Aphoristiker sind keine Sprücheklopfer

Dr. Jürgen Wilbert (links) und Friedemann Spicker vom Förderverein Deutsches Aphorismus-Archiv Hattingen mit dem Tagungsbanner. Foto: Pielorz
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Bereits zum siebten Mal seit 2004 treffen sie sich in Hattingen, die Meister der kurzen Sprüche. Obwohl sie keine Sprücheklopfer sind. Kurz und knackig sind die Gedanken aber schon, Wortwitz haben sie. Und am besten bringt es wohl der Aphoristiker selbst auf den Punkt: Sprüche klopfen, Aphorismen öffnen (Jörg Dahlbeck). Und dabei sein kann jeder Hattinger, denn die Aphoristiker wollen nicht im stillen Kämmerlein sitzen.

Ein Aphorismus ist ein geistiger Sinnspruch, ein Gedanke mit Lebensweisheit – jetzt mal so ganz kurz gefasst. Also quasi eine SMS mit Tiefgang. Und daher doch eigentlich auch was für junge Leute, oder? „Nicht so ganz“, lacht Jürgen Wilbert, Vorsitzender des Fördervereines Deutsches Aphorimus-Archiv Hattingen (DAphA). „Wir besuchen gerne die Schulen und sind in diesem Jahr hier in Hattingen in den beiden Gymnasien Holthausen und Waldstraße zu Gast sowie in der Realschule Grünstraße. Es macht auch Spaß, mit den jungen Leuten zu diskutieren. Aber eigene Aphorismen kreieren die wenigsten, weil dazu doch eine Portion Lebensweisheit gehört. Und man muss auch sagen, durch den straffen Stundenplan haben die Schulen wenig Möglichkeiten, sich inhaltlich auch einmal außerhalb des Curriculums zu bewegen.“
Bewegend sind die Aphorismen oft. Das wollen die Experten im Rahmen ihrer Tagung auch den Hattingern zeigen. „Wir mögen Gäste und wer möchte, kann sich gern einen Vortrag anhören. Und dabei auch höchst praktische Beispiele mitnehmen. So referiert etwa Ludger Köhling über den Aphorismus in Beratung und Therapie“, erklärt Friedemann Spicker vom Förderverein.
Und das ist nicht die einzige Gelegenheit, die die Hattinger zwischen dem 4. Und 6. November haben, wenn sich rund vierzig Aphoristiker zu der ausgebuchten Tagung „Weisheit – Kritik – Impuls“ im Stadtmuseum in Blankenstein treffen: Kabarett und Musik sind öffentlich zu Gast. Am Freitag, 4. November, 20 Uhr, gastieren „Faltsch Wagoni“ mit ihrem neuen Programm „Ladies first – Männer Förster“. Sie klopfen mehr als Sprüche zum Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau. Am Sonntag, 6. November, 11 Uhr, stehen Uta Köbernick & Gunkl auf der Bühne mit „Grüße aus Lakonien“. Köbernick aus Köpenick hat zahlreiche Preise erhalten, ganz aktuell den Kleinkunstpreis „Salzburger Stier“. Eintritt zu beiden Veranstaltungen (Kooperation mit der Vhs) jeweils 15 Euro.

Besucher sind erwünscht

Der Samstag, 5. November, ist der eigentliche Tag für Diskussionen. In Vorträgen und Workshops gehen die Teilnehmer dem Aphorismus auf den Grund. Weisheit – hier fallen einem Lebensweisheit, Binsenweisheit, Naseweisheit und vieles mehr ein. Steht der Begriff für abgehobenes Erörtern oder ist es eher ein abgegriffenes Hochwertwort? Zeit- und Sozialkritik wird oft mit dem Aphorismus gleichgesetzt. Ein Beispiel von Stanislaw Jerzy Lec: Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten. Doch im Zeitalter der überall präsenten Kritik – hat sie da ihre aufklärerische Funktion eingebüßt? Und schließlich der dritte Begriff der Tagung, der „Impuls“ – ein Etwas, welches eine Lebensrichtung geben kann?
Zum Gelingen der Veranstaltung tragen natürlich auch Sponsoren und Musikanten bei. Stadt und Kreis gehören dazu, auch die Volksbank Sprockhövel und die Sparkasse Hattingen, das Avantgarde Hotel sowie die „Mayersche“ – die übrigens im Eingangsbereich einen roten Teppich mit Aphorismen liegen hat. Schon einmal darauf geachtet? Musikalisches auf die Ohren gibt es mit dem Gitarrenduo „WeimerSisters“, die am Samstag, 5. November, ab 19.30 Uhr, klassische Musik auf eine besondere Art und Weise präsentieren.
Auch einen Blick in die Zukunft haben die Aphoristiker noch parat: Das Archiv, zur Zeit noch in Räumen im Stadtmuseum untergebracht, wird in den nächsten fünf Jahren seinen Standort wechseln und als Sondersammlung in den Bestand der Universität Düsseldorf eingepflegt. „So bleiben die gesammelten Schätze langfristig erhalten“, sagen Jürgen Wilbert und Friedeman Spicker, die zwar noch nicht so alt sind, aber ihrer Zeit voraus gehen wollen. Es findet sich kein Nachfolger, der die Arbeit der beiden in einer Person vereinen würde. „Wir werden uns aber nicht von Hattingen verabschieden“, sind sich die beiden auch einig. „Solange uns Hattingen mit Veranstaltungen haben will, wird es sie auch geben.“ Geben wird es auch wieder einen Tagungsband, auf den man immer viel Wert gelegt hat.
Und wer morgens aus einer Tasse trinkt mit dem Spruch „Wer an die Quelle gelangen will, muss gegen den Strom schwimmen“, der trinkt doch mit der Lebensweisheit auch die Motivation für den ganzen Tag. Weitere Infos gibt es unter www.dapha.de oder www.aphoristikertreffen.de.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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