Kritik zur "Carmina Burana auf der Hütte"

Am Samstag wurde die Aufführung wetterbedingt in die Gebläsehalle verlegt. Foto: Biene
  • Am Samstag wurde die Aufführung wetterbedingt in die Gebläsehalle verlegt. Foto: Biene
  • hochgeladen von Dr. Anja Pielorz

Strömender Regen und strahlender Sonnenschein – bei der Aufführung der „Carmina Burana“ auf der Hütte war alles dabei. Konstant blieb der Beifall des Publikums bei drei nahezu ausverkauften Veranstaltungen.

Der Verein „commedia musicale hattingen e.V.“ ist ein mutiger Verein. Er inszenierte mit Carl Orffs „Carmina Burana“ auf dem Hüttengelände ein Stück mit vielen Risiken.
Da ist zum einen das Wetter, denn das Open-Air-Spektakel wirkt in der für den Regen vorgesehenen Gebläsehalle ganz anders.
Da ist zum anderen die Fülle der fast 500 Darsteller, die sich untereinander nicht alle kennen und nur wenige gemeinsame Proben bestreiten können.
Und drittens sind da die schauspielerischen Szenen in der thematischen Übersetzung in die Neuzeit – beginnend mit der Heimkehr aus Krieg, dem Wirtschaftswunder, der Familiengründung, dem Hüttenkampf, die der Zuschauer begreifen und erkennen muss.
Nach den geplanten drei Aufführungen kann man nur sagen: Mehr davon! Julia (11), Mitglied des Kinderchores, formulierte es nach der Premiere treffend: „Ich könnte das jetzt vier Wochen machen“. Ja, die Zuschauer hätten sich wohl gefunden, die dem Stück auch über einen längeren Zeitraum die Ehre erwiesen hätten.
Doch zurück zu den drei Tagen der Aufführung. Einen Tag zuvor die Haupt- und Generalprobe auf der Bühne unter dem Hochofen. Die Sonne scheint. Es ist bizarr und gigantisch zugleich. Dann die Premiere. Die Sonne scheint nicht. Erst spät fällt die Entscheidung, trotzdem draußen zu spielen.
Zum Start um 21 Uhr hält das Wetter noch. Zur Pause um 21.45 Uhr regnet es sacht. Um 22 Uhr, zu Beginn des zweiten Teils, regnet es kräftig. Bis auf etwa 50 Zuschauer bleiben alle. Eingehüllt in Regencapes, Kapuzen tief über den Kopf gezogen, bilden sie die fast bewegungslose Kulisse für eine großartige Inszenierung. Gut, das Feuerrad am Ende der Inszenierung sieht man nur, wenn keine riesige Kapuze die Sicht versperrt. Aber egal.
Die Entscheidung der Veranstalter, draußen zu spielen, ist absolut richtig. Es regnet. Na und? Ist nur Wasser. Das Orchester, die Rhein-Ruhr-Philharmonie mit ihrem Dirigenten Thomas Schlerka sitzt natürlich im Trockenen, der Instrumente wegen.
Der Rest wird nass. Das gilt auch für den gigantischen Chor. Die Erwachsenen tragen alle Helm, die Kinder in Blue Jeans und weißen Oberteilen werden auch nass. Egal. Mit Adrenalin im Blut stört das niemanden.
Das Gefühl der Gemeinschaft toppt alles. Man gehört dazu. Dieser Gedanke ist da und den spürt man. Und die, die es erlebt haben, werden es wieder gespürt haben: So war das damals, beim Hüttenkampf. Diese Gemeinsamkeit, die war es, mit deren Hilfe man das durchstehen konnte.
Nein, Hattingen ist damals nicht gestorben. Und wie lebendig diese Stadt ist, erlebt man auch mit den semiprofessionellen Darstellern sowie den Solisten Ina Yoshikawa (Sopran), Bertram Paul Kleiner (Tenor) und Achim Hoffmann (Bariton)in dieser Oper.
Bei der zweiten Aufführung am Samstag geht es dann doch in die Gebläsehalle. Zu spät hörte der Regen auf. Die Akustik ist besser, die Optik nicht. Zum einen fehlt die beeindruckende Hochofenkulisse, zum anderen kann man von vielen Plätzen die schauspielerischen Darbietungen nicht sehen. Das altbekannte Problem der Gebläsehalle ohne Tribüne.
Und dann die letzte Aufführung. Während die deutsche Fußballnationalmannschaft sich bei der Europameisterschaft mit einem Sieg ins Viertelfinale schießt, scheint die Sonne auf die fast 500 Darsteller und den Hochofen und die Szene ist wie gemalt. Und als zum Schluss das Feuerrad erglüht, da ist wohl jedem Zuschauer klar: Die Hütte lebt, Hattingen lebt und dieser Verein, „commedia musicale hattingen“ mit Patric Albrecht und Wolf Dieter Schäfer an der Spitze hat Unglaubliches geleistet.
Was bleibt? Zum einen der Wunsch, der Verein möge für das nächste Jahr ein neues Stück open air inszenieren. Zum anderen für die Teilnehmer und die Zuschauer das Gefühl, etwas Besonderes gesehen zu haben. Wie sagte schon der große Aristoteles? „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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