Schöffengericht
22jährige schwangere Frau muss 27 Monate in´s Gefängnis - Berufung eingelegt

Strafverteidiger Rechtsanwalt Dr. Gregor Hanisch (re.) neben seiner Mandantin (li.)
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Vor dem Hattinger Schöffengericht hatte sich jetzt eine 22 Jahre alte Frau aus Sprockhövel wegen Betruges in 29 Fällen zu verantworten. Für ihre Taten mit einem Schaden von etwa zehntausend Euro erhielt sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung.

Immer wieder fiel in der Anklageschrift der Begriff einer Louis Vuitton Handtasche. Über zwanzig Mal hatte die Angeklagte über Internetplattformen diese Handtasche zum Verkauf angeboten, dafür Gelder kassiert, ohne je die angebotenen Handtaschen geliefert zu haben.

Angeklagte war geständig
Staatsanwalt Björn Kocherscheidt benötigte über zwanzig Minuten, um alle 29 angeklagten Betrugstaten vorzulesen. Strafverteidiger Rechtsanwalt Dr. Hanisch erklärte sodann im Namen seiner Mandantin, dass diese alle 29 in der Anklageschrift aufgeführten Betrugstaten zugibt. Durch dieses vollumfängliche Geständnis wurde dem Schöffengericht eine mehrtägige Hauptverhandlung mit der Vernehmung zahlreicher Geschädigter, die aus ganz Deutschland hätten anreisen müssen, erspart.

„Ich bereue das tierisch“, sagte die junge Sprockhövelerin, die dann erklärte, warum sie diese Betrugstaten in den Jahren 2017 und 2018 begangen hat. Immer wenn sie in eine depressive Stimmung verfiel oder Panikattacken hatte, griff sie zum Smartphone bzw. PC und verkaufte über Internetplattformen Gegenstände, die sie nicht besaß. Wenn dann die Gelder auf ihrem Konto eingingen, verfügte sie in bar über das Geld und kaufte sich davon in einer Art Kaufrausch Kleidungsstücke. „Da meine Schufa-Auskunft so negativ ist, konnte ich nicht mehr auf Rechnung bestellen“, sagte sie zu den drei Richtern des Schöffengerichtes. Da einige Kreditinstitute auf die Betrugstaten aufmerksam wurden und ihr Konto sperrten, eröffnete sie einfach neue Konten bei anderen Kreditinstituten und setzte ihre Betrugshandlungen über die neuen Konten fort.

Selbst als die Angeklagte im Februar 2017 eine einjährige Haftstrafe abgesessen hatte und auf Bewährung entlassen wurde, beging sie kurze Zeit später wieder Betrugstaten.

Die psychiatrische Gutachterin Dr. Marianne Miller attestierte der jungen Angeklagten, die bereits als Kind in psychiatrischer Behandlung war, eine schwergradige Persönlichkeitsstörung mit Panikattacken und eingeschränkter Steuerungsfähigkeit. Sie bejahte eine verminderte Schuldfähigkeit für die angeklagten Taten.

Ohne entsprechende Behandlung schloss die Gutachterin nicht aus, dass die Angeklagte, die in Kürze ihr zweites Kind erwartet, nach der Geburt aufgrund der Hormonumstellung wieder weitere Betrugstaten begeht. Das erste Kind der Angeklagten muss bereits überwiegend fremd betreut werden.

Die Bewährungshelferin der Angeklagten schilderte dem Schöffengericht, dass diese die therapeutische Notwendigkeit nicht erkannt und bisher nicht die Motivation aufgebracht habe, sich entsprechend behandeln zu lassen.

Unterschiedliche Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger
Staatsanwalt Björn Kocherscheidt zählte dann in seinem Plädoyer noch einmal alle Fakten auf, die für und gegen die Angeklagte sprechen. Er sah die Gewerbsmäßigkeit der Taten gegeben und plädierte unter Berücksichtigung der Anerkennung verminderter Schuldfähigkeit auf Einzelstrafen von insgesamt 232 Monaten Haft, die er zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis ohne Bewährung zusammenfasste. Weiterhin forderte er die Einziehung des Schadensbetrages von 10.350 Euro bei der Angeklagten.

Rechtsanwalt Dr. Hanisch sah keine Gewerbsmäßigkeit der Betrugstaten bei seiner Mandantin. Aufgrund des erkannten Krankheitsbildes wäre der vom Gesetzgeber für die Voraussetzung einer Gewerbsmäßigkeit erforderliche erkannte Plan, die Tat immer zu wiederholen, nicht gegeben. Er wies auf die psychische Erkrankung seiner Mandantin und auf die Spontanität ihrer Handlungen hin und plädierte unter Berücksichtigung einfacher Betrugstaten auf eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren, zur Bewährung ausgesetzt.

Schöffengericht schützt Allgemeinheit – Haftstrafe ohne Bewährung
Richter Kimmeskamp verkündete dann nach längerer Beratung das Urteil des Schöffengerichtes. Die 22 Jahre alte Sprockhövelerin wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Schöffengericht sah trotz verminderter Schuldfähigkeit eine kriminelle Energie und ein planmäßiges Vorgehen bei der Angeklagten gegeben. Trotz erheblicher Vorstrafen sei keine echte Einsicht zur entsprechenden Therapie vorhanden.

Gegen das Urteil wurde inzwischen Berufung eingelegt. Als zweite Instanz wird sich jetzt das Landgericht in Essen mit dem Fall beschäftigen.

Schöffen vereidigt
Zu Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung wurden zwei neue Schöffinnen vom Vorsitzenden Richter Johannes Kimmeskamp vereidigt. Diese wurden für einen Zeitraum von fünf Jahren gewählt. Beim Amtsgericht Hattingen gibt es im Erwachsenengericht zehn Haupt- und acht Hilfsschöffen sowie weitere Jugendschöffen für das Jugendgericht. Die Schöffen, auch ehrenamtliche Richter genannt, werden paarweise für Sitzungstermine für ein Jahr im Voraus ausgelost. Im Abwesenheitsfall springt ein Hilfsschöffe ein.

Strafverteidiger Rechtsanwalt Dr. Gregor Hanisch (re.) neben seiner Mandantin (li.)
Die Gerichtsparteien im Hattinger Schöffengericht kurz vor der Vereidigung der beiden neuen Schöffinnen und vor Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung.
Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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