Hattingen: Das Glockenspiel im Johannisturm
„Da müsste ich wohl der Stadt auch mal wieder Bescheid geben, dass hier sauber gemacht wird.“ Der das sagt ist Peter Siepermann. Gemeint ist der Aufgang zum Glockenspiel im Johannisturm, dem einzigen Überbleibsel der am 14. März 1945 durch einen Bombenangriff zerstörten Kirche, der auch das dicht mit Fachwerkhäusern bestandene Krämersdorf in Schutt und Asche legte.
Doch zurück in die Jetzt-Zeit und zu Peter Siepermann. Von seinem Vorgänger Walter Schulte, der schon für Ministerpräsident Johannes Rau und für Bundespräsident Roman Herzog die Glocken klingen ließ, hat er das Ehrenamt geerbt. Seitdem kümmert er sich mit großer Leidenschaft um das Glockenspiel.
Dies erklang am 8. Juni 1958 zum ersten Mal. „Freut euch des Lebens“ wurde damals gespielt, nachdem der Industrielle und Großkonsul Leo Gottwald das Glockenspiel seiner Stadt Hattingen gestiftet hatte.
1999 wurde das Glockenspiel grundlegend saniert, der frühere Spieltisch abgebaut. Seitdem ist Peter Siepermann dabei. „Zu der Zeit funktionierte das Ganze noch über Walzen“, erklärt der Hattinger. „Jetzt wird das Glockenspiel über ein normales Keyboard von Yamaha gespielt.“
Der 40jährige, der im normalen Leben im Testmanagement im Bereich Energietechnik-Software tätig ist, erinnert sich noch genau an sein erstes Mal am Glockenspiel: „Das war ein spannendes Gefühl, so möchte ich es mal umschreiben, meine erste musikalische Berührung mit einem Glockenspiel. Damals wie heute empfinde ich es als Ehre, darauf spielen zu dürfen. Daher war ich schon ein wenig aufgeregt – auch wegen des neuen Instruments. Verbunden mit einem gehörigen Maß an Vorfreude war das Spiel darauf für mich ein sehr intensiver Moment. Vielleicht ist es vergleichbar, wenn man eine neue Modell-Eisenbahn das erste Mal ausprobiert.“
"Eine Ehre, darauf spielen zu dürfen"
Gespielt hat er damals „Glückauf, der Steiger kommt!“ Noch heute eröffnet er damit in jedem Jahr das Altstadtfest. Peter Siepermann: „Dieses Lied erinnert wie kaum ein zweites an die Geschichte unserer Region, spiegelt sie wider. Daher spiele ich dieses Lied so oft wie möglich.“
Beim Hattinger Glockenspiel erklingen 24 Stahl- und eine Bronzeglocke. Das entspricht zwei Oktaven inklusive der Halbtöne. Schwächen berge das Glockenspiel nach wie vor, die er zu umspielen habe, beschreibt er, auch wenn dem Laien dies nicht auffällt, während Peter Siepermann mal eben „Muss I denn…“ über die Gassen der Altstadt hinweg erklingen lässt. „Es fehlt ein einheitliches Anschlagsystem“, sagt der Fachmann.
Um zu verstehen, was der „gelernte“ Kirchenmusiker, der in Winz-Baak und manchmal auch in Niederwenigern die Kirchenorgel spielt, damit meint, geht es hoch hinauf in den Turm. Zum Glück sind die sehr wackligen Holzleitern, die noch vor ein paar Jahren zu den Glocken führten, mittlerweile ersetzt worden durch solide, aber sehr steile Stahltreppen mit einem Geländer. Eng sind die Durchstiege durch die drei Etagendecken dennoch.
Und dann hängen sie vor einem, in Reih und Glied – auch übereinander. Und überall Elektro-Leitungen. Eigentlich sehen sie gar nicht so spektakulär aus, die Glocken. Nicht so groß wie ein Kirchengeläut – jedenfalls nicht so mächtig, wie sie der eigenen Vorstellung nach sein müssten.
Klöppelzug am tiefen "D"
Die größte Glocke ist das tiefe „D“, übrigens die einzige, bei der nach wie vor der Klöppel an die Glocke gezogen wird, um sie zum Klingen zu bringen. „Beim neuen System“, beschreibt Peter Siepermann, „werden die restlichen Glocken von außen angeschlagen. So reagiert das ganze Spiel schneller, denn der Weg zur Tonerzeugung ist einfach viel kürzer.“ Logisch, aber eben nicht einheitlich – leider.
Doch Peter Siepermann kennt die Tücken „seines“ Glockenspiels, weiß um Schwerpunktausgleichsfedern vom Gehäuse zum Klöppel und liebt dieses sein Ehrenamt als Glockenspieler. Sein Können stellt er übrigens auch bei vielen Gastspielen außerhalb von Hattingen unter Beweis. Der leidenschaftliche Musiker, der auch stimmlich zu überzeugen weiß, gibt immer wieder Konzerte etwa in Erfurt unter sogar 60 Bronzeglocken, wodurch sich rein musikalisch natürlich ganz andere Möglichkeiten ergeben. Während in Hattingen hauptsächlich Volkstümliches zu Gehör gebracht wird, erklingen von ihm dargeboten anderswo – auch in Gera, Cuxhaven oder Hamburg – Werke aus Klassik oder Barock und auch Original-Literatur für Glockenspiele (Carillon).
Peter Siepermann spielt in Hattingen regelmäßig beim Weihnachtsmarkt, jeden Samstag vor dem Auftritt von Frau Holle und beispielsweise auch beim Altstadtfest.
Bis das Ende Juni über die drei großen Bühnen in Hattingen gehen wird, werden sicherlich die vielen Spinnweben und Wollmäuse im Treppenaufgang verschwunden sein – genau wie es zum Glück mit der Taubenplage im Johannisturm bereits geschehen ist.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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