Glückliche Hennen leben länger
Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland haben in den letzten zehn Jahren um mehr als 16 Prozent abgenommen. Heute gibt es aktuell nach der Statistik des Deutschen Bauernverbandes noch rund 265.000 Betriebe. Einer von ihnen ist der Kneibel-Hof in Hattingen (Holthausen). Seit 1868 ist er im Besitz der Familie Oberdellmann. Ferienwohnungen sind ein zweites Standbein von Peter und Anja Oberdellmann. Neben der Rinderhaltung gibt es noch knapp 1000 Legehennen in zwei mobilen Hühnerhäusern. Freilandhaltung (wenn nicht gerade verordnete Stallpflicht aufgrund einer Geflügelgrippe herrscht), frisches Futter und in der Nacht die Unterbringung im mobilen Zuhause – die Eier der glücklichen Hennen gehen in Direktvermarktung an den Verbraucher.
„Wir haben das Projekt drei Jahre geplant“, erzählt Peter Oberdellmann. Eine hohe fünfstellige Summe hat er in die Hand genommen, um die mobilen vier Wände für die Tiere kaufen zu können. Die Tiere selbst kommen im Alter von 18 Wochen aus dem nahegelegenen Wuppertal. Wichtig sei es zu wissen, wo die Tiere herkommen und wie sie aufgezogen wurden. Denn diese Legehennen haben so gar nichts mit den bekannten Masthühnchen zu tun. „Was viele Verbraucher einfach nicht wissen: ein Masthühnchen hat vom Schlupf bis zu seinem Ende eine Lebenserwartung von gerade mal 30 bis 40 Tagen. Unsere Legehennen werden zwei Jahre alt. Und ihr Hühnerleben sieht wirklich ganz anders aus.“ Auf dem Hof von Peter und Anja Oberdellmann dürfen sich Berta und Co. richtig wohlfühlen. 15.000 Mal pickt ein Huhn am Tag. Morgens in aller Herrgottsfrühe geht es schon los – gutes Futter, frische Luft, Bewegung, was will man als Henne mehr?
„Wir haben uns bei der Planung gefragt, was zu unserem Hof und in die Natur passt. Viele Verbraucher neigen zum Kauf von Produkten aus der Region. Dabei eignen sich mobile Hühnerställe gut. Legehennen in der Freilandhaltung neigen dazu, die Auslauffläche im stallnahen Bereich intensiv zu nutzen und abzuweiden. Das wirkt sich dann negativ auf Bewuchs und Boden aus. In der mobilen Hühnerhaltung können durch das regelmäßige und rechtzeitige Versetzen der Mobilställe diese negativen Folgen der intensiven Auslaufnutzung deutlich reduziert werden. Tiere, die sich wohlfühlen, ein gepflegter Auslauf und ein optisch ansprechender Stall sprechen den Verbraucher an – und die Eier dieser Hennen schmecken auch einfach besser.“ Am Salzweg auf dem Gebiet der Stadt, die diese Fläche an die Kleingärtner verpachtet hat, steht auch der Eierautomat, um eine Direktvermarktung zu ermöglichen. Denn, das macht Peter Oberdellmann im Gespräch deutlich, wirtschaftlich rechnen muss sich auch die mobile Hühnerhaltung. Jede Henne produziert im Durchschnitt 300 Eier pro Jahr. Wiesenfrisch und handgesammelt, abgepackt in Eierkartons, gehen sie an die Verbraucher.
Henne pickt 15.000 Mal am Tag
Ohne die fleißigen Hühner wäre selbst der Hase an Ostern arbeitslos: Im Jahr 2020 haben 42,9 Millionen Legehennen in Deutschland 12,9 Milliarden Eier gelegt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Um den Pro-Kopf-Verbrauch von aktuell 239 Eiern zu decken, wurden 2020 noch weitere 5,9 Milliarden frische Eier importiert – drei Viertel davon aus den Niederlanden. Während die meisten Hühner in Dasein in Bodenhaltung fristen, genießen die fleißigen Tiere auf dem Hof der Oberdellmanns glücklichere Zeiten. „Das mobile Hühnerhaus, quasi ein Zwitter zwischen Gebäude und Fahrzeug, sorgt dafür, dass die Tiere nachts geschützt sind. Morgens öffnet sich die Anlage, die im Hinblick auf die Lichtverhältnisse über eine Astrouhr verfügt, und die Tiere können den Tag im Freien verbringen. In der Dämmerung geht es dann zurück in den häuslichen Schutz. Wenn die Tiere im Alter von 18 Wochen zu uns kommen, bekommen sie Zeit zum Eingewöhnen. Sie erkunden auch nicht sofort den ganzen Platz, der Abgang im Hühnermobil nach unten auf eine weitere Ebene wird erst nach einigen Tagen geöffnet. Diese Haltung ist im Gegensatz zur klassischen Käfighaltung ganz anders. Dort ist beispielsweise der Platz für das Eierlegen fest vorgegeben. Bei uns machen die Hennen die Erfahrung, dass es kuschelige Nester gibt, in die sie ihre Eier legen können. Wir sehen in unserer Idee viel Nachhaltigkeit und eine in die Landschaft und zum Hof passende Umsetzung“, sagt Landwirt und Agraringenieur Peter Oberdellmann.
Scharren, Picken, gutes Futter, die Sonne auf der Hühnerbrust genießen im Kreis der Artgenossen – auch das Leben einer Legehenne vom Kneibel-Hof ist allerdings endlich. „Die Tiere sollen es bei uns guthaben. Wenn ihr Leben vorbei ist, wollen wir den Gedanken der Nachhaltigkeit allerdings nicht sterben lassen. Deshalb werden unsere Hennen hier auf dem Hof ohne Transportstress betäubt und geschlachtet. Dann werden sie in der regionalen Gastronomie verwandt“, so Peter Oberdellmann. Deshalb ist auch Gastronom Marius Krüpe bei dem Gespräch dabei, denn er ist mit seinem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Hotel-Restaurant einer der Abnehmer. „Mein Bemühen geht dahin, dass komplette Hühnchen zu nutzen. Das ist bei diesen Tieren anders als bei den für den Fleischkonsum gedachten Masthühnchen. Daher muss man schon bei den Rezepten etwas tüfteln und ausprobieren, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen“, erklärt der Fachmann. Frikassee, Burger, Leberknödel, Keule und Schnitzel und natürlich die gute Suppe sind nur einige Beispiele der Verwendung. Auch in der Corona-Pandemie kann man freitags „An de Krüpe“ von 17 bis 20 Uhr und am Wochenende von 12 bis 14 Uhr sowie 17 bis 20 Uhr kulinarische Köstlichkeiten bestellen und abholen.
Die Legehennen vom Kneibel-Hof dürfen ein glückliches Hühnerleben genießen. Auf Karton und Ei steht auch, wo die Hennen zuhause sind. Glückliche Hennen leben einfach länger.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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