Überzogene Reaktion beider Beteiligter
Radfahrer tritt auf am Boden liegenden Autofahrer ein

Ein 56-jähriger Hattinger wurde jetzt wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen einkommensabhängig zu je 50 Euro, also zu einer Geldstrafe von 3.500 Euro verurteilt. Vorausgegangen war ein Streit zwischen einem Autofahrer und einem Radfahrer.

„Der Autofahrer war an der Gesamteskalation nicht ganz unbeteiligt“, sagte Richter Kimmeskamp in seiner Urteilsbegründung. Vorher hatte er den 56-Jährigen Radfahrer wegen Körperverletzung zu der Geldstrafe verurteilt.

Aber von vorn: Der Angeklagte befuhr auf seinem Rad Mitte August 2019 die Martin-Luther-Straße (L651) Richtung Winz-Baak. Ein Autofahrer bemängelte, dass der Radfahrer nicht auf dem kombinierten Fuß-Radweg, sondern auf der Fahrbahn fuhr.

„Ich fühlte mich bedrängt und konnte nicht überholen, weil der Radfahrer teils in Schlangenlinien auf der Fahrbahn fuhr“, sagte der Autofahrer vor Gericht aus.

Obwohl die Straße zweispurig verläuft, der Autofahrer hätte also überholen können, gab er dem Radfahrer unmissverständlich zu verstehen, dass dieser sich falsch verhielt.

„Ich wusste überhaupt nicht, was der Autofahrer von mir wollte, weil ich den kombinierten Fuß-Radweg nicht bemerkt hatte“, sagte der angeklagte Radfahrer und bestritt, in Schlangenlinien gefahren zu sein.

Anstatt den Radfahrer einfach zu überholen, blieb der Autofahrer hinter dem Radfahrer. „Ich wollte dann nach rechts Richtung Ruhrdeich abbiegen, um den Autofahrer los zu werden, sagte der Angeklagte, aber der Autofahrer fuhr immer hinter mir her.

Mitten auf der Abbiegespur zum Ruhrdeich hielt der Autofahrer dann an, fuhr die Scheibe der Beifahrertür runter und es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, als der Radfahrer an das Auto herankam.

Plötzlich griff der Autofahrer zu einem in seiner Mittelkonsole griffbereitem Abwehrspray und sprühte sich aus Versehen den ersten Sprühstoß selber ins Gesicht. Durch die austretende Pfefferspraywolke erzürnt, schlug der Radfahrer gegen den Außenspiegel des PKW an der Beifahrertür.

Zu der dann folgenden Eskalation gab es unterschiedliche Aussagen. Ein Zeuge schilderte, der Radfahrer habe gedroht, den Autofahrer tot zu schlagen, „alle zu machen“ und als der Autofahrer ausstieg, ging dieser nach kurzer Rangelei zu Boden, soll vorher aber noch mehrere Sprühstöße Pfefferspray gegen den Radfahrer versprüht haben.

Dann soll der Radfahrer auf den am Boden liegenden Autofahrer zwei bis dreimal, so der Zeuge, eingetreten haben.

„Tritte gegen eine bereits am Boden liegende Person sind durch nichts, auch nicht mit Notwehr zu rechtfertigen“, sagte Richter Kimmeskamp in seiner späteren Urteilsbegründung. Ein zufällig in seiner Mittagspause vorbeikommender Polizeibeamter in Zivil griff dann ein und benachrichtigte seine Kollegen, die innerhalb weniger Minuten eintrafen.

Strafverteidiger plädierte auf Freispruch
Während der Vertreter der Staatsanwaltschaft gegen den Radfahrer auf Verhängung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung und 1.000 Euro Geldstrafe plädierte, bewertete Rechtsanwalt Oberhagemann das Ergebnis der Beweisaufnahme für seinen Mandanten vollständig anders.

Er sah nach der Beweisaufnahme keine genauen Tatbestandsmerkmale der Tritte durch seinen Mandanten gegen den am Boden liegenden Geschädigten bestätigt und ihm erschien die Glaubwürdigkeit des Geschädigten aufgrund dessen Erinnerungslücken eingeschränkt.
Daher beantragte er nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ Freispruch für seinen Mandanten.

Richter Kimmeskamp verurteilte dann den 56-Jährigen angeklagten Radfahrer wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 3.500 Euro. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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