Landluft
Güllezeit

Es ist eine Pflicht bei uns, dass sich mein Freund morgens nochmal zu mir ins Bett legt und mich wach kuschelt. Sobald ich langsam meine Augen öffnen kann, zieht er die Rolladen hoch und macht das Fenster auf. Wurde ich doch gerade von seinem lieblich-männlichen Eigengeruch, kombiniert mit der Frische seiner Morgendusche geweckt, so durchlebt meine Nase nach Fensteröffnung einen ausgiebigen Spaziergang auf dem Bauernhof.
Es ist, wie ich sie mehr oder weniger herzlich bezeichne, Güllezeit. Eine Zeit, die mir geruchsmäßig gerne erspart bleiben könnte. Doch Umgeben von Feldern und sonstigem Grün, hier im naturreichen Hattingen Niederwenigern, würde ich diese Zeit gern als eine 'Saison' kategorisieren wollen. Um Güllezeit also hübscher auszudrücken, etabliere ich hiermit den Begriff der "Atemberaubenden Saison". Zumindest versuche ich es. Das denke ich, ist mein offizieller Beitrag zu meinem persönlichen Arrangement auf dem Land zu leben und nicht zu viel zu meckern. 
Meckern ist generell ein gutes Stichwort, denn mein Freund ist der festen Überzeugung ich meckere zu viel. Ich distanziere mich hier ausdrücklich von seiner Aussage. Dennoch möchte ich festhalten, dass ich insbesondere in meiner morgendlichen Aufwachphase eher frische, geruchsneutrale Landluft, durch meine Nase strömen lassen würde, anstatt Luft der atemberaubenden Saison einzuatmen (nicht gemeckert!). Ich frage mich jedoch folgendes: All die feinaromatischen Düfte, die nun schon meinen Körper durchfließen, verankern die sich auch in diesem? Bin ich dann selbst eine atemberaubende Saison, zumindest innerlich? Es steht doch auch überall an den unzähligen Kartenständern dieser Welt geschrieben, dass die inneren Werte die seien, die zählen. Was soll ich denn jetzt machen? Spazieren gehen, und frische Luft einatmen geht nicht so recht, das intensiviere diese scheinbar aussichtslose Situation nur vollkommen. Würde ich Güllezeit jedoch lediglich als atemberaubend bezeichnen, so würde das im (entfernteren Sinne) dazu führen, dass meine inneren Werte auch atemberaubend wären.
Daran könnte ich durchaus Gefallen finden.

Autor:

Lea Schnecke aus Hattingen

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