Krankenschwester erzählt über ihre Arbeit auf einer Infektionsstation
"Mein Beruf erfüllt mich"

Corona das Wort des Jahres? Auch wenn die allermeisten es nicht mehr hören können und unser Alltag so schlimm darunter leidet, ist es halt doch das Ereignis des Jahres. Auch Simone Fischer sieht das so. Seit 20 Jahren Krankenpflegerin in der Klinik Blankenstein, half sie in diesem Jahr sechs Monate auf der Infektionsstation im St. Josef-Hospital Bochum aus. Erlebte dort Teile sowohl der ersten als auch der zweiten COVID-19-Welle hautnah.

Sah all das Leid und doch auch die schönen, Mut machenden Geschichten, wenn schwerkranke Menschen wieder auf die Beine kommen und das Krankenhaus verlassen können.

"Angst hatte ich nicht"

"Angst", sagt sie, "hatte ich auf der Station nicht." Klar, der Aufwand war für sie so groß wie noch nie. Jeder Kontakt mit COVID-positiven Patienten bedeutete Schutzkleidung, Visier, Spezialmaske, Handschuhe und Kittel: An- und Auskleiden, immer wieder, Dutzende Male am Tag. Aber Furcht? Nein: "Auch privat bin ich kein ängstlicher Mensch und versuche, die Dinge immer positiv zu nehmen."
Über die eigenen Ängste wurde auf der Station nie gesprochen. Vielleicht gab es sie bei manchen, aber im offenen Gespräch unter den Mitarbeitenden war sie kein Thema. Jeder empfindet und verarbeitet solche Eindrücke anders. Angst vor einer Ansteckung hatte Simone Fischer eher bei ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren Eltern, nicht aber bei sich selbst.
Für die Infektionsstation in der Universitätsklinik hatte sie sich sogar freiwillig gemeldet. "Ich bin auf meiner Station in Blankenstein zwar sehr verwurzelt, eigentlich wie ein Baum, den man nicht verpflanzt", sagt die 42-Jährige lachend. "Schließlich war ich hier schon als Schwangere tätig und arbeite noch heute mit einer Kollegin zusammen, die bereits vor 20 Jahren mein Examen abgenommen hatte. Trotzdem war ich gespannt darauf, in Bochum neue Impulse zu bekommen und wollte natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen dort unterstützen."
Anfangs war sie aufgeregt. Vor allem wegen der vielen neuen Aufgaben, die diese Station mit sich brachte. Von einem Tag auf den anderen änderte sich fast alles. In Blankenstein mit Schmerzpatienten zu arbeiten und dabei auch viel Psychologie zu betreiben, ist ebenfalls anspruchsvoll, aber eben völlig anders. "Ich schaff' das", sagte sie zu sich selbst, und so kam es dann auch.

Erfahrungen mit den Corona-Patienten bleiben im Kopf

Die Erfahrungen mit den Corona-Patienten, sie sitzen tief und werden noch lange im Kopf bleiben. Da ist der alte Mann, der in einer Nacht stirbt, als Simone Fischer Dienst hat. Tieftraurig, dass sich zuvor der Gesundheitszustand seiner Frau, mit der er fast 60 Jahre verheiratet gewesen war, so verschlechtert hatte.
Da ist aber auch der junge Mann, kaum älter als 40 Jahre, der nach wochenlanger schwerster Krankheit, als er kaum vom Bett zur Toilette gekommen war, ohne fremde Hilfe die Klinik verlässt. Wieder mit Zuversicht und Hoffnung im Gesicht. Und mit Dankbarkeit - für das Schicksal, aber auch für die Hilfe, die ihm zuteil wurde.
Für die Sprockhövelerin ist klar: "Das sind Dinge, für die ich Krankenschwester geworden bin. Ich hätte keinen anderen Beruf haben wollen. Er erfüllt mich einfach."

Corona zu leugnen ist unverantwortlich

Erleben zu müssen, dass Corona von manchen schlicht geleugnet wird oder so getan wird, als sei das Virus vergleichbar mit einer Grippe, ist aus ihrer Sicht unverantwortlich und wird nicht den Anstrengungen von Millionen Menschen gerecht, die sich mit allem, was sie haben, gegen Corona stemmen. Immerhin denken manche durchaus um: "Ich kenne Leute, die waren in der ersten Welle noch gelassen, sind es jetzt aber nicht mehr."
Nun aber kommt erst mal Weihnachten und dann das neue Jahr. Für Simone Fischer ist dies "die schönste Zeit des Jahres". Auch dieses Jahr, trotz allem. Und 2021? "Ich wünsche mir, dass wir alle befreiter leben können und die Menschen wieder näher zusammenfinden."

Autor:

Lokalkompass Hattingen aus Hattingen

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