Besinnliches: Auf der Durchreise
Ein Tourist macht Station in einem Kloster. Er wird freundlich aufgenommen, und man bietet ihm eine Mönchszelle als Schlafquartier an. Darin stehen nur ein Bett und ein Stuhl. In der Tür fragt der Tourist erstaunt: „Und wo sind Ihre Möbel?“ „Wo sind denn Ihre?“, erwidert der Mönch. Verwirrt antwortet der Tourist: „Ich bin ja nur auf der Durchreise.“ Der Bruder lächelt: „Wir auch.“
Die lapidare Feststellung des Mönchs berührt das Grundthema jeder Religion und auch des Christentums: Wir sind nur auf der Durchreise. Das wandernde Gottesvolk, ohne bleibende Stätte, und noch nicht am Ziel...
Mancher Reisende, der in diesen Tagen wieder zu den „schönsten Wochen des Jahres“ aufbricht, wird sich vermutlich nicht gerade ein Kloster als Domizil auswählen. Dennoch sind die religiösen Wurzeln des Reisens auch heute noch spürbar, selbst im Vier-Sterne-Hotel.
So macht den Reiz des Reisens gerade die Tatsache aus, dass es ein Ausstieg auf Zeit ist, dass wir Dinge, die uns sonst beschäftigen, wenn nicht gar den Schlaf rauben, (hoffentlich) endlich mal nicht so wichtig nehmen. Für die Reise nehmen wir mit, was wir brauchen, und alles, was wir im Urlaub haben und tun und erleben, lassen wir dann spätestens am Ende der Reise auch wieder los.
Für Christen darf Reisen ein Gleichnis für das Leben in der Welt sein. Wir sollen die Welt gebrauchen, als gebrauchten wir sie nicht, betont der Apostel Paulus an seine Mit-Christen in Korinth. Mit Lebens- und Entdeckerfreude und freilich auch in Verantwortung vor uns selbst und unseren Mitmenschen. Doch ohne uns an diese Welt völlig zu verlieren und zu binden, an keinen Wert und Gegenstand, an keine Tradition und auch an keinen Menschen, denn wir sind nicht am Ziel, wir sind „nur auf der Durchreise“.
Vermutlich wird kaum einer von uns sich von solchen tiefschürfenden Gedanken leiten lassen, für den der wohlverdiente Jahresurlaub ansteht. Doch wenn es uns gelingt, in dieser Zeit Abstand zu gewinnen, zurück zu lassen, was uns am Leben hindert, seien es Gedanken, sei es ein Mensch oder das Smartphone, Neues zu entdecken und uns auf andere Erfahrungen, andere Menschen, andere Kulturen einzulassen, dann haben wir viel erreicht.
Ob im Urlaub oder im Alltag, wir können nichts festhalten, wir dürfen loslassen, denn wir sind „nur auf der Durchreise“. Gott schenkt uns diese Zeit, Gott gibt uns Urlaub. Nicht nur drei Wochen jetzt im Sommer, sondern auch sonst im Leben jeden neuen Tag.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute Erholung!
Arne Stolorz, Pfarrer
Ev. Kirchengemeinde
Sprockhövel
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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