Ramadan: Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen
(von Cay Kamphorst) Dieses Jahr begehen die Muslime ihren Ramadan, die religiöse Fastenzeit, vom 20. Juli bis zum 18. August. Eine Zeit, in der die Menschen das Leid der Armen nachempfinden und dankbar sind, dass sie am Abend doch ihre Mahlzeit einnehmen können.
Der „Ramadan“ oder in manchen Ländern auch „Ramazan“, endet am frühen Morgen des 19. August mit einem gemeinsamen Gebet. Danach wird drei Tage gefeiert, das so genannte „Zuckerfest“.
Nach dem Koran bedeutet Fastenzeit, dass Gläubige vom Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf alles verzichten. Die Uhrzeiten sind auf die Minute genau festgelegt. Tagsüber ist jeglicher Genuss wie Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr oder das Rauchen verboten. Ausgenommen sind Kranke, deren Gesundheit durch das Fasten gefährdet wäre, wie auch schwangere, stillende und menstruierende Frauen. Sie holen das Fasten nach Wegfall der Gründe im Anschluss nach. Kinder fasten ab der Pubertät mit.
„Nach dem Koran ist die Fastenzeit natürlich Pflicht. Aber jeder Gläubige muss für sich selbst entscheiden, ob er teilnehmen kann oder nicht. Wer körperlich schwere Arbeit verrichtet, muss keine Fastenzeit einhalten“, erklärt Mehmet Baydar (43), zweiter Vorsitzende des Vereins „DITIB Türkisch Islamische Gemeinde zu Hattingen e.V.“. „Wir denken in der Zeit an die Armen, und spenden das tagsüber durch Verzicht gesparte Geld. Wer nicht teilnehmen kann, gibt pro Tag einen Betrag ab, der aber nicht als Spende, sondern eher als Verpflichtung, auf türkisch ‚Fidye‘, zu sehen ist. Allerdings auch nur diejenigen, die finanziell dazu in der Lage sind. Wer kein Geld hat, braucht natürlich auch nichts abgeben. “
Wem es möglich ist, der nimmt während des Ramadan Urlaub. Die Spendengelder werden weltweit an arme Menschen verteilt.
„Abends treffen sich Familien zum gemeinsamen Gebet und Essen. Was das Gefühl der Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit stärkt“, beschreibt Ahmet Yilmaz (54) das abendliche Fastenbrechen. „Die Menschen sollen sich auf sich selbst besinnen. Das Fasten lehrt sie Geduld, Ruhe, Mitleidsgefühle, Moral, Disziplin und bringt sie Gott näher.“
Der Ramadan richtet sich nach dem arabischen Kalender und verschiebt sich jedes Jahr um zehn Tage nach vorne. Er ist neben dem Lesen des Korans, den täglichen Gebeten, der Wohltätigkeit und der Wallfahrt nach Mekka eine der fünf wichtigsten Grundpflichten eines jeden gläubigen Muslimen.
Der 27. Ramadantag ist besonders heilig, denn da erhielt der Prophet Mohammed von Gott die 114 Suren des Korans, offenbart durch den Erzengel Gabriel. „Immer, wenn die Menschen auf der Erde große Probleme hatten, schickte Gott eine Lösung. So hat es insgesamt 23 Jahre gedauert, bis Mohammed alle Suren zusammen hatte“, beschreibt Mehmet Baydar.
„Die Fastenzeit ist für uns die schönste Zeit des Jahres“, erzählt Hülya Cetin (43). „Wir beten zusammen und abends treffen wir uns und essen gemeinsam. Auch das Essen selbst wird viel mehr geschätzt. Jetzt höre ich ganz oft ‚das hast du lecker gekocht‘, dabei mache ich die gleichen Mahlzeiten, wie auch in den anderen Monaten.“ Der Ramadan sei eine Zeit der Reinigung von Geist und Körper. „Gott verzeiht uns dann alle Sünden.“
Zum Abschluss des Fastenmonats wird drei Tage lang das Fest des Fastenbrechens (Ramadan Bayrami) gefeiert. Das namentlich bekanntere „Zuckerfest“ (Seker Bayrami) ist für Muslime so wichtig wie für Christen das Weihnachtsfest. Es wird so genannt, weil die Kinder viele Süßigkeiten und Geschenke erhalten. „Es werden aber nicht nur die eigenen Kinder beschenkt, sondern alle, die zu Besuch kommen. Erwachsene schenken sich nichts. Das ist an Weihnachten bei den Christen etwas anders.“
Mehmet Baydar erinnert sich. „Als ich noch ein Kind war, gingen wir von Haustür zu Haustür und bekamen dann Süßigkeiten geschenkt. Das ist heute nicht mehr der Fall.“ Aber auch Senioren und Kranke werden nicht vergessen. „Der erste Tag ist für die Familie selbst. An den beiden anderen Tagen werden kranke und alte Menschen besucht, die sonst nicht so viel raus kommen.“
Kübra Cetin (12) nimmt erst nächstes Jahr am Ramadan teil. Kinder machen probeweise mal einen Tag mit. Dieses Jahr hat sie bereits einen Tag komplett gefastet. Ein weiterer Versuch scheitert in der Mittagszeit am Hungergefühl. Dann darf sie auch essen und trinken, gezwungen wird niemand.
Auf die Frage, warum sie denn den einen Tag durchgehalten habe und den weiteren nicht, antwortet sie: „Da gab‘s bessere Filme im Fernsehen.“
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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