Hattingen: Chaussee ist seit 150 Jahren Lebensader von Blankenstein
(von Ellen Breitenbach)
Können Sie sich heute vorstellen, dass es vor 150 Jahren die heutige Wittener Straße zwischen dem Steinenhaus im Hammertal und Blankenstein noch gar nicht gab? Über diese inzwischen so wichtige Verbindung berichtet heute als Gastautorin die bekannte Heimatforscherin und Mitglied vom Heimatverein Blankenstein, Ellen Breitenbach.
Vor mehr als 150 Jahren war diese heute so wichtige und viel befahrene Verkehrsader noch nicht vorhanden. Aus östlicher Richtung gab es nur einen schmalen, von Fuhrwerken kaum zu bezwingenden Weg durch den steilen Katzenstein Richtung Blankenstein.
Der Blankensteiner Bürger, erfolgreiche Handelsherr, Reeder, Fabrikant und Gewerke Carl Friedrich Gethmann (1777-1865), hatte schon früh erkannt, dass eine gut befahrbare Straße die Vorraussetzung war, das in Isolation auf dem Berg gelegene Städtchen vor der Verarmung zu retten.
Seine bei den höheren Behörden immer wieder eingeforderte Verkehrsanbindung Blankensteins hatte zur Folge, dass die Regierung in Arnsberg ihn 1826 zum Commissar für den Wegebau ernannte.
Gethmann machte sich sofort an die Arbeit. Unterstützt wurde er durch den Justizkommissar Hermann Schultz aus Bochum. Sie ließen einen Chausseebauplan ausarbeiten, den Schultz finanzierte. Bereits im März 1828 hätten die Planierarbeiten in der heutigen Linienführung zwischen Blankenstein und dem Steinenhaus verdungen werden können. Die dem damaligen Landrat von der Recke-Volmarstein zur weiteren Bearbeitung überlassenen Unterlagen verschwanden jedoch in dessen Aktenschränken.
Gethmann äußert dem Kronprinzen gegenüber drei Wünsche
Gethmann wurde nie müde, überall dort, wo er sich Beistand erhoffte, auf die verkehrliche Notsituation Blankensteins hinzuweisen.
Eine Gelegenheit ergab sich beim Besuch des Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in Blankenstein im Oktober 1833, der gekommen war, um den viel geloben Gethmannschen Garten zu sehen. In der an den hohen Gast gerichteten Ansprache erbat Gethmann die Erfüllung von drei Wünschen. Einer davon war die Bitte „um Mittel für eine gute Landstraße von Hattingen über Blankenstein nach Crengeldanz“. Der Kronprinz schickte die Büste seines Vaters (heute im Stadtmuseum) als Anerkennung für den wunderschönen Landschaftsgarten, aber keine finanziellen Mittel.
Erst der neue Landrat Adolf Gisbert Pilgrim, der seit 1853 das Amt bekleidete, unterstützte den Chausseebau mit allen Kräften. Da Blankenstein die Baukosten von 30.000 Mark nicht allein stemmen konnte, sorgte er für die finanzielle Beteiligung des Landes, der umliegenden Städte und Gemeinden.
Die Straße wurde in den Jahren 1863 bis 1865 fertig gestellt. Als besonders schwierig erwies sich der Durchbruch der Anhöhe am heutigen Roswitha-Denkmal. Mit Fuhrwerken mussten die mühsam heraus gebrochenen Felsstücke und Steine abtransportiert werden.
Für die Benutzung der Straße wurde eine Maut erhoben. Um sich für die Unterstützung zu bedanken, hatten die Stadtvertreter beschlossen, „dem schönsten Punkt der neuen Straße, da, wo sich zwischen Blankenstein und Steinenhaus eine reizende Aussicht ins Ruhrtal bietet, den Namen ,Pilgrims-Höh‘ beizulegen und diesen Beschluss durch Errichtung eines Gedenksteins zu verewigen“.
Die neue Chaussee wurde am 30. Dezember 1865 durch eine Festfahrt von Hattingen bis zum Steinenhaus eröffnet und in einem Artikel des „Märkischer Sprecher“ vom 4. Januar 1866 ausführlich beschrieben:
Hier ein historischer Zeitungsbericht
„Der Herr Landrath Pilgrim, der Herr Kreisbaumeister Haarmann, Bürgermeister Kämper und die hiesigen Stadtverordneten, die Herren Bürgermeister Schumacher und Pickert von Hattingen, Herr v. Berswordt-Wallrabe und viele Herren aus Bochum und der Umgebung von Blankenstein nahmen an der Festfahrt Theil und war es ein interessanter Anblick, den langen Zug von mehr als 1 Dutzend Wagen in bequemem Trab die Höhen sich hinanbewegen zu sehen, die vordem nur in langsamem Schritte unter Ueberwindung unzähliger Schwierigkeiten zu erreichen waren. Nachdem die Wagenreihe Blankenstein passirt hatte, gelangte sie unweit der Stadt an einen Punkt der neuen Straße, von wo aus sich dem Blicke eine herrliche Aussicht darbietet auf den lieblichen Ort mit seiner alten Burg und auf das romantische Ruhrthal. Die Wagen machten hier Halt, und als der letzte, der des Landraths Pilgrim, heranfuhr, fiel ein Vorhang, der bis dahin ein Denkmal verhüllt hatte, eine 7 Zoll hohe Pyramide, welche die Inschrift trägt: Pilgrims-Höh’. Dem Landrath Pilgrim zum Dank für sein Verdienst um das Zustandekommen dieser in den Jahren 1863/65 erbauten Straße“.
Es folgten kurze Ansprachen. Als der Wagenzug später vom Steinenhaus zurückkehrte, spielte ein Musikcorps auf der schönen Pilgrims-Höh’ die preußische Nationalhymne. Danach vereinte ein Festmahl etwa 100 Personen im Saale des Gastwirts Heil (heute Teil des Museums). In seiner Ansprache dankte der Landrat den zahlreichen Gebern, ganz besonders auch dem verstorbenen Kommerzienrat C.F. Gethmann. Er hatte als alter Mann den Bau der Straße noch erlebt, starb aber am 22. März 1865.
Straße wird Lebensader von Blankenstein
Damit endete für Blankenstein die Zeit der verkehrlichen Isolation, die sich seit Bestehen des Ortes durch seine Lage auf der fast unzugänglichen Bergeshöhe ergeben und seine Entwicklung entscheidend gehemmt hatte. Das Durchhaltevermögen der Initiatoren und die enorme finanzielle Belastung für die Erhaltung der Chaussee, die Blankenstein auf sich genommen hatte, zahlten sich aus. Die Straße wurde Blankensteins Lebensader. Besucher strömten an den Sonntagen in Scharen herbei, um die Burg und den Gethmannschen Garten zu besuchen. Blankenstein wurde zur beliebten Ausflugstadt, der Fremdenverkehr zur neuen Einkommensquelle.
Die ehemalige Chaussee entwickelte sich zum Autobahnzubringer. Für die Verbreiterung der Straße und Entschärfung der Kurve fielen der kleine Platz am südlichen Rand der Straße, die „Pilgrims-Höh“, und das hübsche Denkmal zum Opfer. Hier befindet sich heute die Bushaltestelle aus Richtung Bochum. Der schlichte Gedenkstein gegenüber am nördlichen Straßenrand findet keine Beachtung mehr. Freiwillige des Heimatvereins Blankenstein sorgen regelmäßig dafür, dass er gesäubert und von der Natur nicht überwuchert wird. Leider haben Wanderfreunde den Stein zum Anbringen von wetterfesten Wegzeichen benutzt.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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