Eklat bei Urteilsbegründung
Angeklagter bedroht Richter der Strafkammer mit dem Tod

Der an Händen gefesselte Angeklagte (2.v.re.) neben seinem Verteidiger Peter Steffen, der Dolmetscherin Alma Juhic und einem Justizbeamten.
  • Der an Händen gefesselte Angeklagte (2.v.re.) neben seinem Verteidiger Peter Steffen, der Dolmetscherin Alma Juhic und einem Justizbeamten.
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Nachdem ein 41-Jähriger heute von den Richtern der XVI. Strafkammer des Landgerichtes Essen wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zum Nachteil seines Vaters zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde, eskalierte die Situation im Gerichtssaal.

Richter Björn Schilling hatte es wohl schon befürchtet und ließ den Angeklagten am dritten und letzten Verhandlungstag während der neunstündigen Verhandlung an den Händen gefesselt im Gerichtssaal sitzen.

Zur Erinnerung:
Der Angeklagte hielt sich seit Mai 2019 ohne gültige Aufenthaltserlaubnis bei seinen Eltern im Raum Hattingen auf. Staatsanwältin Julia Schweers-Nassif und die Richter der Strafkammer waren am Ende der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Angeklagte Mitte Juli 2019 in Hattingen mit seinem Vater über die Größe eines Leihwagens, den dieser für seinen Sohn angemietet hatte, in Streit geriet. Nach einer verbalen Auseinandersetzung soll der Vater Boxhiebe erhalten haben, die zu Rippenbrüchen führten.

Drei Tage später eskalierte eine weitere Aussprache zwischen Vater und Sohn und der Vater erlitt dabei einen Messerstich in den Bauch, in den Unterarm und erlitt Verletzungen im Gesicht. Im Rahmen weiterer Auseinandersetzungen bedrohte auch der Angeklagte seine Eltern in Hattingen-Welper mit dem Tode.

Bei den Familienstreitigkeiten forderte der wohnungslose Angeklagte, der 2018 aus der Haft nach Montenegro ausgewiesen worden war und bis zum Jahre 2023 nicht wieder einreisen durfte, nach seiner illegalen Einreise immer wieder von seinen Eltern Auskünfte über seine in Deutschland lebende Exfrau und seine Kinder. Seine Sorge um das Wohlergehen seiner Kinder beherrschte alle Streitigkeiten mit seinen Eltern.

Nach der Tat war der Angeklagte von der Mordkommission per Bild öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben und von Spezialeinsatzkräften der Polizei eine Woche später in Hattingen festgenommen worden.

Vater ändert seine Aussage
Während die Eltern des Angeklagten gegenüber dem Ermittlungsrichter kurz nach der Tat detaillierte Angaben zum Geschehen machten und ihren Sohn der Taten beschuldigten, machten sie bei Beginn des Prozesses von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Am heutigen letzten Verhandlungstag sagte der Vater dann plötzlich doch aus und korrigierte seine frühere Aussage. Er schilderte das Tatgeschehen ganz anders, ohne seinen Sohn zu belasten. Bei einem Sturz sei er verletzt worden und sein Sohn habe nicht auf ihn eingestochen. Diese neue Aussage hielt das Gericht dann für unglaubwürdig. Der Vater muss jetzt mit einem Verfahren wegen Falschaussage rechnen.

Die psychiatrische Gerichtsgutachterin Dr. Maren Losch hielt den Angeklagten für voll schuldfähig, attestierte ihm jedoch kriminelle Verhaltensauffälligkeiten und wenig Einsicht in geltendes Recht.

Verteidiger plädierte auf Freispruch
Während Staatsanwältin Schweers-Nassif am Ende ihres Plädoyers wegen der Körperverletzungs- und Bedrohungsdelikte auf eine Gesamtstrafe von 4 Jahren und vier Monaten plädierte, beantragte Strafverteidiger Peter Steffen, seinen Mandanten frei zu sprechen.

Er sah das Motiv der Tat nicht gegeben; außerdem wurde das Messer als Tatwaffe nie gefunden. Er ging davon aus, dass die letzte berichtigte Aussage des Vaters des Angeklagten die Richtige sei und die erste Aussage eine Falschbeschuldigung durch die Eltern darstellte.

Beschwerde über Haftbedingungen
Im "letzten Wort" des Angeklagten beteuerte dieser noch einmal seine Unschuld und beschwerte sich über die seiner Meinung nach unwürdigen und schikanösen Haftbedingungen zu seinem Nachteil.

Nach einem kurzen, aber heftigen Wortgefecht zwischen dem Angeklagten und seinem Pflichtverteidiger verkündete Richter Björn Schilling dann nach neunstündiger Verhandlungsdauer das Urteil der Strafkammer: Drei Jahre und zehn Monate Haft für den Angeklagten und Aufrechterhaltung des Haftbefehls.

Richter bedroht
Dann eskalierte die Situation: Der Richter wurde während seiner Urteilsbegründung durch den Angeklagten, der aufsprang, lautstark unterbrochen. „Wenn ich rauskomme, bringe ich Euch alle um, das vergesse ich nicht“, rief der Angeklagte aufgebracht, während sich die Sicherheitskräfte der Justiz noch näher um ihn positionierten.

Er war vorsorglich schon kurz vor der Urteilsverkündung auf einen von seinem Verteidiger und der Dolmetscherin entfernteren Platz im Gerichtssaal gesetzt und entsprechend bewacht worden.

Kurz darauf entschuldigte sich der Angeklagte für seinen emotionalen Ausbruch und Richter Schilling konnte seine Urteilsbegründung beenden. Dann kam der Verurteilte gefesselt zurück in die JVA. Für alle Beteiligten ein anstrengender Tag im Landgericht Essen.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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