Tierisch gut - auf dem Hof von Martin Schlenkermann
Glückliche Kühe auf grüner Weide

Martin Schlenkermann mit seinen Kühen. Alle Fotos: Pielorz
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Der Bestand an Milchkühen in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verringert. Gab es 1950 über 5 Millionen Milchkühe, sind es im November 2020 nur noch rund 3,9 Millionen. Sie produzieren insgesamt rund 33,3 Millionen Tonnen Milch. Das sagt das Statistische Bundesamt. Auch die Zahl der Milcherzeuger in Deutschland ist stetig zurückgegangen und hat sich heute auf 57.322 Milchviehhalter reduziert. Einer von ihnen ist Martin Schlenkermann (46), der in dritter Generation den Familienbetrieb in Oberstüter führt. Achtzig Milchkühe und sechzig weibliche Tiere zur Nachzucht leben auf dem Hof.
Weiden und Wiese, wohin das Auge schaut. Darüber wölbt sich ein blaugrauer Wolkenhimmel. Nur selten kommt einem ein Fahrzeug entgegen. Schmale Wege, Wälder, verstreut dazwischen landwirtschaftliche Höfe. In dieser Idylle liegt auch der Schlenkermann-Hof. Um die Gebäude herum erblickt man auf den Wiesen die schwarz-weiß gefleckten Kühe. Eine Kuh kann bis zu 800 Kilogramm auf die Waage bringen. Doch der erste Weg geht natürlich in den Stall, zu den ganz Kleinen.
Nach neun Monaten Tragezeit erblickt ein Kälbchen das Licht der Welt. Dann wiegt es etwa 35 bis 45 Kilogramm. Geboren wird es in der Regel ohne Geschwister, denn Mehrfachgeburten sind selten und nicht unkompliziert. „Die frischgeborenen Kälber kommen in eine Art Iglu. Das ist eine spezielle Kälberhütte mit freiem Auslauf“, erzählt Martin Schlenkermann. Dort bleiben sie zunächst einmal für etwa zwei Wochen und stehen unter genauer Beobachtung. Trinken sie ausreichend? Geht es ihnen gut? Ist das der Fall, geht es in die Krabbelgruppe. „Hier erleben die Kälber erste soziale Kontakte in der Gruppe. Im Alter von drei Monaten werden sie dann umgestallt. Sie gehen dann quasi in die Schule“, lacht Martin Schlenkermann. In neuen Räumen lernen die Tiere voneinander – jüngere und ältere Kühe. „Wir füttern ab zwei Wochen bereits zusätzlich zur Milch feste Nahrung aus Stroh und gehäckseltem Kälberkraftfutter. Der Milchanteil wird immer weiter reduziert, bis er im Alter von drei Monaten ausläuft. Wir füttern vielfältig, denn wir wollen den Tieren die Umstellung auf feste Nahrung erleichtern und sie dürfen auch manches probieren, um herauszufinden, was ihnen am besten schmeckt“, so Schlenkermann. Danach kommt für die Jungtiere der „Schulwechsel“ und es beginnt der Ernst des Lebens mit weniger Kraftfutter. Auf weitläufigen Weiden rund um den Hof genießen die Kühe dann ihr Herdendasein.

Kälbchen gehen auch in die "Kita"

Nur weibliche Tiere leben auf dem Hof. „Wir können das Geschlecht beeinflussen. Männliche Kälber halten wir nicht. Bei der künstlichen Besamung können wir festlegen, ob wir eine Milchkuh oder eine Nachzucht haben möchten. Das ist abhängig von der Qualität der Mutterkuh. Tiere zur Nachzucht halten wir seltener, denn es sollen nicht zu viele Tiere werden. Außerdem reduziert sich dadurch auch die Gefahr des Exportes von Jungtieren“, erzählt der Landwirt. Mindestens fünf Jahre leben die Tiere bei ihm auf dem Hof. Alle tragen einen Namen und ihre schwarz-weißen Flecken sind so individuell wie der Fingerabdruck eines Menschen. Martin Schlenkermann kennt sie alle mit Namen. „Ich bin vom ersten Atemzug an quasi der Hausarzt der Tiere. Ich muss sie beobachten und erkennen, ob es ihnen gut geht oder ob ihr Verhalten Anlass zur Sorge gibt und ich einen Tierarzt rufen muss. Wenn man jeden Tag mit den Tieren zusammenlebt, dann entwickelt sich eine enge Beziehung zu ihnen. Es ist für mich einfach eine Bereicherung, in der Natur mit ihnen zu leben und zu arbeiten“. Aber, und auch das ist dem vierfachen Familienvater sehr bewusst, es ist auch nicht leicht. Denn natürlich muss der Hof nach wirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Dazu gehört die frühe Trennung von Mutterkuh und Kälbchen, um keine Bindung entstehen zu lassen und die Endlichkeit eines Kuhlebens. Ist es erreicht, gehen die Tiere zum Bochumer Schlachthof. Lange Tiertransporte gibt es bei dem Landwirt nicht. „Manchmal fällt mir der Abschied schwer. Und wir haben auch Tiere, die wesentlich älter sind und einfach auf dem Hof leben. Unsere älteste Kuh ist Gretchen. Sie ist im gleichen Alter wie meine Tochter Lina, die jetzt konfirmiert wird. Gretchen wird immer hier leben und Mona auch. Das ist die Lieblingskuh von Lina“, lächelt der Landwirt, der von seiner Tochter bei der Arbeit mit den Tieren stark unterstützt wird. „Meine drei Jungs interessieren sich eher für die Maschinen“, sagt er. Sein Herzenswunsch ist es schon, dass einer der Kinder den Hof weiterführt. „Aber der Kopf sagt klar, dass sie zunächst etwas anderes lernen sollen – einfach um zu sehen, was es noch gibt und wie man anders lebt, wenn der Alltag nicht vom Wohl der Tiere bestimmt wird.“

Hier wird geboren und gestorben

Sein Hof, so Schlenkermann, ist mit seinen Tieren ein Lebenskreis. „Hier wird immer geboren und gestorben“, sagt er. „Etwa viermal bekommen die Kühe bei uns auf dem Hof ein Kälbchen. Man baut zu den Milchkühen eine Beziehung auf, weil sie eben viele Jahre hier leben. Andererseits müssen wir unseren Betrieb auch wirtschaftlich führen. Wir gehörten im Ennepe-Ruhr-Kreis vor Jahren zu den ersten Betrieben, die gentechnikfrei gefüttert haben. Das ist hier heute Standard. Viele Betriebe spezialisieren sich heute immer weiter und müssen dies auch tun, um überleben zu können.“
Die Diskussion um den Milchpreis haben dabei alle im Kopf. Noch relativ neu ist zumindest die öffentliche Diskussion um Tierhaltung und Klimaschutz. Denn bei der Tierhaltung wird vor allem das Treibhausgas Methan frei. Es entsteht bei der Verdauung der pflanzlichen Nahrung. Rinder rülpsen und pupsen es quasi in die Atmosphäre. Denn eine methanfreie Kuh gibt es nicht. Gebildet wird das Gas bei der Verdauung im Pansen, dem größten der vier Vormägen der Kuh. Die Menge des Gases ist allerdings durch das Futter beeinflussbar. Zudem kann auch der Verbraucher dazu beitragen, den Treibhausgas-Fußabdruck der Kuh zu verringern. Der Kauf regionaler Produkte ist beispielsweise ein Weg, nachhaltiger und bewusster zu leben. Auch wenig wegzuwerfen gehört dazu. Wissenschaftler haben errechnet, dass jeder weggeschüttete Liter Milch etwa 1,1 Kilogramm Treibhausgas entspricht, das überflüssigerweise in die Atmosphäre geblasen wurde. Der bewusste Umgang mit Ressourcen trägt eben auch zu glücklichen Kühen und nachhaltiger Landwirtschaft bei.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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