Jugendheim - selbstgemacht

für Werner (†), Hilmar (†), Günter, Fifi und die anderen

Zum Ende der sechziger Jahre, war noch keine Rede von einem Jugendheim in Welper. Die Grundbedürfnisse der Jugendlichen – von uns als damals Jugendliche – waren die gleichen wie heute oder zumindest ähnlich.

Gut, unser Computer war ein Cassettenrecorder oder, wenn es möglich war, ein Tonbandgerät (am besten von UHER), mit dem AFN (American Forces Network) oder BFBS (British Forces Broadcasting Service) und deren Hitparaden mitgeschnitten wurden (Beatles, Rolling Stones, Birds, Manfred Mann u.a.).
Für Musik war also, mit gewissen Einschränkung gesorgt. Aber wo hört man sie? Wo kann man danach tanzen, klammern, sich näher kommen, kurz: Wo ist man ungestört von Eltern, Verwandten, Nachbarn?
Frage also: Wie kommt man an eine Räumlichkeit, die ein Bierchen, ein Zigarettchen und eine kleine Knutscherei dem Blick und der Aufsicht von Bedenkenträgern entzieht?

Ich hatte Glück ...

… und hatte Freunde, die – wie ich - in der IG Metall engagiert waren und so fanden wir – mit entsprechender Hilfe - einen Raum in der alten „Haidchenschule“.
Dort wurde uns ein ehemaliges Klassenzimmer zur Verfügung gestellt. Zur halbwegs freien Gestaltung und Nutzung. Es war karg, eigentlich leer. Nichts. Aber Raum. Raum für eigene Ideen und Aktivität.

Aus Sch... Gold …

Zu dieser Zeit gab es auch schon den „Schrottverwerter Bötzel“, der noch heute am „Steinen Haus“ und nahe beim Wasserschloss Kemnade „schrottet“.
Dort zerlegte der Betrieb hauptsächlich alte und – im wahrsten Sinne des Wortes – ausrangierte Waggons der Eisenbahn. So kamen wir auf die Idee, einmal nachzufragen, ob wir uns da nicht vielleicht vorab bedienen dürften.
Da Bötzel nur an Schrott interessiert war, fackelte man die alten Waggons einfach ab. Die Flammen schlugen hoch und die Rauchfahnen schwebten über der noch seelosen Ruhr, über Herbede, Sprockhövel, Blankenstein und wabberten bis über Welper hinweg.
All das Inwändige der Waggons wurde verbrannt, bis nur noch der eiserne Schrott übrig blieb. Die Flammen frassen Sitze, Holzverkleidung und vieles mehr.

Gedanken an Innenarchitektur …

… machten sich bei uns breit und wir fassten den Mut, bei Bötzel nachzufragen, ob wir vor dem „feurigen Ausschlachten“ selbst demontieren dürften. Fast völlig unkompliziert durften wir.

Und so …

… machten wir uns auf den Weg und an die Arbeit. Wir bauten komplette Zugabteile aus. Sitzbänke, kleine Tischchen, Wandaschenbecher, Abteilmülleimer, Hut- und Gepäckablagen.
Schafften die Beute in die Haidchenschule und montierten all dies rund herum an die Wände, Abteil für Abteil. In der Mitte verblieb eine Tanzfläche und an deren Kopfende, leicht erhoben, der Platz für einen Diskjockey, der – stolz wie Oskar – zwei Plattenteller vom Sperrmüll bedienen konnte, über deren Herkunft ich nichts mehr weiss oder besser: nichts mehr wissen will.

Farbe an die Wand, …

… Musik auf den Teller, Mädels eingeladen und an jedem Freitag war „Disco“ angesagt.

Fast wie auf der Reise mit einem Zug …

… kam man sich vor und es war wohl auch eine. Die Reise führte uns ins Leben oder besser in die individuellen Leben, die uns mal auseinander und durchaus auch einmal wieder zusammen führten.

Ich wünsche …

allen heute jugendlichen unser Glück.

Früher …

war nun wirklich nicht alles besser, Vieles war – ehrlich gesagt – schlechter. Aber manches war einfach leichter.

Trotzdem …

… versucht es.

Autor:

Rolf Haarmann aus Hattingen

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