Buchkompass: Femina von Janina Ramirez
Frauen gabs auch im Mittelalter

Die Geschichte wird nicht nur durch die Sieger geschrieben, sondern in der mittelalterlichen Geschichte vor allen Dingen durch Männer. Das liegt hauptsächlich daran, dass es die Herrscher und Kirchenmänner waren, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Erfolge der Männer für die Nachwelt aufzuheben. Frauen spielten dabei immer nur eine untergeordnete Rolle und die wenigen Frauen, die sich mit dem eigenen Geschlecht oder sich selbst befasst haben, sind vielen unbekannt. Dies wiederum gefällt dem Patriarchat.

Zum Glück gibt es gerade durch die aktuelle Frauenbewegung und queere Bewegung im Besonderen viele Wissenschaftler*innen, die sich den Frauen in allen Epochen explizit widmen und uns dann neben Jeanne d’Arc und Hildegard von Bingen noch anderen Frauen vorstellen. Im Buch Femina - Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen von Janina Ramirez und übersetzt von Karin Schuler dreht es sich um einige dieser Frauen und es wird uns die Augen öffnen und wünschen, dass bald noch mehr Quellen gefunden werden. Erschienen ist das buch beim Aufbau Verlag.

Nach einem Vorwort, in dem sofort aufgezeigt wird, dass das Mittelalter nicht nur eine von Männern geprägte Zeit war, sondern auch Frauen dieser Epoche ihren Stempel aufgedrückt haben, führt uns die folgende Einleitung zu den Suffragetten der 1910er Jahre in England, die wiederum selbst auch ins Mittelalter und darüber hinausblickten, um Heldinnen zu finden. Hier wird neben Jeanne d’Arc auch die Amazonenlegende vorgestellt. In der Einleitung wird auch klar gemacht, wieso Frauen so wenige Rollen in der Geschichte des Mittelalters spielen, sie wurden schlicht vergessen, übersehen oder in böswilliger Weise herausgeschrieben.
Die folgenden Kapitel widmen sich dann besonderen Frauen des Mittelalters, einer Handwerkerin ohne Namen, die in einem Grab in Loftus gefunden wurde und mit Dingen begraben wurde, die man in einem solchen Grab nicht erwartet. Dazu gibt es Informationen zum Schmiedehandwerk und zur Verifizierung des Leichnams und des Alters.
Im folgenden Kapitel dreht sich alles um Herrscherinnen in Mercia und deren tatsächlichen Einfluss. Auch hier gibt es einige Überraschungen, denn nicht alle Herrscher herrschten allein und kluge Heiratspolitik brachte auch den Frauen etwas.
Das folgende Kapitel widmet sich den Wikinger*innen und deren durchaus offene Art und Weise mit dem Beweis der kämpfenden Frauen. Ein Beweis, der in den letzten Jahren immer wieder kritisiert und angezweifelt wurde. Hier zeigt sich, wie vehement die Geschichtswissenschaft gegen neue Informationen wehren kann, wenn etwas nicht ins männliche Weltbild passt.
Ruhiger wird es dann beim Kapitel zum Teppich von Bayeux, der von Frauen hergestellt wurde und die doch viel zu wenig Ruhm dafür bekamen, ganz im Gegensatz zu dem Ereignis, das darauf dargestellt wird. Ein interessantes Kapitel mit vielen Informationen zur Schwierigkeit der Herstellung des Teppichs und natürlich zur Geschichte dahinter.
In einem, Buch über Frauen des Mittelalters darf Hildegard von Bingen nicht fehlen und deshalb ist das eigene Kapitel nicht überraschend.
Ihr folgt ein Kapitel über die Albigenser, eine Gruppe, die man als Häretiker bezeichnete und die Frauen in hohen Positionen und mit mehr Rechten ausstatten wollten. Ein interessantes Kapitel, nicht nur wegen der Position der Frau in der Gruppe, sondern ganz allgemein erhält man einen neuen Blick auf die Albigenser.
Kapitel Sieben widmet sich der 1997 heiliggesprochenen Hedwig von Anjou, König von Polen von 1384 bis 1399. Dieses Kapitel macht deutlich, welche Macht Frauen auch in katholischen Ländern haben kann. Gerade da Polen ein so wichtiger Nachbar ist, ist das Kapitel sehr gelungen und die Person auch für uns wichtig.
Margery Kempe, die Protagonistin des nächsten Kapitels führt uns wieder nach England und erzählt die Geschichte einer Händlerin, Mystikerin und Reisenden. Drei kulturelle Facetten, die so noch nicht oft aus weiblicher Sicht beschrieben wurden. Ein absolut interessantes Kapitel.
Nicht weniger interessant geht es dann im abschließenden Kapitel weiter, denn dieses widmet sich Migration, Sklaverei, Rasse und auch dem Thema Transgender. Hier sind einige Zahlen und Fakten, die nicht jedem gefallen werden, die aber ein sehr breites Bild der Londoner Gesellschaft des Mittelalters offenbart. Ein toller inhaltlicher Abschluss, dem ein knappes Nachwort und ein Dank folgen.
Wissenschaftlich geht es aber noch weiter. Anmerkungen, ein Abbildungsverzeichnis und ein Orts- und Personenregister runden das Buch ab.

Inhaltlich ist das Buch schon stark, gerade, weil es ein wissenschaftliches Buch ist, ist es aber auch wichtig zu sagen, dass es auch unterhaltsam geschrieben wurde und eben auch Leser*innen ansprechen wird, die nicht gerne wissenschaftliche Literatur lesen. Optisch ist es ebenso gelungen, denn die Bilder sind absolut gut ausgewählt worden und unterstützen den historischen Exkurs gekonnt. Das Cover wird nicht jeder sofort verstehen, ich fand es aber ebenso gelungen und passend.

Fazit: Femina von Janina Ramirez ist ein wichtiges Buch über die Frauen im Mittelalter und für die Frauen der Moderne, die ihre Rechte und ihre Geschichte immer noch erkämpfen müssen. Die vorgestellten historischen Frauen sind gut ausgewählt und allein die Diskussionen und Vorwürfe zu einigen Erkenntnissen von männlicher Seite machen deutlich, wie wichtig so ein Blick auf die Geschichte ist. Wissenschaftlich aber trotzdem sehr gut lesbar und unterhaltsam.

Autor:

Martin Wagner (Die PARTEI Hattingen) aus Hattingen

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