Aus dem Amtsgericht
Müllmann nachts mit Schüssen vertrieben

Archivbild Höffken : Schreckschusspistole

Ein 65-Jähriger aus Hattingen war angeklagt, Anfang Oktober 2019 in den frühen Morgenstunden durch Schüsse aus einer Schreckschusspistole einen Menschen genötigt zu haben.

„Ich dachte, ich sehe meine drei Kinder nie mehr wieder“, sagte ein 32 Jahre alter Müllentsorger, der durch Schüsse eine böse Überraschung erlebte, als er gegen 4 Uhr morgens eine Speiserestetonne vom Gelände eines Hattinger Gastronomiebetriebes abholen wollte.

Ich arbeite immer nachts, hole im Auftrag meines Arbeitgebers Speisereste von Gastronomiebetrieben ab um Geld für meine drei Kinder und für mich zu verdienen, sagte der Müllentsorger. Die Speiserestetonne war in einem Anbau auf dem Hof des Gastronomiebetriebes untergestellt.

Vor dem Fernseher eingeschlafen
Der Angeklagte schilderte freimütig, dass er am Tattag abends vor dem Fernseher eingeschlafen war und morgens gegen vier Uhr aufwachte. Sein Haus befindet sich in unmittelbarer Nähe des Gastronomiebetriebes.

Er will nach dem Aufwachen auf dem Weg in sein Bett durch das Glas der Haustür draußen eine verdächtige Gestalt gesehen haben. Er sprach diese laut an, bekam jedoch keine Antwort.
Dann nahm er seine Schreckschusspistole und öffnete ein wenig die Haustür, voller Sorge, dass sich ein Einbrecher draußen zu schaffen macht. Er will noch einmal den Unbekannten draußen laut angesprochen haben und als dieser wieder nicht reagierte, hatte der Angeklagte mit seiner Schreckschusspistole zweimal geschossen.

Während er angab, in die Luft geschossen zu haben, sagte der Müllentsorger aus, der Schütze habe ihn nicht vorher angesprochen und seitlich auf ihn gezielt und direkt geschossen.

„Dabei ist mein Herz runtergerutscht“, ergänzte der Müllentsorger aufgebracht und fragte, warum der Angeklagte nicht aufgrund seiner Wahrnehmung in der Wohnung geblieben und einfach den Notruf der Polizei gewählt habe. Bis heute hat er nach diesem Erlebnis oftmals noch ein mulmiges Gefühl bei seiner nächtlichen Transportarbeit.

Freispruch da Erlaubnistatbestandsirrtum
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand der Nötigung erfüllt, plädierte jedoch genau wie Strafverteidiger Rechtsanwalt Tim Salewski auf Freispruch für den Angeklagten. Dem kam Richter Kimmeskamp mit seinem Urteil auch nach.

Der angeklagte Hattinger hat das falsch, eben anders gesehen, sagte Richter Kimmeskamp, denn er wollte an sich rechtstreu handeln und eine Straftat verhindern.

Subjektiv hatte er auch keine rechtswidrige Motivation, denn bis zur Benachrichtigung der Polizei und deren Eintreffen wäre der aus Sicht des Angeklagten draußen handelnde „Täter“ erfahrungsgemäß schon weg gewesen.

Der Angeklagte hat sich vertan, „es ist dumm gelaufen von allen Seiten“; im Übrigen kann man üblicherweise nicht nachts um vier Uhr mit einen Müllentsorger rechnen.

Erklärung:
Das Strafgesetz kennt eine besondere Form des Irrtums. Ein Erlaubnistatbestandsirrtum besteht in der irrigen Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes, z.B. der Notwehr.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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