Vater-und-Sohn-Geschichten aus dem Rauendahl
Auf den Spuren Mathilde Annekes
Mit dem Rad unterwegs kann man viel „erfahren“, vor allem, wenn Stadtarchivar Thomas Weiß und Sohn Benedikt dabei sind, wobei der Letztgenannte kurzfristig für die an Corona erkrankte Marlene Klutzny vom Spockhöveler Stadtarchiv im Rauendahl einspringen musste.
Begleitet wurde die historische Tour von der Hattinger Gleichstellungsbeauftragten, Kathrin Brüninghold, die sowohl hier als auch als Moderatorin bei der Auftaktveranstaltung in der Glückaufhalle einlöste, was sie bei Dienstantritt im Oktober 2021 ankündigte:
„Ich freue mich auf viele spannende Projekte und Begegnungen.
Besonders der lokale Bezug und die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern
sehe ich als positiven Aspekt meiner neuen Tätigkeit".
Kathrin Brüninghold lebt in Sprockhövel und spendierte ein kühlendes Eis am Kemnader See; aus der Stadtverwaltung Sprockhövel ließ sich vor dem Rathaus oder bei der Tour selbst niemand blicken.
Als Mathilde Anneke vor 200 Jahren in Oberleveringhausen das Licht der Welt erblickte, erfand Freiherr von Drais das erste Fahrrad, ein Fortbewegungsmittel, das den Bewegungsspielraum, speziell auch für Frauen, erweitern sollte.
Während die meisten Menschen zu der Zeit Haus, Hof oder Werkstatt lebenslang nicht verließen, führte Mathilde ein unstetes Leben. Die 17 Radlerinnen und Radler folgten unter Leitung des gewieften ADFC-Tour Guides Gerd Isenberg den ersten Lebensstationen.
In Oberleveringhausen wird sie 1817 in einem großen Haus mit Garten-, Wiesen- und Waldflächen geboren (Wittener Straße 131). Sie verbrachte eine unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit in Blankenstein (Vidumestraße 21) und Hattingen (Obermarkt 9). Unordnung und frühes Leid erlebte sie als junge Ehefrau, selbstbewusst und mutig lässt sie sich trotz aller Widerstände und Nachteile scheiden.
„Die Freiheit selbstbestimmt zu leben,
die Freiheit über den eigenen Körper zu bestimmen,
die Freiheit vor Unfreiheit zu fliehen“.
Mathilde Anneke fordert diese Freiheit ein, und dies nicht nur für Frauen, sondern prinzipiell für alle Menschen, Freiheit - ein Menschenrecht!
Einigkeit und Recht und Freiheit ließen sich in der 1848er Revolution in Deutschland weder friedlich in der erstmalig frei gewählten Natinalversammlung noch gewaltsam auf den Straßen durchsetzen.
Zusammen mit Marx, Engels, Herwegh, Freiligrath. Lassalle und Moses Hess setzt sie sich als Demokratin, Frauen- und Menschenrechtlerin, Schriftstellerin und Journalistin für diese Ziele ein.
Ihre Offiziers-Ordonanz für den Befehlsheber der Artillerie der Pfälzischen Volkswehr, Fritz Anneke, ihrem zweiten Ehemann, hat eine weitere Wendung in ihrem Leben zur Folge: Die als „Flintenweib“ verfolgte Mathilde Anneke muss fliehen, erst nach Straßburg, dann in die Schweiz und schlussendlich in die USA.
In Milwaukee erscheint ihre deutschsprachige „Frauen-Zeitung“ (erstmals 1852) und dort gründet sie 1865 das „Milwaukee-Töchter-Institut“.
Sie hat fünf Kinder zur Welt gebracht und ist 1884 in Milwaukee gestorben und dort beerdigt worden.
Die ADFC-Tour endete mit einem herzlichen Empfang auf dem Schulhof der Mathilde-Anneke-Schule in Sprockhövel: Gegrilltes und diverse Kaltgetränke erfreuten die Radlerinnen und Radler.
Überraschung am Schluss: Lehrer und Schüler und Schülerinnen machten Musik, darunter zwei Lieder, jeweils auf Deutsch und Ukrainisch (!):
Die Europa-Hymne mit selbst verfasstem Text, die Botschaft bleibt gleich – und da wären wir wieder bei Mathilde Anneke:
Menschen wünschen sich eine Gesellschaft gleichberechtigter Menschen, die durch das Band der Freude, der Freundschaft und des Friedens miteinander verbunden sind.
Autor:Peter Hupperich aus Hattingen |
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