halter beabsichtigt, mit dem Tier in der freien Landschaft zu reiten. Aus ihren Einnahmen werden die Kosten für Schäden auf den Wegen beglichen, die von Pferden verursacht werden.
Schäden an Waldwegen durch Pferdehufe?
Heftig wird schon wenige Wochen nach Inkrafttreten der neuen Regelung über mögliche gravierende Schäden an Waldwegen diskutiert. Hier sehen Landwirte und Förster Probleme. Die Stadt Gevelsberg beispielsweise nicht – in einer fachlichen Stellungnahme im Sommer 2017 beurteilt sie die Lage so. „Auch bei einem Verbot des Reitens im Wald mittels einer Allgemeinverfügung ist das Führen des Pferdes weiterhin erlaubt. Die Trittschäden (mit Reiterin/Reiter oder ohne) dürften dabei lediglich marginale Unterschiede aufweisen“, heißt es dort in den Verwaltungsunterlagen. In den Wäldern der Stadt Düsseldorf darf heute auch weiterhin nur auf wenigen speziell gekennzeichneten Wegen geritten werden, im Schulenberger Wald hingegen dürfen Reiter jetzt auf den Waldwirtschaftswegen unterwegs sein.
Anja Schriever reitet seit vierzig Jahren. Sie ist Breitensportwartin beim RSV Hattingen-Homberg. Der Reitsportverein hat siebzig Mitglieder und rund vierzig Pferde, die auf einer großen Anlage stehen. Am Homberg gibt es insgesamt drei Reitanlagen, die sich unmittelbar hinter dem Bildungszentrum des DGB befinden. Für Anja Schriever ist das Reiten im Gelände selbstverständlich mit Rücksichtnahme verbunden – allerdings auf alle Wald- und Wegenutzer bezogen. „Natürlich reite ich mit dem Pferd nur Schritt, wenn ich Fußgängern begegne. Aber auch Fußgänger und Radfahrer, vor allem Mountainbiker, haben Regeln einzuhalten und sich rücksichtsvoll zu bewegen. Dann dürfte das doch alles kein Problem sein“, meint sie und fügt hinzu: „Viele wissen nicht, dass Pferde Fluchttiere sind und bei Gefahr eben dieses Verhalten zeigen. Wenn plötzlich nicht angeleinte Hunde auftauchen oder Mountainbiker querfeldein unterwegs sind, dann kann es schwierige Situationen gaben. Deshalb setze ich auf gegenseitige Rücksichtnahme und habe damit auch gute Erfahrungen gemacht.“
STADTSPIEGEL-Fotograf Holger Grosz hat drei höchst unterschiedliche Pferde zusammen mit Breitensportwartin Anja Schriever auf einem Ausritt am Homberg begleitet. Die Gruppe traf auf Jogger und Mountainbiker und kam freundlich ins Gespräch. Der Fotograf wirkte da eher für die Pferde als „Störenfried“…
Sein Fazit: „Wenn sich alle etwas Mühe geben, dann ist alles gut. Wenn niemand auf dem hohen Ross sitzt, dafür aber alle Hand in Hand den Frühling und die erwachende Natur genießen – dann steht dem Miteinander nichts im Wege.
Den Erlebnisbericht von Holger Grosz lesen Sie zu einem späteren Zeitpunkt.
(alle Fotos: Grosz)
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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