Digitale Sommersynode des Kirchenkreises Hattingen-Witten
Debatten über die Zukunft
Dreiviertel aller evangelischen Christen besucht Veranstaltungen des evangelischen Kirchenkreises nur dann und wann. Hattingen-Witten Superintendentin Julia Holtz nannte das eine "bittere Erkenntnis". Schließlich stelle sie sich die Kirche als Gemeinschaft vor, die sich sonntags im Gottesdienst versammelt. Im Jahresbericht anlässlich der Sommersynode mutete sie den knapp 75 digital zugeschalteten Synodalen einen ungeschminkten Blick auf Gegenwart und Zukunft zu. Doch verzagt wirkte sie nicht.
Die Kirche müsse sich verändern, quasi „am Markt behaupten“, sie müsse sich öffnen, diverser und flexibler sein. Dabei gelte es aber auch, diejenigen nicht zu verlieren, die durch ihren regelmäßigen Besuch zeigen, dass sie die Kirche genau so schätzen, wie sie ist. „Wer ist Kirche?“, fragte Holtz schon zu Beginn der Synode, und meinte damit auch: Für wen ist Kirche? Sind es die drei Prozent der Sonntagskirchler, für die die Institution traditionell und vertraut ein Stück Heimat ist? „Oder sind es alle, die irgendwann eines unserer Angebote in Anspruch nehmen, sei es die kirchliche Hochzeit der Kollegin oder die Trauerfeier für den verstorbenen Nachbarn“, fragt Pfarrerin Holtz und verweist auch auf jene, die etwas vermissen.
Veränderungsprozesse
Der Prozess der notwendigen Veränderungen und Umstrukturierungen wurde im evangelischen Kirchenkreis schon vor mehr als zehn Jahren angestoßen. Zusammenarbeit über die Grenzen der Gemeinden hinweg, geteilte Pfarrstellen, Jugendarbeit, die von mehreren Gemeinden gemeinsam verantwortet wird – die parochiale, also an der Gemeinde orientierte Kirche habe sich in Bewegung gesetzt. Vor eineinhalb Jahren stellte der Kirchenkreis mit Klaus Martin Strunk einen Changemanager ein, der die Gemeinden in diesem Veränderungsprozess begleiten soll. Das Bild von einer Herde, die nicht durch einen Zaun, sondern durch Wasserstellen zusammengehalten werde, verwendete er bereits bei mehreren Presbytertagen, bei denen die Angst vor Veränderungen genommen werden soll: „Wenn man eine Herde zusammenhalten will, sollte man keinen Zaun bauen, sondern eine Wasserstelle anlegen – das lebendige Wasser stillt den Durst und wird so zu einer freiwillig aufgesuchten Kraftquelle.“ Unterstützung bekam Strunk für diesen Gedanken u.a. von Christina Biere, Pfarrerin für Mission, Ökumene und Weltverantwortung (kurz: MÖWe). Sie wünscht sich mehr Diversität in den Angeboten, aber auch beim „Bodenpersonal“.
Stellen neu besetzen
„Attraktive Stellen im Kirchenkreis anbieten ist in den derzeitigen Strukturen oft schwierig“, lenkte Andreas Knorr als Vorsitzender des Strategie- und Strukturausschusses den Blick auf diejenigen, die hauptamtlich bei Kirche arbeiten. Stellen, die finanziell, von der Aufgabe her und im Umfang attraktiv sind, seien zunehmend schwerer zu besetzen, weil sich der Stellenplan immer an der Zahl der Gemeindeglieder orientiert. Gemeinden können auch heute schon gemeinsame Vollzeitstellen schaffen. „Aber in der Realität gehen ja selten die passenden Personen aus zwei Gemeinden gleichzeitig in Rente“, so Knorr. Abhilfe schaffen soll darum ein neues Modell, mit dem der Kirchenkreis für eine Zwischenfinanzierung sorgt. „Natürlich muss klar sein, dass die Gemeinden hinterher gemeinsam besetzen und finanzieren wollen“, betont die Superintendentin. „Das ist vielleicht nicht das Allheilmittel für all unsere Probleme – aber gewiss ein Mosaikstein“, warb Andreas Knorr für das Konzept, das vom Kreissynodalvorstand (KSV) ausdrücklich befürwortet wird. Wie das praktisch funktionieren kann, erlebte der Kirchenkreis gerade in der Krankenhausseelsorge.
Was die Pandemie überdauert
Die Kirche muss sich auch fragen lassen, wofür sie das Geld ausgibt, das zur Verfügung gestellt wird. Seit einer lebhaften Diskussion um die Einrichtung einer kreiskirchlichen Kantorenstelle im Herbst 2019 bemüht sich Holtz größere Transparenz. Martin Barthelworth berichte, wie die "Creative Kirche" die etwa 130.000 Euro einsetzt, die sie jährlich aus Kirchensteuermitteln erhält. Eher unfreiwillig haben Gemeinden in den zurückliegenden Monaten neue Formate entwickelt, wovon auch in den Jahresberichten immer wieder zu lesen war. „Mit ungläubigem Staunen haben viele Gemeinden festgestellt, dass die neuen Ideen bei den Menschen ankamen“, freut sich Holtz. „Manches, was aus Not geboren wurde, hat durchaus einen eigenen Wert. Auf einmal denkt man darüber nach, ob man nicht manches auch ganz anders machen kann als bisher, etwas, das vorher unvorstellbar schien.“ Den Wohnzimmer-Gottesdienst der "Creativen Kirche" etwa sehen mittlerweile 5.000 Menschen im Monat. Dieses Format dürfte die Pandemie überdauern. Doch auch von der Anstrengung, die Arbeit unter unsicheren Rahmenbedingungen immer wieder neu entwickeln zu müssen, berichten die Gemeinden. „Planen, hoffen, absagen, neu erfinden…“, das zehre an den Kräften und scheine doch alternativlos. Martin Bartelworth bleibt optimistisch: „Wir leben in einer Zeitenwende. Das mutet Gott uns zu.“
In Kürze
- Nach dem Weggang von Pfarrer Christian Uhlstein war die Position des stellvertretenden Scriba vakant. Die Synodalen wählten Pfarrer Carsten Griese aus Rüdinghausen.
- Die bislang unbesetzte Stellvertretung des 3. Synodalältesten im KSV übernimmt Steffi Schmidt aus Bredenscheid-Sprockhövel.
- Zur Umsetzung des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, das am 1. März 2021 in Kraft getreten ist, schaffen die Kirchenkreise Hagen, Hattingen-Witten und Schwelm gemeinsam zwei Vollzeitstellen. Die hauptamtlichen Multiplikatoren und Präventionskräfte sollen mit Hilfe des Konzepts „Hinschauen – helfen – handeln“ Leitungsgremien schulen und sensibilisieren sowie dabei unterstützen, ein individuelles Schutzkonzept zu erarbeiten.
Autor:Lokalkompass Hattingen aus Hattingen |
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