Rezension: Lukas Rietzschel - Raumfahrer
Die Geschichte des Ostens?
Die Wiedervereinigung ist nun bereits mehr als 30 Jahre her und dennoch sind sowohl im Westen als auch im Osten nicht alle Wunden verheilt und eine tatsächliche Vereinigung hat zwar räumlich, aber immer noch nicht in den Köpfen der Menschen stattgefunden. Doch wie soll ein Land auch so einfach zusammenwachsen, wenn die Grundlagen, die Geschichte und vor allen Dingen der Ablauf der Wiedervereinigung die Menschen eher entzweit haben.
Einen Blick darauf, mit dem Fokus auf die Bewohner des Ostens, und auf das Geheimnis der Familie des Protagonisten Jan wirft Lukas Rietzschel in seinem Roman Raumfahrer. Lukas Rietzschel, selbst Sachse, hat mit seinem Debütroman, Mit der Faust der Welt, bereits überzeugen können und Preise und ein Stipendium gewinnen können. Das spricht für den Autoren und den Roman.
Trist beginnt der Roman mit Jan, Pfleger in einem Krankenhaus, welches kurz vor der Schließung steht. Wieder einmal eine Nachtschicht ohne Aufgaben, immerhin kann er die Schicht mit Karoline, einer Ärztin, verbringen. Dabei reden Sie auch über einen Stammkunden, der regelmäßig zur Physiotherapie kommt, Herrn Günter Kern, der Jan ein Foto gezeigt hat, welches zumindest ausgereicht hat, Jan neugierig zu machen und dessen Einladung annehmen lies. Mit diesem Foto und der Einladung beginnt die Reise durch eine entfernte Vergangenheit, eine nicht ganz so ferne Vergangenheit und die Gegenwart zweier Familien, Jans Familie und die Familie von Herrn Kern, die durch Nationalsozialismus, Sozialismus und Wiedervereinigung geprägt wurden. Dabei dreht sich auch einiges um den bekannten Künstler Georg Baselitz, dessen eigentlicher Name Hans-Georg Kern ist. Fast alle Fragen werden beantwortet und einige werden bewusst unbeantwortet gelassen. Es gilt, der Weg, also das Lesen des Buches, ist das Ziel.
Das Buch spiegelt den jeweiligen Zeitgeist gekonnt wieder und es gelingt ein klares Bild der Vergangenheiten und der Gegenwart zu zeichnen, welches nicht nur erklärt, wie es zu bestimmten Dingen kommen konnte, sondern eben auch, wo sich die einzelnen Auslöser befinden. Das macht dieses Buch nicht nur zu einem Buch über Jan und seine Familie und die Familie Kern, sondern auch zu einem Buch vieler anderer Bewohner des Ostens, denn hier wird auch deren Geschichte erzählt. Mir gefällt insbesondere die gekonnt erwirkte Hektik durch kürzere Kapitel zum Ende hin, mit mehreren Wechseln der Zeitebene und der Protagonisten im Vergleich zu den längeren Kapiteln am Anfang des Buches. Die Psyche der Protagonisten wird damit sehr deutlich gemacht. Egal ob gewollt oder nicht, mich hat das vollends vom Buch überzeugt. Schreibstil, Spannungskurve und auch die sonstigen handwerkliche Aspekte konnten auch überzeugen.
Fazit: Raumfahrer ist ein gelungener Roman der gekonnt die Geschichte der DDR und des vereinigten Deutschlands in den Blick nimmt und exemplarisch an zwei Familien erzählt. Tolle Protagonisten, ein ehrliches Bild von Vergangenheit und Gegenwart und daneben ein wirklich guter Autor, der alle Elemente eines guten Buches im Repertoire hat und zu nutzen weiß. Dieses Buch ist nicht nur für ostdeutsche Leser etwas, erklärt es doch auch den Westdeutschen etwas über das Vergangene und das Aktuelle.
Autor:Martin Wagner (Die PARTEI Hattingen) aus Hattingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.