Das Industriemuseum im Jahre eins nach dem Kulturhauptstadtjahr: ein Interview
„Hütte“. Fast 25 Jahre nach Stilllegung der Henrichshütte klingt bei diesem Wort mehr mit als nur Arbeit. Für viele Hattinger und Welperaner, Blankensteiner und Bochumer war die Hütte Lebensmittelpunkt – mit Leib und Seele. Bei manchen vielleicht sogar mehr als die Familie.
Es gibt ehemalige Hüttenarbeiter, die seit der beginnenden Schließung 1987 mit dem Aus für Hochofen 3 und das Walzwerk nie wieder auf dem Gelände gewesen sind, das heute die größte Gewerbefläche der Stadt aufweist. Und ein Industriemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
Diese Alten, sie haben – ihre Trauer in allen Ehren – bislang etwas verpasst: einschneidende Veränderungen durch die Gewerbe-Ansiedlungen, aber auch Sichern und Bewahren im Museum für die Menschen, für welche die Hütte früher eine abgeschiedene, unerreichbare, eine eigene Welt gewesen ist.
Robert Laube heißt der Leiter des LWL-Industriemuseums Henrichshütte, das allen die frühere „Stadt in der Stadt“ öffnen und näherbringen möchte. Mit ihm blickt der STADTSPIEGEL zurück auf das Jahr der Kulturhauptstadt „Ruhr.2010“, wagt aber auch einen Ausblick auf das, was getan wird, getan werden muss.
STADTSPIEGEL: Herr Laube, was sagen Sie rückblickend über 2010?
Robert Laube: Für mich war das vergangene Jahr vor allem lehrreich: 75 bis 80 Ausstellungen haben wir bisher gemacht, aber noch nie so etwas gestemmt wie die ,Helden‘-Ausstellung. Erstmals war ich nicht Ausstellungs-, sondern Standortleiter, eine spannende Erfahrung – personell, aber auch bis hin zur Selbstausbeutung.
Was hat Ihrer Meinung nach das Kulturhauptstadtjahr nachhaltig gebracht?
Im öffentlichen Dienst stehen wir allgemein unter einem immensen Kostendruck. Aber wer etwas haben möchte, muss auch die Ressourcen bereit stellen – etwa für ein Museum. Nach 2010 muss man sich fragen, ob Kultur bei den Menschen höher gehängt wird als vorher. Das Stillleben auf der A40 fanden alle ja ganz toll oder auch andere Highlights. Ich persönlich fand die Kulturhauptstadt ganz nett. Doch gibt es Menschen, die sagen, das war ja ganz okay, aber jetzt ist auch gut. Und der Spruch ,In Zeiten wie diesen...‘, der passt doch immer. Und ganz schnell wird doch Schlagloch gegen Ausstellung aufgerechnet.
Hat sich das Kulturhauptstadtjahr im Industriemuseum zahlenmäßig positiv niedergeschlagen?
Letztes Jahr hatten wir im Januar und Februar sowie im November und Dezember wegen des ,Helden‘-Auf- und Abbaus praktisch keinen Museumsbetrieb. Wegen der Ausstellung habe ich aber auf 100.000 Museumsbesucher getippt. Letztlich waren es nur 93.000, was aber auch dem Loveparade-Unglück geschuldet ist. Dadurch wurde bei uns der ,Mitmenschentag‘ abgesagt, mit dem wir meine Voraussage sicher erreicht hätten. Aber trotzdem haben wir ja die im Vorfeld öffentlich gemachte 70.000 er Marke bei den Ausstellungsbesuchern locker geknackt.
Hat es das Industriemuseum schwer, sich gegen die Museums-„Konkurrenz“ durchzusetzen?
Ich glaube, Hattingen wird als Standort des Industriemuseums überörtlich immer noch nicht richtig wahrgenommen. So kommt ein großer Teil unserer Besucher aus einem Umkreis von nur 30 Kilometern. Aber obwohl wir immer noch Reste der ,Helden‘ aus der Gebläsehalle räumen, gab es bereits wieder erste Veranstaltungen dort. Alles in allem ist der Hallenbetrieb wieder ganz gut angelaufen.
Veranstaltungen sind ja nur ein Teil Ihres Aufgabenbereichs. Was tut sich sonst?
Nach den schlechten äußeren Bedingungen werden die Baumaßnahmen im Februar wieder aufgenommen. Nicht nur an der Gebläsehalle, sondern an allen historischen Bausubstanzen, die als Industriebauten ja ursprünglich nur für höchstens zwei Generationen gedacht waren. Deren Statik ist nach wie vor okay. Die Fenster wurden zum größten Teil bereits saniert. Jetzt folgen Dach und Innenausbau. Ich rechne mit der Fertigstellung in der ersten Hälfte des nächsten Jahres.
Wo besteht dringender Handlungsbedarf?
In der Abstichhalle, wo durch den Hochofen, den Qualm und alles andere der gesamte Bereich stark angegriffen ist. Es ist eine hohe Kunst, das Gebäude zu erhalten und das vom Anblick her auch noch denkmalgerecht. Wir arbeiten hier mit einem Dortmunder Professor zusammen. Denn wir wollen das Erscheinungsbild der Abstichhalle erhalten, ohne weitere Schäden entstehen zu lassen. Am 9. Juli dieses Jahres ist die 1939 gebaute Abstichhalle hoffentlich wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Demnächst werden Sie eine Ausstellung gemeinsam mit dem Stadtmuseum durchführen.
Ja, die ,Hüte‘-Ausstellung. Wir werden da was machen mit Arbeitsschutz. So etwas wie ,Über Hüte zum Helm‘. Dabei arbeiten wir auch mit der DASA, der Deutschen Arbeitsschutzausstellung, in Dortmund zusammen. Wir gehen ebenfalls auf das Thema Migration ein – etwa, was hatten die ersten Türken oder Italiener auf dem Kopf, als sie nach Deutschland kamen. Überhaupt werden wir bis zum Jahresende ein Konzept vorliegen haben, wie wir unseren Standort noch mehr für Menschen mit Migrationshintergrund öffnen können. Dazu wollen wir Veranstaltungsformate anbieten beispielsweise für bestimmte Kulturbereiche und Altersgruppen. Auch in unserer Dauerausstellung fehlt mir der Migrantenanteil und der an Frauen. Dabei war fast jeder zweite auf der Hütte Beschäftigte nicht von hier, sondern kam erst durch Vertreibung, Anwerbung oder eben Migration nach Hattingen.
Was läuft in diesem Jahr an Ausstellungen bei Ihnen?
Leonardo da Vinci beispielsweise. Über den hatten wir ja schon eine sehr gut besuchte Ausstellung in 2008. Jetzt gibt es neue Modelle, die wir zeigen werden, während unsere damaligen Exponate gleichzeitig in der Zeche Nachtigall zu sehen sind. Außerdem haben wir Ende April wieder ,Das Fest‘, den ,Hüttenlauf‘ am 28. Mai, die ,Extraschicht‘, die Eröffnung vom ,Hüttenspielplatz‘ am 10. April in unserem mehr bewaldeten Museumsbereich. Dort wird es auch zum Spielen einen Hochofen-Nachbau geben unseren ,Hochofen 1‘. Dann haben wir noch eine Architektentagung und die Messe der Gemeinnützigkeit mit ,Helfer, Retter, Alltagshelden‘.
Wie sieht für all dies und noch mehr Ihr Etat aus?
100.000 Euro haben wir zur Verfügung. 50.000 Euro kommen durch den LWL, 40.000 aus Einnahmen durch Vermietungen und 10.000 durch verschiedene Projekte. Wir haben feste Partner wie Sparkasse Hattingen und Volksbank. Besucherzahlen spielen beim Etat-Ansatz nicht eine so große Rolle.
Das scheint nicht viel Geld zu sein unterm Strich. Wie gehen Sie damit um?
Im ersten Quartal 2011 konzentrieren wir uns auf die ,Hüte‘-Ausstellung. Eine solche hochwertige Ausstellung wollen wir jetzt jedes Jahr durchführen mit Katalog und allem, was dazugehört. So etwas kostet natürlich und deshalb sieht unser gesamtes Programm etwas übersichtlicher als gewohnt aus. Dennoch haben wir mit 32 verschiedenen Angeboten immer noch mehr als anderswo. Lieber investieren wir in das, was wir intern ,big points‘ nennen, die wirklich großen Sachen also, wie eben den neuen Kinderspielplatz, die ,Hüte‘ und die zweite Leonardo-Ausstellung. Für unsere Kellerbühne und das Bessemer-Stahlwerk müssen wir nach dem Loveparade-Desaster erst ein Sicherheitskonzept nach dem Veranstaltungsstättengesetz erstellen. Wir arbeiten zurzeit konstruktiv mit der Stadt daran.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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