STADTSPIEGEL aktuell
Maskierte im Gerichtssaal - Amtsgericht nimmt Geschäftsbetrieb wieder auf
Am heutigen Montag begannen beim Amtsgericht auf der Bahnhofstraße wieder öffentliche Verhandlungen. Umfangreiche Hygienevorschriften sind zu beachten, vor Eintritt ist eine ausliegende Selbstauskunft von Besuchern auszufüllen und den Justiz-Wachtmeistern zu übergeben. Verhandlungen der Straf- und Familienrichter sowie der Zivilkammer finden wieder statt.
In den Gerichten sah man in der Vergangenheit immer nur dann Maskierte, wenn Beamte von Sondereinsatzkommandos der Polizei im Gebäude tätig waren oder als Zeugen aussagten. Deren Identität ist verständlicherweise immer schützenswert.
Seit den Vorgaben der NRW-Corona-Schutz-Verordnung hat man sich inzwischen in der Öffentlichkeit und in vielen Gebäuden an Personen gewöhnt, die mit einer Mund-Nase-Schutzbedeckung -jetzt auch im Amtsgericht- anzutreffen sind.
Am heutigen Montag überzeugte sich Amtsgerichtsdirektor Dr. Christian Amann im Großen Sitzungssaal während einer öffentlichen Hauptverhandlung eines Strafprozesses persönlich davon, dass sich die angeordneten organisatorischen Maßnahmen bewährt haben. Fazit der Besucher: Alles gut organisiert!
Verhandlung 1 : Unfallflucht - Angeklagter nicht erschienen - Geldstrafe
Der erste Angeklagte am heutigen Gerichtstag, ein 83-Jähriger, war aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen und ließ sich durch Rechtsanwalt Ludwig vertreten.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn, sich am 31.7.2019 nach einem Unfall vom Unfallort entfernt zu haben. Seine hinterlassene Visitenkarte am Unfallauto reichte nicht aus. Auch wenn diese Meinung des Angeklagten wegen des nach seiner Meinung entstandenen Bagatellschadens gegenüber einem Zeugen geäußert wurde, bezeichnete die Staatsanwaltschaft das Verhalten des Angeklagten mit einem Unfall-Schaden von immerhin über 7.000 Euro als Fahrerflucht.
Mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten wurde dann das Verfahren mit der Auflage eingestellt, dass der Angeklagte innerhalb eines Monats unwiderruflich gegenüber der Straßenverkehrsbehörde auf die Erteilung seiner Fahrerlaubnis verzichtet und 350 Euro an die Hattinger Tafel überweist. Schadensersatzansprüche waren nicht Gegenstand dieses Strafprozesses.
Verhandlung 2: Fahren ohne Fahrerlaubnis – 6 Monate Freiheitsstrafe
Einen Moment wirkte der Angeklagte, ein 54-Jähriger aus Hattingen, nach Verkündung des Urteils sprachlos. Richter Kimmeskamp hatte ihn wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und diese für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Dazu kommen 100 Stunden abzuleistende gemeinnützige unentgeltliche Arbeit. Die zusätzliche Sperrfrist zur Beantragung einer neuen Fahrerlaubnis beträgt ab Rechtskraft des Urteils 12 Monate.
Der arbeitssuchende Angeklagte hatte am 7.11.2019 in Hattingen ein Fahrzeug geführt, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Er war nach eigenen Angaben an diesem Tage zu einem Vorstellungsgespräch unterwegs. Bereits vor acht Monaten war er letztmalig wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Da die damalige Geldstrafe auf den Angeklagten nicht gewirkt hatte, wurde jetzt eine Freiheitsstrafe verkündet. Warum sich der Angeklagte am Tattag nicht von seiner Ehefrau fahren ließ, konnte er vor Gericht nicht beantworten.
Verhandlung 3: „Sexuelle Anmache eines Kindes“ - Geständnis in letzter Minute - Geldstrafe
Ein 64-Jähriger aus Sprockhövel wurde von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, Mitte Mai 2019 in Sprockhövel vor einem Supermarkt einem zum Tatzeitpunkt 12 Jahre alten Mädchen eine unsittliche Frage gestellt bzw. ein unsittliches Angebot gemacht zu haben.
Während der Angeklagte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zuerst vehement bestritt und verneinte, überhaupt mit dem Mädchen gesprochen zu haben, bestätigten Mitarbeiter eines Supermarktes ein stattgefundenes Gespräch.
Unmittelbar vor der Zeugenbefragung der jetzt 13-Jährigen belehrte Richter Kimmeskamp den Angeklagten über die Folgen. Plötzlich gestand dann der Angeklagte die Tatvorwürfe und erklärte, er wisse nicht mehr, was damals in seinem Kopf vorgegangen sei.
Der Anklagevorwurf des sexuellen Missbrauches eines Kindes wurde dann in den Anklagepunkt Beleidigung auf sexueller Grundlage gewandelt.
Nachdem sich der Angeklagte bei dem Mädchen und seiner Mutter im Gerichtssaal entschuldigt hatte, verurteilte ihn Richter Kimmeskamp zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen, einkommensabhängig zu je 10 Euro. Der Strafrichter bewertete dabei, dass dem Mädchen die Aussage erspart blieb und der Angeklagte bisher nicht vorbestraft ist.
Autor:Hans-Georg Höffken aus Hattingen |
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