Wir sind Hattinger: Helmut Rau

Helmut Rau. Foto: privat
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Durchforstet man heute die sozialen Netzwerke, so findet man unter dem Namen Helmut Rau buchstäblich nichts. Dabei blickt der am 20. Mai 1932 in Hattingen geborene Künstler, der jetzt seinen 85. Geburtstag feiert, auf ein bewegtes und sehr hartes Leben zurück. Der Stahlwerker auf der Henrichshütte „schreit mit Pinsel und Farben“ in der Hoffnung, die Menschen mögen es ihm gleichtun und eben nicht schweigend die Zerstörung der Erde hinnehmen.

Helmut Rau wuchs in einem Arbeiterhaushalt auf: sein Vater war Hüttenwerker, seine Mutter Hausfrau und er hat eine zehn Jahre jüngere Schwester. Die Kinderland-Verschickung während des Zweiten Weltkrieges erlebte er 1944 am Bodensee. 1945 kehrte er zurück – in einem Zug, voll mit Soldaten, ehemaligen Häftlingen aus Konzentrationslagern, mit hungrigen Menschen. Die Wohnung der Eltern in Hattingen war fast unversehrt, hier konnte er bleiben. Die ersten großformatigen Holzschnitte entstehen. Er beginnt mit 16 Jahren 1948 eine Lehre als Maler und Lackierer und geht ein Jahr auf Wanderschaft. Danach findet er einen Arbeitsplatz auf der Henrichshütte, zunächst als Ofenmann, später als Kranführer. Die ersten Malversuche nehmen Gestalt an.

Ein politischer Künstler

1949/50 wird Rau Mitglied der FDJ (Freie Deutsche Jugend) und der KPD. Er will sich einsetzen gegen das globale Kapital, gegen die Zerstörung der Umwelt, gegen Aufrüstung. In einem Flyer zu einer Ausstellung viele Jahre später, im April 2009, steht geschrieben: „Mir sagte jemand: Sie malen aber bunt; ja, die Äpfel, die Blumen, die Sonne, die Bienen noch nicht leuchtend genug und die Menschen, die aufwachenden Arbeitermassen in einem Aquarell mit Acryl übermalt… Schreien soll alles: Seht, wie schön alles ist, selbst das Licht der 2000 Grad am Schmelzofen, wenn Friedensstahl gemacht wird“. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 erhält die KPD 5,7 Prozent; 1950 erließ die Regierung Adenauer ein Berufsverbot für KPD-Mitglieder im öffentlichen Dienst. 1953 wird die FDJ, 1956 die KPD verboten.
Helmut Rau tritt weiter ein für seine Überzeugungen. Beteiligt an der Organisation der Weltfestspiele der Jugend und Studenten (kurz: Weltjugendspiele), kämpft er für seine Ziele. Die Spiele sind internationale Jugendtreffen, die 1947 vom Weltbund der demokratischen Jugend (WBDJ) ins Leben gerufen wurden. 1951 fanden die Spiele in Berlin statt – 26.000 Teilnehmer aus 104 Ländern sollen dabei gewesen sein (Quelle: Wikipedia). Die teilnehmenden Jugend- und Studierendenverbände sind in ihren Zielen überwiegend links ausgerichtet. Es gibt diese Spiele, die meistens im sogenannten Ostblock stattfinden, übrigens heute noch: für dieses Jahr sind die 19. Weltfestspiele in Sotschi geplant – 30.000 Menschen werden hier zu Vorträgen, Musik und Diskussion erwartet (Quelle: Wikipedia).
Sein Engagement und seine politische Ausrichtung bringen Helmut Rau 1953 eine erste Verhaftung ein, nach acht Monaten wird er auf Bewährung entlassen. In der Gefängniszelle malte er heimlich weiter. Das Material wurde mit Hilfe anderer inhaftierter Genossen ins Gefängnis geschmuggelt. 1958 heiratet er, das Paar bekommt einen Sohn. Doch seine Familie stirbt früh. Mit gerade einmal dreißig Jahren muss er 1962 erneut ins Gefängnis, angeklagt wegen „Staatsgefährdung und Landesverrat“ – diesmal sind es 23 Monate Einzelhaft in Essen. Auch in dieser Zeit ist das Malen seine einzige Hoffnung. Nach seiner Entlassung arbeitet er zwanzig Jahre als Spritzlackierer. In dieser Zeit entstehen zahlreiche Gemälde, Grafiken, Linol- und Holzschnitte. Bekannt sind auch seine Wimmelbilder, viele mit politischen Aussagen unterlegt. Aber seine Gesundheit leidet – auch die Folge der Einzelhaft und des anstrengenden Berufes. Gerade das 50. Lebensjahr überschritten, wird Helmut Rau Rentner. Er zieht sich mit seiner zweiten Frau ins Sauerland, nach Plettenberg, zurück. Dort lebt er viele Jahre mit ihr und der Schwiegermutter – eine Zeit, die vom Malen bestimmt ist. Es entstehen unzählige Bilder und Grafiken. Nur selten findet der scheue Künstler den Weg in die Öffentlichkeit, oft nicht einmal zu seinen eigenen, kleinen Ausstellungen. Viele seiner Werke befinden sich heute in Privatbesitz, aber etliche sind jetzt in den Händen des LWL-Industriemuseums. Dafür sorgte eine gute Hattinger Freundin. In Dortmund nimmt das Referat „Sammlung“ unter der Leitung von Olge Dommer und Vera Steinborn unter anderem die Verwaltung musealer Sammlungen wahr. Hier befinden sich auch die Werke von Helmut Rau, die natürlich auch Robert Laube, dem Leiter des LWL-Industriemuseums Henrichshütte, bekannt sind. Vielleicht gibt es ja einmal in Hattingen eine Ausstellung der Werke von Helmut Rau.
Der Künstler selbst lebt heute in einer Altenhilfeeinrichtung in Witten-Herbede, gemeinsam mit seiner Frau. Pinsel und Farben bestimmen seinen Alltag nicht mehr, doch seine Freunde haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er vielleicht noch einmal zum Skizzenblock greift.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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